156mit welcher sich die bürgerliche Gesellschaft der Frage der Prostitution,ja nur deren Erörterung gegenüber verhält, wies sie den engen Zusammenhang nach, der zwischen der Prostitution und unserer kapitalistischen, anarchischen Produktionsweise besteht. Die heutige Gesellschaft vermöge deshalb nicht, die Prostitution zu beseitigen, dieselbewerde nur verschwinden, wenn die kapitalistische Produktionsweisedurch die sozialistische ersetzt sei. Die Rednerin erntete für ihrenVortrag reichen Beifall.— Die Zahlstelle Altona des Verbandes deutscher Schneiderund Schneiderinnen hielt am 22. August eine Mitgliederversammlungab, welche sich mit internen Angelegenheiten beschäftigte, sowie mitAusarbeitung eines Fragebogens, die Lohn- und Arbeitsverhältnisseund den Arbeitsnachweis betreffend. In der Debatte ward hervorgehoben, daß angesichts der Ueberfüllung des Arbeitsmarkts mit überschüssigen Arbeitskräften der Arbeitsnachweis nur wenig zur Besserungder Verhältnisse vermöge. Gewährung des vollen Koalitionsrechtesund energische Ausnützung desselben und eine Verkürzung der Arbeitszeit seien die geeignetsten Mittel, bessere Arbeitsverhältnisse imSchneidergewerbe herbeizuführen.— Der Allgemeine Arbeiterinnenverein für Breslau und Umgegend hielt am 22. August eine Mitgliederversammlung ab, welchesich mit„Besprechung des Z 21 des preußischen Vereinsgesetzes" beschäftigen sollte. Herr Geiser empfahl, einstweilen von der Besprechung des Paragraphen und einer Beschlußfassung in Betreff derOrganisationsform der Breslauer Arbeiterinnen abzusehen, bis Redakteur Friedrich den versprochenen Vortrag gehalten über die gemeinschaftliche Organisation von Männern und Frauen in den Wahlvereinen. Auf Veranlassung des Redners gab die Versammlung eineSympathieerklärung ab zu Gunsten des Ausrufs Hamburger Frauen,welcher die Arbeiterinnen auffordert, sich auf Grund der Beschlüssedes Halberstädter Kongresses zusammen init den Männern zu organi-siren und nur für die Berufe, in denen nur Frauen beschäftigt sind,allgemeine Frauenvereine zu schaffen.— In der Mitgliederversammlung der Filiale Berlin des Verbandsdeutscher Schneider und Schneiderinnen sprach Herr Or. Sommerfeldam 29. August über„Die Cholera." In der an den Vortrag anknüpfenden Diskussion betonten mehrere Redner, daß die Lebensverhältnisse des Proletariats der Ausbreitung der Seuche günstig seienund die Wirksamkeit der empfohlenen sanitären Maßregeln vereitelten,bezw. deren Ausführung unmöglich machten.— Der Frauen- und Mädchenverein zu Mainz hielt am 31. Augusteine gut besuchte Mitgliederversammlung ab, in der Herr Miedrichiiber„Frauenemanzipation und ihre Gegner" referirte. Der Rednerführte aus, wie die Frau mit der Entstehung des Privateigenthumsunter die Herrschaft des Mannes und mit der kapitalistischen Wirth-schaftsordnung unter das Joch des Kapitalisten gerathen sei. IhreBefreiung könne mithin nur erfolgen durch Beseitigung des Privateigenthums, der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Die anwesendenFrauen erklärten sich mit den Ausführungen des Referenten voll einverstanden und verpflichteten sich, Schulter an Schulter mit denMännern für ihre Befreiung zu kämpfen. Vor Schluß der Versammlung konstatirte der Vorstand das Wachsen des Vereins, dessen Mitgliederzahl seit Oktober 1891 von 20 auf 100 gestiegen ist.— Am 5. September hielt die Zahlstelle Berlin des Verbandsder in Holzbearbeitungsfabriken und auf Holzplätzen beschäftigtenArbeiter und Arbeiterinnen eine Mitgliederversammlung ab, in welcherHerr Berndt mit Beifall über das Thema sprach:„Soll die Bildungausschließlich Monopol der Reichen sein?"— Der Verein der Arbeiter und Arbeiterinnen der Buch-, Papier-und Lederwaaren-Jndustrie von Berlin hielt am 5. September einesehr gut besuchte Versammlung ab, in welcher Herr Or. Lütgen auüber das Thema sprach:„Kapital und Arbeit." Nachdem der Rednereinen geschichtlichen Ueberblick über die verschiedenen früheren Produktionsformen gegeben, legte er das Wesen der kapitalistischen Wirth-schaftsweise dar und zeigte, wie der Sozialismus eine wirthschaftlicheNothwendigkeit werde. Die, auch von einzelnen Anarchisten befürwortete Rückgabe der Produktionsmittel an den Einzelnen sei reaktionär,der Staatssozialismus laufe auf Staatskapitalismus hinaus, die Bestrebungen der Bodenbesitzreformer seien halb und einseitig. Das Heilder Zukunft, die Befreiung der Arbeiterklasse beruhe einzig und alleinauf der Ueberführung aller Produktionsmittel in den Besitz der Allgemeinheit.— Vom 26.-29. August tagte in Magdeburg der allgemeinedeutsche Schneider- und Schneiderinnen-Kongreß. Von den Fragen,die er erörterte, und den Beschlüssen, die er faßte, sind die jedenfallsam wichtigsten, welche sich auf den Ausbau der Organisation und aufdie Maßregeln beziehen, durch welche dem Schwitzsystem, bezw. derHausindustrie entgegengetreten werden soll. Zur Frage der Organisation erklärte sich der Kongreß gegen das Vertrauensmännersystemund für Anbahnung von Jndustrieverbänden. Dem Verbandstag derAm Nordpol.Nach dem Englischen von P. Olliverio.(Forlsetzmig.)Frau Crayford's schöne Augen wanderten mehrmals forschendvon dem jungen Mädchen zu Franz Aldersley und sahen bald dieFortsetzung zu Klaras unvollendeter Geschichte. Der junge Offizierwar ein hübscher, geistreicher, gewandter Mann, so recht die Person,um die schwierige Lage, in der sich Klara Richard Wardour gegenüber befand, ernstlich zu vervollständigen! Es war keine Zeitmehr für weitere Fragen. Die Musik begann soeben den Walzer,und Franz Aldersley wartete auf seine Dame. Mit einem Wortder Entschuldigung zog Frau Crayford Klara auf einen Momentzur Seite und flüsterte:„Ein Wort, meine Liebe, bevor Du wieder in den Tanzsaalgehst. Es mag sonderbar klingen, nach dem Wenigen, was Dumir mitgetheilt hast, aber ich glaube jetzt Deine Lage besser zuverstehen, als Du selbst. Willst Du meine Meinung darüber hören?"„Ich sehne mich danach, sie zu hören, Lucie! Ich braucheDeine Meinung, Deinen Rath."„Du sollst beide in klaren und wenigen Worten haben. Zuerstmeine Meinung: Es bleibt Dir keine andere Wahl, als Dich gegenHerrn Wardour auszusprechen, sobald er ankommt. Zweitens meinRath: Wenn Du Euch Beiden die Aussprache erleichtern willst,so sorge dafür, daß Du ihm als ein freies Mädchen gegenübertreten kannst."Auf die letzten Worte legte sie besonderen Nachdruck undblickte dabei bedeutungsvoll auf Aldersley.„Ich will Dich Deinem Tänzer nicht länger entführen, Klara,"schloß sie, und ging dem Paare voran in den Saal.Nach dem, was Frau Crayford gesagt hatte, lastete die Bürdeauf Klaras Gemüth schwerer denn je. Sie war zu unglücklich,um den erheiternden Einfluß des Tanzes zu empfinden. Kaumeinmal hatte sie in dem Saale herumgetanzt, so klagte sie schonüber Ermüdung. Franz Aldersley blickte nach dem Nebenzimmer,welches, noch ebenso kühl und leer wie zuvor, zum Plauderneinlud, und führte sie dahin zurück auf einen Platz zwischen denBlumen.„Ich möchte Sie nicht vom Tanzen zurückhalten, HerrAldersley," begann Klara, nur sehr schwach den Versuch machend,ihn zu entlassen.Er setzte sich neben sie und heftete die Blicke auf das liebliche, gesenkte Gesicht, das nicht wagte, sich ihm zuzukehren, undflüsterte:„Nennen Sie mich Franz."Sie hätte ihn so gern Franz genannt, sie liebte ihn ja vonganzem Herzen; Frau Crayford's warnende Worte tönten abernoch in ihrer Seele ivider. Sie schwieg. Aldersley rückte ihr näherund bat um eine andere Gunst. Die Männer sind bei dieserGelegenheit Alle gleich; Schweigen ermuthigt sie ohne Ausnahmezum abermaligen Versuch.„Klara, haben Sie vergessen, was ich Ihnen gestern imKonzert sagte? Soll ich es wiederholen?"„Nein."„Wir fahren morgen ab nach dem Eismeer. Ich kehremöglicherweise erst nach Jahren zurück; schicken Sie mich nichtohne Hoffnung fort! Denken Sie an die langen, einsamenStunden im finstern Norden! Machen Sie sie für mich zu glücklichen Stunden!"Trotzdem diese Worte mit der Inbrunst eines liebendenMannes gesprochen waren, so kamen sie doch nur von den Lippeneines halben Knaben. Er war erst zwanzig Jahre alt und standim Begriff, sein Leben aufs Spiel zu setzen! Klara empfandinniges Mitleid für ihn. Er faßte sanft nach ihrer Hand; sieversuchte, ihm dieselbe zu entziehen.„Wie! selbst diese kleine Gunst.nicht am letzten Abend!"