willig Hilfe zu leisten, wo diese nöthig ist, besonders aber sich der Pflege der Kinder zu widmen, welche durch die Choleraepidemie mutterlos geworden sind. Die Damen der Bourgeoisie erholen sich derweilen in Bädern und auf Reisen von den Strapazen" der letzten Ballsaison und dem ausgestandenen Schrecken.

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In Berlin hat sich am 6. Oktober auf Anregung und unter Vorsitz des sozialdemokratischen Stadtverordneten Dr. 3adet eine aus Arbeitern, Aerzten und anderen Sachverständigen zusammengesetzte Arbeiter- Sanitätskommission gebildet, welche den Zweck verfolgt, Miß­stände in Wohnungen und Arbeitsstätten zur öffentlichen Kenntniß zu bringen, Aufklärung über hygienische Fragen unter die Arbeiter­bevölkerung zu tragen und ihre Begehrlichkeit nach mehr Luft, Licht und Reinlichkeit zu wecken. Etwa hundert Männer und Frauen haben sich als Kontroleure zur Prüfung des einlaufenden Materials bereit erklärt.

Am 25. und 26. September hielten die niederösterreichischen Genossen in Wien ihre Landeskonferenz ab, welche um das Prinzip der Gleichberechtigung der Geschlechter zum Ausdruck zu bringen von zwei Männern und von Genossin Dworschak ein­berufen worden war. Zum Punkte Organisation" sprach Fräulein Dworschak gegen den Antrag, den Frauen eine eigene Delegirte zu gewähren. Sie führte aus, daß man endlich aufhören solle, den Frauen besondere Rechte einzuräumen, dort, wo vertrauenswürdige und fähige Genossinnen vorhanden seien, würden die Männer gewiß auch Frauen zur Landeskonferenz delegiren, ohne daß dies ausdrücklich festgesetzt werde. Der Organisationsentwurf wurde im Sinne der Genossin Dworschak abgeändert, welche in den zwölfgliedrigen Landes­ausschuß gewählt wurde, der die Agitation für Niederösterreich zu führen hat. Zum Punkte Parteipresse" ersuchte Genossin Broschet die Genossen der Provinz, für die Verbreitung der Arbeiterinnen­Zeitung" einzutreten. Die Genossinnen Kofler und Dworschak forderten, daß das genannte Blatt selbständig von den Frauen übernommen und geleitet werde; die Parteivertretung ward beauftragt, im Verein mit dem Landesausschuß die Angelegenheit möglichst bald zu ordnen.

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Vom 21. August bis 11. September tagte in Paris der Kongreß der allemanistischen Possibilisten und beschloß, die Einbeziehung der Arbeiterinnen in die Gewerkschaften zu erstreben, ferner für die Frauen das attive und passive Wahlrecht zu den Gewerbeschieds­gerichten zu fordern.

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Auf dem Kongreß der broussistischen Possibilisten, welcher vom 2.- 5. September in Tours tagte, brachten der Pariser Stadt­rath Gaumeau und andere Delegirte recht rückständige Ansichten im Betreff der Frauenarbeit zum Ausdruck. Dieselben verlangten nämlich, die Frauen sollten von der Arbeit in allen größeren Betrieben aus­geschlossen werden, um sich nur der Näherei, der Hauswirthschaft und der Pflege der Kinder zu widmen. Der Kongreß machte jedoch die entwickelten Ansichten nicht zu den seinigen, sondern erhob die Forderung auf gleichen Lohn für gleiche Leistung" und das Verbot der Frauen­arbeit in Industrien, welche den weiblichen Organismus schädigen, insbesondere ihn unfähig machen zur Mutterschaft."

-In Carmang( Frankreich ) sind bekanntlich die Kohlengräber in Ausstand getreten, um sich die freie Ausübung des Wahlrechts zu sichern. Früher hatten nämlich die Arbeiter des Orts, den Interessen und Befehlen der Grubenbarone entsprechend, nur Ausbeuter in die öffentlichen Körperschaften gewählt. Seitdem aber die Sozialisten Aufklärung in die Gegend getragen, war dies anders geworden; bei den diesjährigen Wahlen zum Gemeinde- und Arrondissementsrath stellten die Arbeiter aus ihren eigenen Reihen Kandidaten auf, welche glänzend siegten. So ward der sozialistische Grubenarbeiter Galvignac, der sich große Verdienste um die gewerkschaftliche Organisation seiner Kameraden erworben, zum Bürgermeister von Carmaux gewählt. Darob großer Zorn der Grubenbarone, welche Calvignac unter einem erlogenen Vorwand aus der Arbeit entließen. Die Kohlengräber be­trachteten diese Maßregelung ganz richtig als ein Attentat gegen das ihnen gesetzlich gewährleistete Wahlrecht und antworteten durch einen Streit. Die Regierung schlug sich natürlich auf Seite der Ausbeuter und schützte die Freiheit der Arbeit" durch entsendete Truppenmassen. Die Kohlengräber lassen sich jedoch weder einschüchtern noch provo­ziren, sondern halten ruhig aus. Sie werden vom ganzen arbeiten­den Frankreich und einem Theil des republikanischen Bürgerthums unterstützt. Die Grubenbarone hatten den Versuch gemacht, durch ihre Beamten und die Geistlichkeit die Frauen der Arbeiter zu ge­winnen und zu veranlassen, ihren Einfluß zu Gunsten einer Wieder­aufnahme der Arbeit geltend zu machen. Die Frauen von Carmaux hielten jedoch am 6. Oktober eine große Versammlung ab, der ca. 2000 Proletarierinnen beiwohnten und die sich entschieden für den Streit aussprach. Die Frauen betraten unter dem Gesang der Car­magnole den Saal und durchzogen nach Schluß der Versammlung

abermals die Carmagnole singend und unter Hochrufen auf den Streif und die soziale Revolution die Straßen, wo sie von den Gruben­arbeitern mit begeistertem Beifall begrüßt wurden.

Die Münchener Polizei hat bekanntlich den Besuch von sozialdemokratischen Parteiversammlungen durch Frauen verboten unter der sonderbaren, neunmalweisen Begründung, daß die sozial­demokratische Partei Deutschlands als ein politischer Verein aufzu­fassen sei, und daß das bayerische Vereinsgesetz die Theilnahme von Frauen an politischen Versammlungen nicht gestatte. Mit der näm­lichen Begründung war auch die Betheiligung der Frauen an den Maifeierversammlungen in München verboten worden: die hohe Löb­liche hatte zu diesem Zwecke das Maifest- Komité eigens zu einem politischen Verein gestempelt. Die gegen diese findige Gesetzesaus­legung erhobene Beschwerde ist sowohl von der oberbayerischen Re­gierung, als auch von dem Minister des Innern zurückgewiesen worden. Die Sache wird nun vor den bayerischen Landtag zur ent­giltigen Entscheidung gebracht werden. Da aber im Landtag nur Leute sitzen, welche zwar das ewig Weibliche" verhimmeln, aber der Frau nicht das geringste politische Recht zugestehen wollen, so kann man die ablehnende Entscheidung schon jetzt voraussehen.

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In Dessau löste am 22. September ein besonders schlauer und fürsichtiger Polizeibeamter eine öffentliche, unpolitische Versamm­lung auf, als der Referent in seinem Vortrage über Die Frau in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft" die Forderung erhob: Es muß darnach gestrebt werden, daß die Frau die gleiche Erziehung, die gleiche körperliche Ausbildung wie der Mann, überhaupt die volle Gleichberechtigung mit dem Mann erhalte."

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In Polsnit( Schlesien ) spielte die Polizei den Komma­bazillus gegen den sozialistischen Beunruhigungsbazillus aus; sie ver­bot eine öffentliche Frauenversammlung, in welcher Frau Kunert referiren sollte, unter Hinweis auf die drohende Choleragefahr. Wozu die Cholera doch gut ist! Ueber die Auflösung einer Frauenversamm­lung zu Breslau haben wir bereits an anderer Stelle berichtet.

- Unsere tapfere Genossin Frau Ihrer( Velten ) stand am 27. September unter der Anklage eines furchtbaren Verbrechens vor der ersten Straffammer des Landesgerichts I zu Berlin : in einer öffent lichen Versammlung, die vor einem Jahre stattgefunden hat, soll sie die Offiziere und Fähnriche der preußischen Armee beleidigt haben. Der Forderung des Vertheidigers entsprechend, beschloß der Gerichts­hof die Vernehmung des Kriegsministers, um feststellen zu können, ob Verjährung des Falls eingetreten sei oder nicht. Die Verhandlung ward in Folge dessen vertagt.

Hungerlöhne für Frauenarbeit in Schlesien .

II.

M. Kt. Trauriger noch als in der Hauptstadt Schlesiens ist die Lage der Arbeiterinnen in den übrigen Städten der Provinz. Was die Zahl der industriell beschäftigten Frauen und Mädchen betrifft, so betrug sie im Jahre 1890 im Regierungsbezirk Breslau 24 494, im Jahre 1891 dagegen nur noch 22 835. In dem furzen Zeitraum eines Jahres hat also die Zahl der weiblichen Arbeiter um 1659 abgenommen. Dieser auffallende Rückgang in der Zahl industriell thätiger Arbeiterinnen erklärt sich durch die stärkere Heranziehung zur Industriearbeit von jugendlichen Arbeiter­innen, insbesondere von jungen Mädchen unter vierzehn Jahren. Man sieht also auch hier wieder, wie der Mann in der Industrie durch die billiger arbeitende Frau verdrängt wird, die Frau wieder durch die noch billigeren Arbeitskräfte der Kinder und Jugendlichen Arbeiter. In dem Regierungsbezirk Liegniz hat nach dem Jahres­bericht der Gewerberäthe für 1891, dem wir auch die oben an­geführten Zahlen entlehnt haben, die Zahl der Arbeiterinnen im Laufe eines Jahres um 557 zugenommen. Der genannte Bericht ist auch insofern von Interesse für uns, als er zeigt, wie sich die Herren Gewerberäthe mit den zartesten, schonendsten Ausdrücken mit den Verstößen abfinden, welche sich die Unternehmer wider die Schutzgesetze und Verordnungen, die Beschäftigung von Arbeiterinnen und sogenannten jugendlichen Arbeitern betreffend, zu Schulden fommen lassen. Grund dieser Verstöße soll eine irrige Auslegung der Bestimmungen des Gesetzes" sein! Wer lacht da? Man kann allerdings von gesinnungstüchtigen" preußischen Regierungs- und Gewerberäthen nichts anderes erwarten, als daß sie die Herren Plusmacher und Kouponsabschneider mit Sammethandschuhen an­fassen. Ebenso liebenswürdig nebensächlich, wie sie vorher die