gehe, haben sie garnichts dagegen einzuwenden, wenn unsere Prole­tarierinnen in Berufsarten Beschäftigung finden, in denen alles, was Weiblichkeit heißt, geradezu mit Füßen getreten wird. Wie zu jeder anderen Arbeit, so drängen sich Frauen und Mädchen in Schaaren auch zur Grubenarbeit. Von ihrer Thätigkeit daselbst hat uns Zola   in seinem, Germinal" ein meisterhaftes, erschüttern­des Bild entworfen. Nun ist zwar seit Kurzem die Beschäftigung von Frauen unter Tage gesetzlich verboten, allein auch die berg­männische Arbeit über Tage ist, wie feststeht, äußerst hart, auf­reibend und, um das oft benüßte Schlagwort zu gebrauchen, un­weiblich." Im Waldenburger Gebiet war der Andrang von Ar­beiterinnen zum Bergbau so stark, daß vor Kurzem an die Gruben ein Erlaß erging, nach welchem nur gesunde und kräftige Mädchen, welche das 16. Lebensjahr zurückgelegt haben, zur Beschäftigung angenommen werden sollen. Man glaubte, daß die in Verbindung mit dieser Bestimmung eingeführte Untersuchung der Mädchen seitens der Knappschaftsärzte viele abschrecken würde, sich zur Gruben­arbeit zu melden. Aber weit gefehlt! Der Hunger ist stärker als alle Rücksichten auf die Schamhaftigkeit. Nach wie vor trieb und treibt dieser Allbeherrscher seine unglücklichen Opfer schaaren­weise der Ausbeutung der Grubenbarone in die Arme. Mädchen mögen bei der Untersuchung noch so gesund" und ,, kräftig" befunden werden, nach wenigen Jahren des Abrackerns sind sie, die Abkömmlinge einer schon degenerirten Rasse, hinfällig und welf. Kein Wunder, daß sie dann elende und schwächliche Kinder zur Welt bringen, die zu dem gleichen Loose verdammit wie ihre Mütter und Väter, wieder einem noch kraftloseren Ge­schlecht das Leben geben. Und so geht es fort, bis nun bis eines Tages unserem auf traffester Selbstsucht beruhenden gesell­schaftlichen System die Todesstunde schlägt, bis nach Beseitigung der alten kapitalistischen   Gesellschaft, deren Ideal der Profit, eine neue brüderliche Gesellschaft ersteht, deren höchstes Gesetz die Wohl­fahrt Aller ist.

Anita Garibaldi  .

Bon Clara Stockinger- Altenhof.

Die

,, Rede mir nicht drein, daß ich Dich verlassen sollte und von Dir umkehren. Wo Du hingehst, da will ich auch hingehen; wo Du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und Dein Gott ist mein Gott. Wo Du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden."

Am 25. Oktober waren es 25 Jahre, daß Giuseppe Garibaldi  für die Einheit und Freiheit Italiens   bei Monte Rotondo im da­maligen Kirchenstaat   den letzten Sieg erfocht. So glänzend seine Waffenthat war, sie führte nicht die entscheidende Wendung herbei, welche der kühne Freischaarenführer von seiner Schilderhebung erhofft hatte: Der Kirchenstaat   verblieb noch unter der weltlichen Oberhoheit des Papstes, und Italien   fehlte noch immer Rom   als Hauptstadt. Aus höheren politischen Rücksichten" mußten französische   Soldaten für die weltliche Herrschaft des Papstes ihr Blut verspritzen, mußten sie die Träger der nämlichen Jdee bekämpfen, für welche Franzosen bei Magenta und Solferino zu Tausenden dahingemäht worden waren. Welche Fronie! Am 3. November 1867 schlugen französische Truppen bei Mentana   trotz heldenhafter Gegenwehr Garibaldi's Freischaaren  , und sein Beginnen momentan für aussichtslos haltend, zog sich der ideale und idealistische Held von Marsala auf seine Felseninsel Caprera   zurück. Nur wenige Jahre später, als die französischen  Bataillone zur Vertheidigung ihres Vaterlands gegen die siegreichen Deutschen   aus der päpstlichen Hauptstadt abberufen worden waren, ward der Kirchenstaat   von italienischen   Truppen besetzt, dem König reich Italien   einverleibt und Rom   als dessen Hauptstadt proklamirt, ohne daß Garibaldi   nöthig gehabt hätte, seine Getreuen nochmals zu den Waffen zu rufen.

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Der Traum der italienischen   Patrioten war nun erfüllt, das Ideal des wagemuthigen Freischaarenführers war jedoch nur zum Theil verwirklicht. Was er erstrebt hatte, wofür er seit Anfang der dreißiger Jahre gestritten mit That und Wort, mit Schwert und das war nicht nur Feder, auf blutiger Wahlstatt und im Parlament ein einiges Italien  , das war vor allem ein freies und glückliches Italien  . Die Einheit seines Vaterlandes war Garibaldi   nur die Vor­bedingung für dessen Befreiung von Knechtschaft jeglicher Art, für die Begründung einer demokratischen Republik, in welcher es keinen Platz gäbe für die Versklavung der Masse durch Fürsten   und Herren, durch bevorrechtete Klassen und Pfaffenthum.

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Von unsäglicher Begeisterung für wahre Volksfreiheit glühend hatte er den Kampf aufgenommen gegen die Mächte, welche bei den damals in Italien   herrschenden Verhältnissen als die Verkörperung aller Tyrannei erschienen: gegen Desterreich, gegen die Fürsten   und Fürſtlein von Mittel- und Unteritalien und gegen das Papstthum. Wo und wann immer Garibaldi seine Fahnen wehen ließ und das Volk zu den Waffen rief, jauchzend fiel ihm die Masse zu. Von blei­schwerem politischen und geistigen Druck darniedergehalten, unter einem wirthschaftlichen Nothstand ohne Gleichen seufzend, vom Staat," d. h. den Fürsten   und ihren Günſtlingen, sowie einem räuberischen Beamenthum bis aufs Mark ausgesogen, aller Willkür einer rohen Soldateska und brutalen Polizeigewalt preisgegeben, mußte sie in Garibaldi   einen Retter und Befreier erblicken.

In dem ersten größeren Feldzug, den dieser für die Einheit

Italiens   und die Befreiung des italienischen   Volks unternahm, da steht an seiner Seite als wackere Mitstreiterin im guten Kampfe seine heldenhafte Gattin Anita, wie er von glühender Begeisterung für die Sache der Freiheit beseelt. In ihr hatte Garibaldi   eine Gehilfin im edelsten und besten Sinne des Wortes gefunden. Anita verwirk­lichte das Ideal jener hingebenden, selbstverleugnenden Liebe, welches in dem poesiereichen Genrebildchen von Ruth in so einfach rührender Weise charakterisirt wird. Aus fremdem Land, von fremdem Volk, über den Ozean hinweg folgte sie dem geliebten Gatten; sein Gott, sein Jdeal, es war ihr Jdeal, sein Volk war hinfort ihr Volk, für dessen Befreiung sie Glück und Leben freudig aufs Spiel setzte. Sie war dem Freiheitskämpfer nicht blos die Geliebte, sondern auch die Vertraute, die Gesinnungs- und Kampfesgenossin, der treue Kamerad, der von allen Lasten und Mühsalen des Lebens und Streitens seine Hälfte forderte und mit Befriedigung trug. Inmitten der Gefahren und Abenteuer der Garibaldi  'schen Existenz erscheint das Verhältniß der Gatten zueinander, erscheint Anitas Wirken und Thun   als ein liebliches Idyll inmitten eines Heldengedichtes. Anitas Gestalt selbst erscheint uns von reichem romantischem Zauber umwoben, ähnlich einer Heldin, wie sie die Phantasie begabter Dichter schafft. Garibaldi  selbst nennt sie die Gefährtin seines Lebens in guten und bösen Tagen, die Frau, deren Muth er sich oft gewünscht."

Nachdem Garibaldi   wegen seiner Theilnahme an einem Komplott Mazzini's, das auf die Befreiung Italiens abzweckte, 1834 zum Tode verurtheilt worden war, kam er als politischer Flüchtling nach ver­schiedenen Wechselfällen nach Südamerika  . Während seines Aufent­halts in den Republiken Rio Grande do Sul   und Montevideo  , denen er im Kampfe gegen den Diktator Rosas und Brasilien   wichtige Dienste leistete, lernte er die leidenschaftliche und geistesstarke Anita, von Geburt eine Spanierin, kennen.

Er selbst schildert seine erste Begegnung mit ihr: Wir be­trachteten einander verzückt und schweigend, wie zwei Menschen, die sich nicht zum ersten Male sehen, und von denen jeder in des andern Zügen einen Anhaltspunkt für seine Erinnerung sucht. Endlich be­grüßte ich sie und sagte: Du mußt mein werden." Ich sprach nur wenig portugiesisch und brachte die kecken Worte italienisch hervor, aber ich wirkte mit meiner Unverschämtheit magnetisch. Ich hatte einen Spruch gefällt, einen Knoten geschlungen, den nur der Tod lösen konnte. Ich hatte einen verborgenen Schatz gehoben, aber einen Schatz von großem Werthe. War eine Schuld dabei, so fiel sie ganz auf mich." Mit dem letzten Satz spielt Garibaldi   darauf an, daß Anita verheirathet war, und daß er sie ihrem Gatten entführte, um sie zu der Seinigen zu machen.

Es war kein Wunder, daß das für die heilige Sache der Völker glühende" junge Weib in Liebe entbrannte für den durch seine südamerikanischen Guerillakriege berühmten und als Messias   der Frei­heit gepriesenen Helden, dem die Vaterlandsliebe ein Kultus und die Sache der Freiheit eine Religion war. Nachdem sich das liebende Paar hatte trauen lassen, begleitete Anita ihren Gatten bei all' seinen Jrrfahrten, Kämpfen und Abenteuern.

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Die reiche Handelsstadt Montevideo   ernannte Garibaldi   wegen seiner Verdienste und ausgezeichneten militärischen Fähigkeiten zum General und Kommandanten. Er lehnte jedoch diese Ehre ab und lebte bescheiden, ja fümmerlich als einfacher Soldat. Anita, welche ihm inzwischen ihr erstes Kind, eine Tochter, Rosa, geboren hatte die Kleine starb bald ertrug ohne Murren, ja mit Freudig= keit die Entbehrungen der Armuth, welche sie so gut es ging durch ihre Arbeit zu lindern suchte. Als kühne, dem Gatten ebenbürtige Heldin, erwies sich die junge Frau bei den Kämpfen für Montevideos Freiheit. Ihr persönlicher Muth rettete die Flotte, welche in Ab­wesenheit ihres Befehlshabers von einer feindlichen Uebermacht über­fallen worden war. Kurz entschlossen ergriff sie selbst den Oberbefehl über dieselbe und feuerte eigenhändig das erste Geschütz auf den Feind ab. Während der langen Belagerung Montevideos durch die Brasilianer