beitslosigkeit und dem Sinken der Löhne zu steuern. Die Spinnerei besitzer versprechen die Löhne zu erhöhen, sobald flotterer Geschäftsgang eingetreten sei, die Arbeiter wollen sich jedoch auch keine zeitweilige Lohnherabsetzung gefallen lassen und so verharren sie im Ausstand, in dem sie von der Assoziation der Spinner und einer großen Anzahl anderer Trades- Unions unterstützt werden.
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In Nantes ( Frankreich ) haben die in der Metallindustrie beschäftigten und besonders hart ausgebeuteten Frauen ein Syndikat ( Gewerkschaft) gegründet. Die Unternehmer suchten das Zustandekommen der Organisation mit allen Kräften zu verhindern, jedoch vergebens. Frau Kaiser , Vorsitzende, und Frau Geiser, Schriftführerin des Breslauer Arbeiterinnen- Vereins, sind angeklagt worden„ eines Vergehens gegen die Verordnung über die Verübung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechts vom 11. März 1850." Aus fauderwälschem, zopfigem Beamtendeutsch in eine gemeinverständliche Sprache übersetzt, soll das heißen, daß die Genannten beschuldigt werden, indem aus„ Frauenspersonen" bestehenden Verein die Erörterung politischer Fragen zugelassen zu haben. Wir werden über die Gerichtsverhandlung demnächst Weiteres berichten.
In Straßburg versagten die Behörden die Genehmigung zu einer öffentlichen Versammlung, in der Frau Zetkin über das Thema sprechen sollte:„ Die Frau in der Industrie." Der Staat ist wieder einmal gerettet.
-Die Polizeibehörde von Magdeburg beschlagnahmte die Bücher und Utensilien der dortigen Filiale des Schneider- und Schnei derinnen- Verbandes. Vermuthlich will man nachweisen, daß sich die genannte Organisation dem Vereinsgesetz zuwider mit Politik beschäftigt hat.
In Bernau wurde bekanntlich die letzte Lassallefeier verboten, weil auch Frauen an derselben Theil nehmen sollten. Der Vorstand des sozialdemokratischen Wahl- und Bildungsvereins für Bernau legte gegen das Verbot Beschwerde ein, ward jedoch abschlägig beschieden. Die Lassallefeier ward natürlich- Geschwindigfeit ist keine Hererei zu einer politischen Vereinsversammlung gestempelt, der Frauen nicht beiwohnen dürfen.
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Bur Frage der Frauenlöhne.
Herr Waddington, ein Großindustrieller, sagte einmal im Senat: „ Wenn man die Arbeitsbedingungen in Frankreich untersucht, dann ergiebt sich, daß in den Industrien, in welchen die männlichen Arbeitsfräfte überwiegen, die Arbeitszeit am fürzesten ist. Warum? Weil es dem Manne mit Hilfe der Gewerkschaften und der Organisationen geglückt ist, von dem Arbeitgeber die Verkürzung der Arbeitszeit zu erlangen. Umgekehrt findet man in den Industrien, in welchen weibliche Arbeitskräfte die Mehrzahl bilden, die längste Arbeitszeit. Diese Thatsache ersieht man aus allen Berichten der Fabrikinspektoren, sowie aus den angestellten Enquêten. Die französische Textilindustrie, Die französische Textilindustrie, in welcher die längste Arbeitszeit üblich ist, beschäftigt ungefähr 400 000 Arbeiter; davon sind 45 Prozent Männer, 42 Prozent Frauen und der Rest, 12-13 Prozent, Kinder. Die anderen Industrien verfolgen die Tendenz, die billigsten Arbeitskräfte, das heißt Frauen und Kinder, zu verwenden."
Für den ausbeutenden Arbeitgeber giebt es kein Geschlecht und kein Alter; für ihn existirt nur ausbeutungsfähiges Menschenfleisch. Sogar die Gleichheit vor der Maschine hat aufgehört, denn der Moloch Kapitalismus beutet mit Vorliebe hilflose Frauen und ganz fleine Kinder aus.
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Als wir vor zwei Jahren nach Elbeuf gekommen waren," heißt es in dem Bericht der Untersuchungskommission der Arbeitsbedingungen, da klagten uns die Weber ihr Leid mit den Worten:„ Die Konkurrenz der mechanischen Webstühle hindert uns, Arbeit zu finden; man will nichts mehr von uns wissen; man stellt unsere Frauen ein und wirft uns auf das Pflaster." Die Männer werden aus den Fabriken verdrängt; die meisten Industriellen ersetzen sie durch Frauen. So sind die Rollen zwischen Mann und Frau vertauscht worden. Die Frau arbeitet in der Werkstatt und der Mann hütet die Kinder. In einigen Geschäftshäusern von Elbeuf beträgt der Tagelohn für den Arbeiter faum 1.60-2.20 Mt. Die Fabriken, welche nur Männer beschäftigen, bezahlen einen ausreichenden Lohn; diejenigen jedoch, in welchen das Arbeitspersonal ein gemischtes ist, zahlen schlecht.
Es ist bemerkenswerth, daß das Tuch, welches Frauen fabriziren, schlechter bezahlt wird, als das, welches die Männer herstellen. Die Frau bekommt 13 Gentimes für das Pfund verbrauchten Fadens, der Mann 18 Centimes. Die Arbeit ist ganz und gar die gleiche; der Webstuhl ist der gleiche und die Wolle ist die gleiche."
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Für ein und dieselbe Arbeit also zahlen die menschenfreundlichen Arbeitgeber den Frauen einen geringeren Lohn wie den Männern, und legen ihnen noch dazu eine längere Arbeitszeit auf.
,, Wenige Arbeiter," erklärten die Arbeitgeber auf die Frage der Kommission, verdienen weniger als 24 Fres. die Woche; der Durch schnittsverdienst einer Frau beträgt 18 Fres. Frauen werden erst seit drei bis vier Jahren in unserer Fabrik beschäftigt; aus rein menschlicher Rücksicht wollten wir die Männer nicht fortschicken und durch Frauen ersetzen; aber wir verfolgen das Ziel langsam, so nach und nach. Noch ein paar Jahre, und wir werden mehr Frauen als Männer beschäftigen. Gegenwärtig haben wir Frauen und Männer, welche die gleiche Arbeit verrichten, aber trotzdem einen verschiedenen Lohn erhalten."
In dem Bericht der Kommission steht weiter:„ Die Männer haben viel weniger Mißstände zu erdulden, weil sie in den meisten Industriezentren gewerkschaftlich organisirt sind und sich so ihr Recht verschaffen können. So verlangt man auch von ihnen, mit ganz wenigen Ausnahmen, faum mehr als eine zwölfstündige Arbeitszeit." Die Frauen und Kinder dagegen, die keinen Gewerkschaften angehören, die hilflos der Ausbeutung überliefert sind, läßt man 12, 14, ja sogar 18 Stunden arbeiten. Dabei zählt man in den Fabriken 178 000 Kinder unter 16 Jahren; diese Zahl hat sich im Jahre 1891 noch um 26 000 vermehrt; für die minderjährigen Mädchen, deren Zahl sich auf 300 000 belief, beträgt die Zunahme 30 000. Die Zunahme dieser Arbeitskräfte rührt daher, daß der Arbeitgeber im Stande ist, den Kindern unter 16 Jahren und den minderjährigen Mädchen eine unbegrenzte Arbeitszeit für einen lächerlich kleinen Lohn aufzubürden. Man sieht, welch menschliche Rücksicht die„ Herren" auf Kosten des schwachen Geschlechts praktiziren: vor vier Jahren verwendeten sie noch gar keine Frauen, und in einigen Jahren rechnen sie darauf, mehr Frauen als Männer zu beschäftigen, da die Frau bequemer ausgebeutet werden kann. Man höre, was ein Zuckerfabrikant aus Douai sagt:„ Es ist für uns eine Nothwendigkeit, beim Verladen der Runkelrüben Frauen zu beschäftigen; sie sind geschickter und geschmeidiger als die Männer. Sie ertragen besser Regen und Schmutz. Wir verlangen, Frauen, welche über 16 Jahre alt sind, auch bei Nacht beschäftigen zu können. Die Frauen verdienen 2 Frcs. bis 2.75 Frcs., die Männer 4 Frcs. bis 4.50 Frcs., trotzdem sind lettere nicht im Stande, Die in den dieselben Dienste zu leisten, wie die Frauen." Zuckerfabriken beschäftigten Frauen arbeiten 12, 14, 16, 18 Stunden! In Bezug auf diese Verhältnisse äußerte der Deputirte Dron in der Kammer:„ Wir können es nicht bedauern, falls die Frauen nicht mehr in den Webereien beschäftigt werden dürfen, wenn sie daselbst den Männern die Arbeit wegnehmen und deren Löhne herabdrücken." Die Schmutzkonkurrenz der Frauen war auch die Ursache, daß viele Arbeiter das Verbot der Frauenarbeit forderten.
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Allein die Arbeiter können es nicht hindern, daß Frauen und Kinder Verwendung finden; das Einzige, was sie thun können und thun müssen, ist: für die Frauen einen Lohn verlangen, der gleich ist dem des Mannes. Und zur Erreichung dieses Zieles müssen sie den Frauen Muth zusprechen und ihnen behilflich sein, sich zu organisiren und Gewerkschaften zu bilden. Der Berichterstatter der Kommission, selbst ein Bourgeois, setzt hinzu:„ Die Arbeitgeber beuten die Frau aus. Ich war überrascht, als ich bei meiner Reise nach dem Norden sah, wie sehr man die Schwäche der Frau mißbraucht, und wie sehr man es sich zu nutze macht, daß sie den Ansprüchen des Arbeitgebers nicht denselben Widerstand entgegensetzen fann, wie der Mann.". Die Frau ist schwach," sagt ein anderer Deputirter, ihr stehen nicht, wie dem Manne, Vertheidigungsmittel zu Gebote. Ihre Stellung und ihre Natur sind ein Hinderniß und erlauben ihr nicht, nachdrücklich für die Vertheidigung ihrer Rechte einzutreten."
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Warum das? Warum sollten die Frauen, die stark genug zur Arbeit sind und manchmal mehr und Besseres leisten wie die Männer, warum sollten sie zu schwach sein, um ihre Interessen vertheidigen zu können? In den Industriezentren, wo viele Frauen in der nämlichen Fabrik zusammen arbeiten, in nächster Nähe von einander schaffen und leben, haben sie es ebenso leicht sich zu organisiren und sich zu verständigen, wie die Arbeiter. Leider gilt dies nicht für Städte wie Paris , wo die Arbeiterin isolirt ist und in kleinen Betrieben oder zu Hause arbeitet. Sind die Frauen erst einmal organisirt und in Gewerkschaften vereinigt, dann werden sie eben so stark sein und über dieselben Hilfsmittel zur Vertheidigung ihrer Interessen verfügen, wie die Männer, die nicht weniger ausgebeutet wurden, wie sie selbst, solange sie sich noch nicht organisirt hatten.
Die Arbeiterinnen sind es sich selbst, sie sind es ihren Familien und ihren Kameraden, den Arbeitern, schuldig denen sie wider Willen Konkurrenz machen, daß sie ihre Löhne vertheidigen