Nr. 25 der ,, Gleichheit" gelangt am 14. Dezember 1892 zur Ausgabe.
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zu, und 1882 gründete Frau Julia Ward Home einen Nationalverband methodistischer Predigerinnen und Missionarinnen. Die Sette der Baptisten ließ 1886, die der Presbyterianer 1889 die Frauen zum Predigtamt zu. In Chicago besteht ein Seminar, welches ausschließlich Frauen als Predigerinnen ausbildet.
Viele Frauen studiren an technischen Fach- und Hochschulen und sind als Leiterinnen von Fabriketablissements, als Chemiferinnen, Ingenieurinnen, Architektinnen, Elektrotechnikerinnen 2c. thätig. Gerade auf dem Gebiete der Technik haben Frauen vielfach Hervorragendes geleistet. Nordamerikanische Fachblätter veröffentlichten 1884 eine Liste von Erfindungen, welche Frauen zu verdanken sind. Frauen haben erfunden, bezw. verbessert: eine verbesserte Spinnmaschine; einen rotirenden Webstuhl, der dreimal mehr leistet als ein gewöhnlicher; einen Ketten- Elevator; eine Kurbel für Schraubendampfer; einen Rettungsapparat bei Feuersgefahr; einen Apparat zum Wägen der Wolle; ein tragbares Wasserreservoir zum Löschen von Schadenfeuern; ein Verfahren, Dampfmaschinen mit Petroleum anstatt mit Kohlen und Holz zu heizen; einen verbesserten Funkenfänger für Lokomotiven; ein Signal für Straßenübersetzungen von Eisenbahnen; ein System der Waggonheizung ohne Feuer; einen ölenden Filz, um im Eisenbahnbetrieb die Reibung zu verhindern; eine Schreibmaschine; eine Signalrakete für die Marine; ein Tiefsee- Teleskop; ein System zur Dämpfung des Lärms bei Hochbahnen ; einen Rauchverzehrer; eine Maschine zum Falzen von Papier, Säcken 2c.; viele Verbesserungen der Nähmaschinen; ein System, die Nachahmung von Banknoten zu erschweren; ein Verfahren, Draht im Durchmesser von einem fünfhundertstel Zoll herzustellen 2c. 2c. Die Zahl der Amerikanerinnen, welche sich dem Lehr- und Erziehungsfache widmen, ist ungeheuer groß. An den Elementar- und Mittelschulen sind mehr Frauen als Männer thätig; von den in Chicago amtirenden 15 000 Lehrkräften sind der weitaus größte Theil Frauen, und ähnlich liegen die Verhältnisse in anderen Orten.
Auf dem schriftstellerischen und journalistischen Gebiete arbeiten. seit 1837 Tausende von Frauen mit großem Erfolg. Die erste befanntere Redakteurin war Frau Margareth Craper vom„ Massachusetts News Letter." Nach dem Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten um die Abschaffung der Sklaverei vermehrte sich die Zahl der Redakteurinnen rasch, und heute giebt es keine größere Zeitung, welche nicht ein oder mehrere Frauen als Mitarbeiterinnen oder Reporterinnen beschäftigt. In einzelnen Staaten, wie in Ohio und Illinois schlossen sich Journalistinnen und Schriftstellerinnen vor 1876. in Preßklubs zusammen und späterhin wurde die ,, Womens National Press Association"( Nationaler Preßverband der Frauen) gegründet. In New York ist die Zahl der journalistisch thätigen Frauen eine so beträchtliche, daß dieselben kürzlich einen eigenen Preßklub gegründet haben. Hervorgehoben muß werden, daß die Frauen auf dem journalistischen Gebiete fast durchgängig ebenso wie die Männer honorirt
werden.
In dem Maße, als immer mehr amerikanische Frauen eine höhere Ausbildung erwerben und sich den liberalen Berufen zuwenden, werden die wissenschaftlich und technisch geschulten weiblichen Arbeitsfräfte dem Kapital tributpflichtig gemacht, fallen sie unter das Gesetz von Angebot und Nachfrage, werden sie eventuell als überschüssig der lohndrückenden Reservearmee zugesellt. So schwillt gerade in Amerika das gebildete weibliche Proletariat der Kopfarbeit riesig an und geräth in immer härtere Abhängigkeit vom Kapital, in eine sich stetig verschlimmernde Lage. Und die Zahl der sich den liberalen Berufen zuwendenden Frauen muß beständig zunehmen. Gerade in Amerika konzentrirt sich das Kapital sehr rasch in einer immer kleineren Anzahl von Händen, dementsprechend wächst die Zahl der sogenannten„ guten Bürgerfamilien," welche wirthschaftlich nicht mehr selbständig sind, die jedoch ein gutes Auskommen, allerdings aber auch nur das, haben. Dieselben vermögen ihren Töchtern eine landläufig gute Erziehung zu geben und allenfalls noch eine Aussteuer," wenn sich der Mann finden sollte, auf den spekulirt wird. Aber im Verhältniß zur wirthschaftlichen Vernichtung des Mittelstandes und zum Anwachsen des männlichen Proletariats der Kopfarbeit nimmt die Anzahl der„ standesgemäßen" Bewerber für die Mädchen der erwähnten Kreise ab, die Zahl der Eheschließungen geht gerade hier stetig und gewaltig zurück. Die betreffenden Mädchen sind also ge= zwungen, einen Beruf zu ergreifen, um auf eigenen Füßen stehen zu können; ihrer Bildung und ihren Lebensgewohnheiten 2c. entsprechend, wenden sie sich den liberalen Berufen zu. Die in Frage kommenden Thätigkeitszweige werden in der Folge bald überfüllt und stark proletarifirt; der zurückbleibende Ueberschuß gebildeter weiblicher Kräfte muß in persönliche Dienststellungen gehen, als Gouvernanten, Bonnen, Gesellschafterinnen, höhere Rammerjungfern 2c. Vor Jahrzehnten waren diese Stellungen erträglich und wurden gut bezahlt, denn die
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Bewerberinnen dafür waren selten und gesucht. Heutzutage ist dagegen ihre Zahl Legion, dementsprechend ist ihre Bezahlung miserabel, und ihre Behandlung schmählich.
Thatsachen, wie die angedeuteten, sprechen natürlich nicht gegen die höhere, vielseitige Ausbildung der Frauen und gegen ihre Bethätigung auf neuen Gebieten des Schaffens, vielmehr fordern sie nur auf zur Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Die Bourgeoisie vermag nicht einmal, die Masse der Frauen ihrer eigenen Klasse gesellschaftlich zu emanzipiren und thatsächlich frei zu machen. Die Verwirklichung der frauenrechtlerischen Ideale läuft darauf hinaus, eine wilde Konkurrenz zwischen Mann und Frau zu entfachen, dadurch die Erwerbsverhältnisse beider elend zu gestalten und in Folge dessen immer breitere Schichten der bürgerlichen Frauen- und Männerwelt zu proletarisiren. Die Verhältnisse im frauenrechtlerischen Eldorado unserer Zeit zeigen dies deutlich, gerade so deutlich, wie sie erkennen lassen, daß die Frauen auf den verschiedensten Gebieten des menschlichen Wirkens Erfolgreiches zu leisten vermögen, sobald eben der Gesammtheit des weiblichen Geschlechts und nicht einer kleinen Minderzahl Bevorrechteter die Möglichkeit auf Entwicklung gegeben sein wird.
Kleine Nachrichten.
Hungerlöhne. In Saalfeld in Thüringen erhielt eine Arbeiterin für die Herstellung von 360 Stück Puppenbälgen 4 Mark Lohn. Von ihrem Verdienst gingen ab: 15 Pf. für Nähzwirn, 10 Pf. für Sägespähne, 10 Pf. für Leim zum Aufkleben der Puppenköpfe, 80 Pf. für Fahrgeld nach und von dem Ablieferungsort, zusammen also 1 Mt. 15 Pf. Für eine sechstägige Arbeit verblieb der Aermſten mithin ein Lohn von 2 Mt. 85 Pf., d. h. nicht einmal 50 Pf. pro Tag. Bleibe im Lande, rackere dich ab und hungere frisch darauf los," so lautet offenbar das Gebot der kapitalistischen Wirthschaftsordnung, kraft dessen ein Verdienst wie der angeführte nicht nur möglich, sondern unvermeidlich ist.
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Wie auf der Konferenz der Textilarbeiter Württembergs mitgetheilt wurde, die kürzlich in Eßlingen tagte, beträgt der Tagesverdienst in den Trikotfabriken, welche ausschließlich Arbeiterinnen beschäftigen, 50-80 Pfennig. Was die Aermsten zu wenig an Lohn erhalten, das erhalten sie in der Regel zuviel an Grobheiten und Rohheiten seitens ihrer Arbeitgeber und Vorgesetzten. Die Besitzer der Trikotfabriken schlampampen Champagner und Austern, die Arbeiterinnen aber mögen dem Rath des Liedes entsprechend froh beim Wasserkrug singen." So will es die kapitalistische Weltordnung.
Ein Stickmaschinenfabrikant in Rorschach ( Schweiz ) hat eine neue Handstickmaschine gebaut, welche doppelt soviel wie die bisher verwendeten Maschinen leisten soll. Wenn dem so ist, so werden die Hälfte der jetzt beschäftigten Sticker und Stickerinnen überflüssig und fliegen aufs Pflaster, um als Angehörige der Reservearmee den Verdienst der in Arbeit gebliebenen Kameraden herunterzudrücken. Größere Armuth und härterer Frohndienst für die Proletarier, fettere Profite für die Kapitalisten, das sind heutzutage die unausbleiblichen Begleiterscheinungen jeder neuen Erfindung und Verbesserung von Arbeitswerkzeugen.
Miß Story und Miß Kew Jouhnston sind zu Mitgliedern der Prüfungskommission der königlichen Universität Irlands ernannt worden. Zur gleichen Zeit beschlossen die Kommissäre der schottischen Universität, die Prüfungskommissionen der verschiedenen Fakultäten zu ermächtigen, Frauen zu den Examina behufs Erlangung des Doktorgrades zuzulassen. Wir sind überzeugt, daß sich bei dieser Nachricht jedes Haar und jedes Härchen des biederen deutschen Professorenzopfs sittlich entrüstet gesträubt hat. Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen aber singen Hosianna, daß wieder einmal die Frauenfrage ihrer Lösung einen Schritt näher gerückt ist." Kurzsichtigkeit hüben und Kurzsichtigkeit drüben, blinder Egoismus hier, und blinder Egoismus da.
In London erhalten die Arbeiterinnen, welche Papiersäcke anfertigen, pro Tausend 32 Pf., ihr Wochenverdienst beläuft sich auf 5-10 Mt. Knopflochmacherinnen werden pro Dutzend mit 24 Pf. entlohnt, sie verdienen durchschnittlich 8 Mt. pro Woche. Wäschenäherinnen erhalten pro Hemd 16 Pf., ihr Tagesverdienst beläuft sich auf 96 Pf., vorausgesetzt, daß sie von früh 6 Uhr bis Nachts 11 Uhr arbeiten. Schade, daß neben den Arbeitslöhnen der schaffenden Proletarierinnen vergleichsweise nicht die Entbehrungslöhne" der faullenzenden Kapitalisten angegeben sind. Wie schlagend würde dadurch der Singfang von der Gerechtigkeit unserer sittlichen" oder„ gött lichen" Weltordnung illustrirt.
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