In der Versammlung des vierten Wahlkreises wurde außerdem noch die folgende Resolution einstimmig angenommen:

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,, Die in der heute stattfindenden öffentlichen sozialdemokratischen Versammlung anwesenden Genossinnen, Frauen und Mädchen, erklären, daß die neue Militärvorlage einen verderblichen Einfluß auf das Volks­wohl ausübt. Sie erklären, daß bei der geringen Arbeitsgelegenheit und dem geringen Verdienst, sowie den direkten und indirekten Steuern es unmöglich ist, dem Volke noch neue Lasten aufzuerlegen, und erwarten, daß die Reichstagsmitglieder, speziell die sozialdemokratische Fraktion, gegen die neue Militärvorlage stimmt. Würde demzufolge der Reichstag   aufgelöst, so erklären wir, voll und ganz mit den Männern wirken zu wollen." Flensburg  , öffentliche Versammlung der unorganisirten Arbeiter und Arbeiterinnen: Zweck und Nutzen der Organisation"( Genosse Holzhäuser  ). Schöneberg  , Volksversammlung für Männer und Frauen: Die Stellung der Sozialdemokratie zur Militärvorlage und zum Militarismus"( Genosse Antrik). Berlin  , öffentliche Versamm­lung der Arbeiter und Arbeiterinnen der Wäsche und Kravatten­branche: Zweck und Nutzen der Organisation"( Genosse Metzner). Mannheim  , öffentliche Versammlung der Handlungsgehilfen und -Gehilfinnen: Stellungnahme zur Absicht der Prinzipale, das Gesetz über die Sonntagsruhe zu durchlöchern"( Genosse Dempwolf). Die Harmonieapostel marschiren auf und singen das Lied, wenn es den Prinzipalen gut geht, so geht es auch den Gehilfen gut," werden aber zurückgewiesen, und die Versammlung nimmt einstimmig eine Reso­lution an, laut welcher das Bezirksamt ersucht werden soll, die bisher festgesetzten Stunden der Sonntagsruhe im Interesse des Gehilfen­standes aufrecht zu halten. Berlin  , öffentliche Versammlung aller in der Hutbranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Zweck und Ziele des neuen Vereins der Arbeiter und Arbeiterinnen der Hutbranche"( Genosse Völkel). Der Verein wird konstituirt, dem Vor­stand gehören die Genossinnen Büttner, Grochow, Schwarz und Schulz als Vertreterinnen der Arbeiterinnen an. Berlin  , öffentliche Ver­sammlung der in der Kürschnerbranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Das Wesen der Hausindustrie"( Genossin Baader). Berlin  , öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Die zehn Gebote und die besitzende Klasse"( Genosse Rein). Berlin­Moabit, öffentliche Versammlung der Hilfsarbeiter und Arbeiter­innen: Die wirthschaftliche Lage der Arbeiter und die Mittel, die­selbe zu verbessern( Reichstagsabgeordneter Bruhns). In der Debatte erörtert Genossin Gubela die traurige Lage der Dienstboten. Berlin  , öffentliche Frauenversammlung, einberufen vom Frauen- Bildungs verein: Die Blutarmuth oder die Schwindsucht bei den Frauen" ( Dr. Bernstein). Berlin  , öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: Bericht über die Thätigkeit der Agitations- Kommis­sion"( Genosse Timm). Diese veranstaltete im verflossenen Jahre dreißig öffentliche und zwei Volksversammlungen, sie hielt fünfzig regelmäßige und fünf Extrasizungen ab. Der neugewählten Agitations Kommission gehören als Vertreterinnen der Arbeiterinnen an die Ge­nossinnen Wächter, Plume, Schwarz und Reimann.

In der nämlichen Zeit fanden folgende Vereinsversammlungen statt. Altona  - Ottensen  , Mitgliederversammlung des Verbands der Fabrik, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen: Die Agitation am Orte";" Bericht vom Kartell." Berlin  , Mitgliederversammlung des Verbands der in der Kürschnerbranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Erringung des neunstündigen Arbeitstags seitens der Pariser Kollegen." Hamburg  , Mitgliederversammlung des Zentral­vereins der Frauen und Mädchen Deutschlands  : Die deutschen Bauern­kriege"( Genosse Lauffötter), Bericht vom Gewerkschaftskartel"( Ge­nossin Laier). Berlin  , Mitgliederversammlung des Allgemeinen Ar­beiterinnenvereins: Die Erdbeben und der Vesuv  "( Genossin Lunau). Stuttgart  , Mitgliederversammlung des Fachvereins der in den Buchbindereien beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Der bevor­stehende Verbandstag, Einführung der Urabstimmung und eine eventuelle Reorganisation des Verbandes." Barmbeck  , Mitgliederversammlung des Verbands der Fabrik-, Land- und gewerblichen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands  : Die Gewerbe- Ordnung in Bezug auf die Fabrik- Ordnungen in Theorie und Praris"( Genosse Müller). Die Genossinnen Lorenz und Wörndl werden in die Agitations­Kommission gewählt. Berlin  , Mitgliederversammlung des Vereins der Arbeiter und Arbeiterinnen der Buch, Papier-   und Lederwaaren­industrie: Die graphische Union"( Genosse Schmidt). Die Versamm lung erklärte sich einstimmig für die Gründung einer Union. Ham­ burg  , Mitgliederversammlung des Verbands deutscher   Schneider und Schneiderinnen: Welche Vortheile bietet die Gewerkschaftsorgani­sation?" Berlin  , konstituirende Versammlung des Vereins der in der Blumen- und Putzfedernbranche beschäftigten Arbeiter und Ar­beiterinnen. Vertrauensperson: Genossin Hahn. Mainz  , Mitglieder versammlung des Frauen und Mädchenvereins: Moses   und Darwin  ."

Berlin  , Mitgliederversammlung des Verbands der Schneider und Schneiderinnen:" Dreieinhalb Monat Fabrikarbeiterin"( Genossin Ihrer). In Anschluß an das Referat nahm die Versammlung folgende Resolution an:

Die Versammlung erklärt, daß die Befreiung der Arbeiterinnen aus der Knechtschaft des Kapitalismus nicht durch Humanitätsmaßregeln der Bourgeoisie herbeizuführen ist, sondern nur durch Organisation der Arbeiterinnen, gleichviel welcher Branche, und Anschluß derselben an die Bestrebungen der modernen Arbeiterbewegung."

Altona  , Mitgliederversammlung des Verbands deutscher   Schneider und Schneiderinnen: Vereinsangelegenheiten."

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- In Wien   fand am 9. Dezember die erste Versammlung arbeits­loser Frauen und Mädchen statt, welche sehr gut besucht war. Genossin Dworschat referirte über Die Arbeitslosigkeit der Frauen, ihre Ursachen und Folgen." Die Statistik der Schubirungen, der obdachlosen Familien, hungernden Schulkinder 2c. beweise die Noth des Volks überhaupt, die der Frauen insbesondere. Was geschehe ihr gegenüber. Es würden Thee und Suppenanstalten, Wärmestuben und dergl. er­richtet. In der Zeit vom 15. November bis 20. Dezember 1891 waren 38 638 Frauen und 26 674 Kinder obdachlos. Von lebhaften Entrüstungsrufen unterbrochen, führt die Rednerin eine Reihe ähn­licher Daten an und gelangt zu dem Schluß, daß Frauen und Männer gleicherweise für die Abänderung der heutigen gesellschaftlichen Zu­stände kämpfen müssen. Hand in Hand mit der steigenden Verelendung des Volks schreitet das Wachsthum der Verbrechen bei den Männern, der Prostitution bei den Frauen. Den Leiden des Volks gegenüber werden in den gesetzgebenden Körpern nur höhere Militärausgaben bewilligt. Wenn auch in den Versammlungen der Hunger der Ar­beitslosen nicht gestillt wird, so wird doch die Erkenntniß der sozialen Verhältnisse in diesen Versammlungen mächtig gefördert und das Solidaritätsgefühl aller Arbeitenden geweckt. Deshalb und um unser Elend offenkundig zu machen, versammeln wir uns.( Stürmische Zu­stimmung.) Die bürgerliche Presse ist über diese Versammlung. in der noch Genossin Wagner und Genosse Dr. Adler sprachen ganz außer dem Häuschen und beschimpft und verleumdet Genossin Dworschat in gemeinster Weise.

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Die Syndikatskammer der Privatlehrer und Lehrerinnen des Seinedepartements hat sich der Pariser Arbeitsbörse angeschlossen. Das Syndikat wurde im Juni 1892 gegründet, und nur 400 Mit­glieder der 10000 in Frage kommenden Privatlehrer und-Lehrerinnen gehören ihm an. Das Einkommen dieser Proletarier und Prole­tarierinnen in Glacéhandschuhen und Hüten beträgt monatlich 60 Fres. mit Station oder 120 Frcs. ohne Kost und Wohnung, es ist also bei weitem niedriger, als der durchschnittliche Verdienst eines gutgestellten Pariser Arbeiters. Und angesichts dieser Thatsache giebt es noch Lehrer und Lehrerinnen, welche dünkelhaft ihre Zugehörigkeit zum Proletariat verkennen.

Vor dem Essex County   Trades Council in Newark   hielt kürzlich Frau Smith, Mitglied der Women's Industrial Union" ( Verband der Industriearbeiterinnen) von Washington einen Vortrag über das Schwitzsystem." Sie führte an, daß Schwizmeister, welche sich wegen der Gesetzgebung in New York   nicht mehr sicher fühlten, ihre Werkstätten nach New Jersey   und Pennsylvania   verlegten. Das fluchwürdige Schwißsystem müsse von allen Arbeiterorganisationen mit äußerster Energie bekämpft werden.

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Die Frauen- Agitationskommission zu Berlin   hatte gelegent­lich der Protestversammlungen gegen die Militärvorlage folgenden trefflichen Aufruf erlassen:

Aufruf an alle Frauen und Mädchen Berlins  . Am Mitt­woch, den 7. Dezember, finden in allen sechs Berliner   Wahlkreisen Protest= versammlungen gegen die neue Militärvorlage statt, durch welche dem Volte wieder ungeheure Lasten aufgebürdet werden sollen. Gerade an dieser wichtigen Frage zeigt sich, wie sehr auch die Frauen am öffent­lichen Leben interessirt sind, oder vielmehr sein sollten. Denn bis jetzt sind leider nur wenige Frauen zu der Erkenntniß gekommen, daß auch sie im Bunde mit den Männern zu wirken haben, damit das arbeitende Volk befreit werde von allem Druck und Elend, dem es heute mehr denn je ausgesetzt ist! Genossinnen, ob Ihr selber frohnen müßt in der Fabrik, oder ob Ihr Tag für Tag sorgt und leidet unter den trostlosen, ungewissen Verhältnissen Eurer Männer, kommt in die Mittwochs- Versammlungen und protestirt dort gegen die neue Belastung, die der Bevölkerung in der neuen Militärvorlage zugemuthet wird. Erkennt, daß auch Ihr ver­pflichtet seid, am Befreiungskampfe des Proletariats theilzunehmen! Die Frauen- Agitationskommission.

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Nach fünfmaliger Vertagung wurde Mitte Dezember die Anklagesache gegen unsere Genossin Emma Ihrer   Beleidigung des Offizierkorps und der Fähndriche der deutschen Armee zu Ende geführt. Genossin Ihrer ward wegen des Vorwurfs der Feigheit, den sie Offizieren und Fähndrichen des deutschen Heeres gemacht