Die sozialpolitischen Zustände und Gefeße sind auf den Vor­theil der Besizenden zugeschnitten, weil sie zum weitaus größten Theil das Werk der Besizenden sind, weil diese die fast alleinigen Juhaber der politischen Macht waren und sich ihrer bedienten zur Mehrung und Sicherung ihrer Reichthümer und ihrer Vorrechte.

Durch das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht ist es der werkthätigen Masse möglich, auch ihrerseits durch die Gesetzgebung Einfluß auszuüben auf die Gestaltung der sozial­politischen Zustände, auch ihrerseits in den Besiz der politischen Macht zu gelangen, um ihre Interessen die Interessen der Be­sizlosen gegenüber den Besitzenden zu wahren. Das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht legt in die Hand der Besiz­losen und Frohnenden wuchtige Waffen, um eine Einschränkung der zügellosen Ausbeutungsfreiheit zu erkämpfen und die Beseitigung des gesammten Systems der Ausbeutung.

Das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht muß dem weib­lichen Geschlecht zuerkannt werden. Den Millionen und Aber= millionen selbständig erwerbender Frauen muß es möglich sein, durch ihre Beeinflussung der sozialpolitischen Zustände sich Brot, Wissen, höheren Lebensgenuß und Freiheit zu erringen, durch den Besitz der politischen Macht dazu beizutragen, die kapitalistische Gesellschaft aus den Angeln zu heben und damit das auf der proletarischen Frau lastende Joch der Lohnsklaverei abzuschleudern. Millionen und Abermillionen selbständig erwerbender Frauen stehen als Prole= tarierinnen dem Kapitalisten im unversöhnlichen Gegensatz der Inter­essen gegenüber. Die Logik der Thatsachen drängt ihnen die Er­fenntniß auf, daß sie keine durchgreifende Besserung ihrer Lage und noch weit weniger das Ende ihrer Ausbeutung und Unfreiheit zu erhoffen haben von dem herablassenden Mitgefühl der Besitzenden, ihrer Staatsweisen und Staatsgewaltigen. Einzig und allein der mannhafte, zielbewußte Stampf gegen die Besitzenden und ihre Ge­sellschaftsordnung schafft ihnen größeres Wohl und bringt ihnen die Freiheit. In diesem Kampfe, den sie in Gemeinschaft mit allen Ausgebeuteten- ohne Unterschied des Berufs, des Ge­schlechts, der Nation zu kämpfen haben, bedürfen sie des Wahl­rechts als einer Waffe, als der wirksamsten Waffe. Der Stimm­zettel ist eine Kugel, welche das System der Ausbeutung, welche die kapitalistische Gesellschaftsordnung weit tödtlicher trifft, als ein rohes oder albernes anarchistisches Attentat gegen einen Nuzz­nießer, eine Stütze dieser Gesellschaftsordnung. Die Millionen und Abermillionen proletarischer Frauen, denen der Kampf gegen den kapitalistischen Ausbeuter, denen der Kampf von Klasse zu Klasse, der Kampf gegen die bürgerliche Gesellschaft aufgezwungen wird, müssen deshalb laut und lauter die Forderung erheben: ,, Gebt uns das Wahlrecht! Gebt uns Waffen!"

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Arbeiterinnen- Bewegung.

In der Zeit vom 10. Januar bis 10. Februar fanden öffent­liche Versammlungen statt in: Barmen, öffentliche Frauenversamm­lung: Die Geschichte der Erde "( Genosse Grönhoff); Berlin , öffentliche Versammlung der Textilarbeiter und Arbeiterinnen: Das moderne Raubritterthum"( Genosse Hoffmann); öffentliche Versamm­lung der in der Kürschnerbranche beschäftigen Arbeiter und Arbeite­rinnen: Ueber die Thätigkeit des Gewerbegerichts"; öffentliche Ver­sammlung für Männer und Frauen: Die Geschichte als Erzieherin" ( Reichstagsabgeordneter Liebknecht); öffentliche Versammlung der Handschuharbeiter und Arbeiterinnen:" Der Nutzen der sozialen Ge­setzgebung"( Genosse Jost); öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Die Frau im Spiegel der Geschichte und Wissenschaft" ( Genosse Dr. Joel); öffentliche Volksversammlung: Gesegliche Ge­wissensfreiheit und thatsächliche Vergewaltigung"( Genossin Altmann); öffentliche Versammlung für Männer und Frauen: Die Religion " ( Genossin Wabnik); öffentliche Volksversammlung: Ehe und Ehe­scheidung"( Frau Henrich- Wilhelmi); zwei öffentliche Versammlungen des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: 1) Die Nothwendig­keit der Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren"( Genossin Rohrlack); 2) Die Frau in Dichtung und Wirklichkeit"( Genosse Hoffmann); Bühlau, öffentliche Volksversammlung: Die Frau in der Industrie" ( Genossin Eichhorn); Chemnitz , zwei große Versammlungen der Textilarbeiter und Arbeiterinnen: Die wirthschaftliche Lage des Proletariats und der Nutzen des Verbandes aller in der Textil

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industrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen"( Genossin Wabnitz); Dresden , öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: Die gegenwärtige Lage"( Landtagsabgeordneter Otto); öffentliche Volksversammlung: Die revidirte Städte- und Landgemeindeordnung und deren nothwendige Verbesserung"( Reichs- und Landtagsabgeord­neter Stolle); öffentliche Versammlung der Blumen- und Blätterarbeiter und Arbeiterinnen: Die Lage der Blumen- und Blätterarbeiter und -Arbeiterinnen"( Genosse Kung); Giengen , öffentliche Versammlung: Die Frau und der Sozialismus"( Genossin Zetkin); Groß- Lichter­ felde , öffentliche Versammlung für Männer und Frauen: Was erstrebt die Sozialdemokratie?"( Reichstagsabgeordneter Bebel); Hei­ denheim , öffentliche Volksversammlung: Die Frau und der Sozialis­mus"( Genossin Zetkin ); Königsberg , öffentliche Frauenversammlung: Auflösung der Kommission, Wahl einer Vertrauensperson; als solche wurde gewählt Genossin Schilling; Köpenit, öffentliche Versammlung der in der Färberei beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Organisation ist der Markstein jeden Fortschritts"( Genosse Timm); Leipzig , öffentliche Voltsversammlung: Die Nothstandsdebatte im Reichstage"( Genosse Zubeil); Mülhausen im Elsaß , öffentliche Voltsversammlung: Die Lage der Arbeiterinnen und die Nothwendig­feit der Organisation"( Genosse Kantorowicz); Seefeld , öffentliche Volksversammlung: Die Stellung zur Maifeier"( Genosse Opitz); Schwiebus , öffentliche Volksversammlung: Ist die Sozialdemokratie kulturfeindlich?"( Genosse H. Stolpe); Straßburg , öffentliche Ver sammlung der Schneider und Schneiderinnen: Zweck und Ziel der Gewerkschaften"( Genosse Töpper); Wermelskirchen , öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Der Kampf der Frau auf geistigem, wirthschaftlichem und politischem Gebiete"( Genossin Schnei­der); Wiesbaden , öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: 1) Unsere Lage und wie verbessern wir dieselbe?" ( Genosse Knoop); 2)" Die Mißstände bei der Firma Vollmer".

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Vereinsversammlungen fanden in der nämlichen Zeit statt in: Berlin , Mitgliederversammlung des Verbands der in der Kürschner­branche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen:" Genehmigung der Statuten, Bericht vom Arbeitsnachweis"; Mitgliederversammlung des Vereins der Plätterinnen und verwandten Berufsarten: Die Frau im Spiegel der Geschichte"( Genosse Dr. Joel); Mitgliederversammlung des Verbands der Schneider und Schneiderinnen: Die Zustände in der Damenkonfektion"( Reichstagsabgeordneter Reißhaus); Mitglieder­versammlung der Holzarbeiter und-Arbeiterinnen: Die Nervenschwäche des Menschen und ihre gesellschaftlichen Ursachen"( Genosse Dr. Hey­mann); Generalversammlung des Verbands der in der Papier - und Lederbranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Thätigkeits­bericht, Kassenbericht; Mitgliederversammlung der freien Vereinigung der Kaufleute: Astronomie und Christenthum"( Genosse Köster); Dessau , Frauenversammlung: Die wahrhaftige Lebensgeschichte Josua Davidsohns"( Genosse Peus); München , Generalversamm lung des Allgemeinen Arbeiterinnenbildungsvereins: Neuwahl des Ausschusses.

Crefeld . Anfang September 1893 wurde hier am Orte ein Bildungsverein für Frauen und Mädchen gegründet. Die Fortschritte der Organisation erscheinen der Ungeduld der fämpfenden Genossinnen fast als zu langsam. Allein dieses langsame Fortschreiten ist erklär­lich genug. In Crefeld herrscht seit Langem in der Seidenindustrie eine hochgradige Geschäftsflaue. Die Erwerbsverhältnisse der prole­tarischen Frauen und Mädchen sind in der Folge so traurige, daß sie die paar Pfennige nicht erübrigen können, welche das Organisations­wesen erfordert. Außerdem üben in Crefeld die Pfaffen einen großen Einfluß aus auf die Bevölkerung, zumal aber auf deren weiblichen Theil. Dazu kommt noch, daß die Vertreter und Stützen der bürger­lichen Ordnung, auch die freisinnigsten und freidenkerischsten, Alles aufbieten, um die Crefelder Proletarierinnen von dem Verein und der Sozialdemokratie fernzuhalten. Die zielbewußten Genossinnen werben trotz alledem der Sache der Arbeiterklasse neue Anhängerinnen, und wenn auch langsam, so wächst der Verein doch sicher. Voll frischen Muths und Begeisterung stehen seine Mitglieder in Reih und Glied des Kampfesheeres für Wahrheit, Freiheit und Recht, sie werden auch in Zukunft allezeit ihre Pflicht thun. M. N.

Haynau in Schlesien . Auch in unserem Orte haben die proletarischen Frauen angefangen, sich ihrer Lage bewußt zu werden und sich um das Banner der Sozialdemokratie zu schaaren. Im September vorigen Jahres referirte Genossin Wabnitz- Berlin in treff­licher Weise über Die Lage der Frau in der Industrie und in der Gesellschaft". Am Schlusse ihrer Ausführungen forderte sie zur Grün­dung eines Bildungsvereins für Frauen und Mädchen auf. Laut Versammlungsbeschluß wurde in der Folge eine siebengliedrige Rom­mission mit Ausarbeitung der Statuten betraut, welche in öffentlicher Frauenversammlung angenommen wurden. Der Verein zählte bei