setzungen vorhanden sind, welche das Kammergericht als Merkmale eines Vereins gelten ließ. Nun soll die Verurtheilung erfolgen, d. h. die Strafen sollen festgesetzt werden. Gegen wen aber?? Der§ 16 des Vereinsgesetzes bestimmt, daß, falls Uebertretungen des§ 8 desselben Gesetzes vorliegen, die Ordner und Leiter des Vereins zu bestrafen sind. Die Frauen überlassen es nun dem Landgericht zu Köln , sich die Ordner und Leiter zu suchen, die es bestrafen soll und will. Woher aber diese Ordner und Leiter nehmen und nicht stehlen? Die Kommission hatte ja gar keine Leitung. Nun wird allerdings das Gericht wahrscheinlich erklären, daß in Ermanglung von nachweisbaren Ordnern und Leitern die ganze Kommission zu bestrafen ist. Eine derartige Schlußfolgerung stellt zwar einen Luftsprung dar, allein sie entspricht der modernen Gesetzesauslegung, sie entspricht dem Eulenburg'schen Erlaß, welcher die Sozialdemokratie mit allen Machtmitteln bekämpft wissen will. Es sollte uns also durchaus nicht wundern, wenn das Gericht in diesem Sinne entscheiden würde. Geschieht dies thatsächlich, so werden selbstredend die Angeklagten Revision an das Kammergericht einlegen. Scheut aber gegen unsere Erwartung das Landgericht vor dem Sprung ins Leere zurück, thut es ihn nicht, so muß die Freisprechung erfolgen. Staatsanwalt und Kammergericht mögen dann zusehen, wie sie mit der selbst bereiteten Verlegenheit fertig werden. Daß sie damit fertig werden, ist freilich nur eine Frage der Zeit. Es ist ganz klar, daß es sich in dem vorliegenden Falle um eine Beschränkung des in Deutschland den Arbeitern so färglich zugemessenen Koalitionsrechts handelt, und die geschulten Juristen werden schon Worte finden, um das nach dem„ gewöhnlichen Unterthanenverstand" Unbegreifliche den Arbeiterinnen durch seine Deutungskunst begreiflich" zu machen. Angesichts der sich täglich mehrenden Versuche, durch brutale Schneidig keit und spitsindige Textesdeutelei das Koalitionsrecht der Arbeiterklasse zu beschränken und zu durchlöchern, ist es von besonderer Wichtigkeit, daß die Sozialdemokraten im Reichstag einen Antrag eingebracht haben auf reichsgesetzliche Regelung des Koalitionsrechts der Arbeiter und Arbeiterinnen. Dem Prinzip der Gleichstellung der Geschlechter entsprechend will der Antrag auch den Frauen den unbeschränkten Gebrauch der Koalitionsfreiheit sichern. Der Begriff„ Verein" muß im Gesetz derart bestimmt werden, daß nicht, wie es am 18. Januar geschehen ist, fünf Juristen durch ihre " fein" herausgeflügelte Deutung des Gesetzestextes die Koalitionsfreiheit der ganzen Arbeiterschaft und der Frauen im Besonderen in Frage stellen können. Daß der Auslegekunst der gelehrten Berufsrichter ein so weiter Spielraum gelassen ist, wäre vielleicht noch erträglich, wenn die richterlichen Berathungen öffentlich wären, wie in England, wo ein jeder Richter mit seinem Namen für seine Ansichten eintreten muß. Aber im Lande der Gottesfurcht und frommen Sitte finden ja die Berathungen hinter verschlossenen Thüren statt. Bei der scharfen Zuspitzung des Klassenkampfes ist da eine klipp und klare Fassung des Gesetzestextes doppelt von Nöthen.
Sollte das Landgericht Köln die Düsseldorfer Frauen- AgitationsKommission als„ Verein" verurtheilen, so dürfen vorderhand die Agitations- Kommissionen nur noch aus zwei Personen bestehen. Die proletarischen Frauen haben sich diesen Umstand zu merken uno nach ihm zu handeln.
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Die Gefahr, daß die Gerichte Streit, Lohn- und überhaupt alle Kommissionen bei den geringsten Uebergriffen auf politisches Gebiet und diese sind oft unvermeidlich strafen, diese Gefahr wird zu groß, als daß in der bisher üblichen Art weiter gearbeitet werden könnte. Ebenso dürfen nicht etwa die zwei Mitglieder der Kommission das Recht der Ergänzung besitzen. Es könnte sonst vorkommen, daß die zur Ergänzung von den zwei Gewählten bestimmten Personen als„ Mitglieder" eines Vereins" betrachtet würden und die eigentlichen Kommissionsmitglieder als dessen Leiter".
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Vorsicht ist den behördlichen Maßregeln und Maßregelungen gegenüber geboten, doch auch Muth, Energie und Festigkeit. Sorglosigkeit ist ebenso wenig am Plaze wie Feigheit und übertriebene Aengstlichkeit. Die Sozialdemokratie hat schon so viel Gefahren und Schwierigkeiten überwunden, daß sie auch mit den neuen Hindernissen fertig werden wird. Mögen die Frauen zeigen, daß ihre Energie der Verfolgungswuth der Behörden gewachsen ist. H. Rohrlack.
Weibliche Fabrikinspektoren.
In unserem Artikel Weibliche Fabrifinspektoren"( Nr. 1 der „ Gleichheit") wiesen wir die Nothwendigkeit der Anstellung von Fabrikinspektorinnen nach und zeigten, wie erfolgreich solche seit Jahren im Auslande thätig sind. Zu letzterem Punkte noch etliche Thatsachen.
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In New York lernten die Fabrikinspektorinnen polnisch, russisch, böhmisch, ungarisch und italienisch, um sich mit den Opfern des fluchwürdigen Schwitzsystems verständigen zu können. Die Emigration wirft jedes Jahr Tausende armer Teufel besonders viele russische und polnische Juden nach Amerika . Der Sprache des Landes unkundig, fallen sie meist einem„ mitleidigen" Landsmann in die Hände, welcher als Schwitzer" sie ausbeutet oder an einen „ Schwitzer" verschachert. Die Ausbeutung, welche die Aermsten erfahren, spottet jeder Beschreibung, denn durch ihre Unkenntniß des Englischen sind sie dem„ Schwizer" auf Gnade und Ungnade überliefert. Wenn in diesen Kreisen die Fabrikinspektion Nutzen bringen soll, so müssen sich die mit ihr Beauftragten direkt mit den Ausgebeutetsten der Ausgebeuteten verständigen können. Die als Fabrikinspektorinnen ernannten Frauen schreckten nicht vor der Mühe und Arbeit zurück, viele fremde Sprachen zu erlernen, um ihres Amts mit Pflichttreue und Erfolg walten zu können. Die„ Christian Union" ( christliche Vereinigung), ein in New York erscheinendes Organ schrieb 1891 über das Wirken der Fabrikinspektorinnen:„ Die Thätigkeit der weiblichen Fabrifinspektoren verbessert thatsächlich und nachdrücklich das Fabrikleben in New York . Sie legen ihr Hauptaugenmerk auf die Arbeitsbedingungen in den Schwizwerkstätten und haben es trot aller Chikanen der Arbeitgeber fertig gebracht, schlagende Beweise von Gesetzesübertretung zu erbringen."
1893 wurde vom Gouverneur Altgeld ein neues Fabrikgesetz für Illinois bestätigt. Es schreibt vor, daß alle infizirten Kleidungsstücke vernichtet werden, setzt eine höhere Altersgrenze für arbeitende Kinder fest, verlangt, daß die Werkstätten, Fabriken, Wohnräume der Arbeiterinnen gründlich untersucht werden und beschränkt die Arbeitszeit aller Frauen auf 8 Stunden täglich. Dieses Gesetz soll hauptsächlich dem„ Schwitzsystem" zu Leibe gehen. Sein Zustandekommen ist in hervorragender Weise der aufopfernden Thätigkeit der Fabrikinspektorinnen zu danken, welche die scheußlichen Zustände in den „ Schwitzbuden" ans Licht zogen. Diese sind derartige, daß auch die Gesundheit der Käufer von Waaren, die in Schwitzwerkstätten hergestellt werden, ernstlich bedroht ist. So berichtete Frau Florence Kelley , Hauptinspektorin in Chicago :" Im vergangenen Winter habe ich mit eigenen Augen gesehen, daß für eine der größten Firmen von Chicago Mäntel in einem Hause genäht wurden, wo die Diphtheritis wüthete. Ich selbst sah, daß ein scharlachkrankes Kind in Seidenfutter eingewickelt im Schooße der Mutter lag, welche dann später die nämliche Seide zur Arbeit verwendete. In demselben Hause, in einer anderen Werkstatt, lag ein masernkrankes Kind auf einem Haufen halbfertiger Mäntel."
Die englische Fabrikinspektorin, Fräulein Abraham, brachte von Mai bis Anfang Juli 12 Fälle von Gesetzesübertretung zur Verurtheilung.
Ihre Kollegin, Fräulein Irwin, hat besonders die Arbeitsverhält nisse in den Wäschereien untersucht. Sie besuchte 53 Wäschereien ( Fabrik- und Hausbetriebe) und verhörte 91 Personen. Sie konstatirte die im Wäschereigewerbe vorhandenen sehr gesundheitsschädlichen Bedingungen, die durch die ungemein lange Arbeitszeit in der Regel nicht unter 17 Stunden noch bedeutend verschärft werden. Ihre Untersuchungen werden nicht wenig dazu beitragen, daß auch die Wäschereien dem Fabrikgesetz unterstellt werden.
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Die bisher mit den Fabrifinspektorinnen gemachten Erfahrungen sprechen überzeugend dafür, daß die Frauen in der Erfüllung ihrer diesbezüglichen Berufspflichten Vorzügliches leisten. Es ist hohe Zeit, daß endlich auch in Deutschland Fabrikinspektorinnen angestellt werden.
Aus der Schule.
1. Die unbewußte Proletarierin.
Aus der Schule soll man ja wohl nicht plaudern, ein alter Satz besagt es und ein neuer Schulgewaltiger, beinahe Allgewaltiger, hat es noch ganz besonders streng verboten. Die Proletarierinnen haben indeß schon mit manchem Althergebrachten gebrochen, trotzen, theils freiwillig, theils nothgedrungen allerlei bestehenden Gewalten, warum sollten wir also auch nicht einmal dem obigen Sprüchlein zuwider handeln? Ueberdies plaudern wir ja kaum; die als Geplauder bekannte leichte, tändelnde Art der Rede ist wohl nur noch jenen weiblichen Wesen zu eigen geblieben, die, wie Papageien, Reitpferde, Jagdhunde und mancherlei andere Luxusgegenstände, zur Zerstreuung, als Genuß- und Anregungsmittel der privilegirten( bevorrechteten) Klassen dienen. Wir haben das Plaudern verlernt, seitdem wir denken lernten.
Womit wir uns heute beschäftigen wollen vom gesammten Schulwesen, das ist unsere Geschlechts- und Leidens, leider aber noch nicht