4. Jahrgang. " M GlriM Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen. Herausgegeben von Emma Ihrer   in Velten  (Mark). DieGleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post(eingetragen unter Nro  . 2660) vierteljährlich ohne Bestellgeld 53 Pf.; unter Kreuzband K5 Pf. Inseratenpreis die zweigespaltene Petitzeile 20 Pf. Stuttgart  Mittwoch, den 7. März 1804. Zuschriften an die Redaktion derGleichheit" sind zu richten an Fr. Klara Zetkin  (Eißner), Stuttgart  , Rothebühl- Straße 147, IV. Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furthbach-Straße 12. Nachdrnl? ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet. Die Diktatur des Proletariats. i- Seit Jahrtausenden ist die Gesellschaft in zwei Klassen ge- theilt, seit Jahrtausenden wird das arbeitende Volk von einem Häuflein Nichtsthuer ausgebeutet. Sklaven, Leibeigene oder freie Lohnarbeiter, Arbeiter und Arbeiterin bleiben immer nur die Lastthiere, die ihr Leben lang den Herren dienen und, spärlich ge­futtert, nur Schläge erhalten statt Lohn. Nilpferdpeitsche oder Hungerpeitsche, das läuft auf das Nämliche hinaus auf Knech­tung, auf Unterdrückung der Armen. Die Hungerpeitsche wirkt schrecklicher als die Nilpferdpeitschc, denn sie schlägt mit einem Mal große Mengen, sie trifft mit einem Schlag Mann, Frau und Kind, und obwohl man sie schmerzhaft fühlt, bleibt sie doch unsichtbar. Völker vergingen und neue Völker entstanden, aus ihrer ur­sprünglichen Heimath in Asien   hat sich die Menschheit über das ganze Erdenrund verbreitet und die ganze Erdenwelt erobert. An­fänglich schwach und hilflos zieht sie jetzt mit zahllosen Saugarmen die Schätze der Erde an sich und fängt sie auf in Fabriken und Werkstätten, wo ihre Knechte aus Eisen und Stahl sie zu den tausenderlei Gegenständen umgestalten, welche die Menschen brauchen. Der Wind, die Wärme, die mächtige Bewegung der Flüsse, der Sturz der Wasserfälle, der wilde Lauf der Alpenbäche müssen ihre unermeßlichen, unerschöpflichen Kräfte diesen eisernen und stählernen Dienern leihen. Reichthümer häufen sich über Reichthümer, so daß die Gesellschaft unter der sich aufthürmenden Last des Reichthums zusammenzubrechen droht, doch was hat das Volk davon? Die Arbeit, das Elend, den Hunger! An Stelle der Stammhäuptlinge der sich auflösenden primi­tiven Gemeinschaft traten die Enpatriden Athens  , die Patrizier Roms, an Stelle dieser der mittelalterliche Feudalherr, dem sich später der reiche Kaufherr und der Manufakturist zugesellten, aus denen sich der Fabrikant, der Großgrundbesitzer und der Finanz­könig entwickelten, all die Kapitalgewalligeu, die jetzt die Welt beherrschen. So haben sich die Namen geändert, die Unterdrückung selbst ist geblieben. König Stumm findet im sklavenhändlerischen König Behanzin   das getreue Bild seines wirthschaftlichen Urahns. Bleichröder   und Rothschild   sind die direkten Nachkommen der mittel­alterlichen jüdischen Wucherer, die das Geschäftemachen aus dem ff verstanden, wenn sie gleich damals kein Schweinefleisch aßen, jener Wucherer, für deren Töchter die christlichen Grafen und Barone auch schon damals große Vorliebe, doch keinen Heiraths- drang hatten. Immer schärfer wird der Gegensatz zwischen Arbeit und Besitz. zwischen Arm und Reich. Der erste Herr war seinem ersten Sklaven nicht viel über, denn die Dürftigkeit der Produktion machte keine großen Gegensätze möglich. Riesenhaft steigt die Produktivkraft der Arbeit, doch in einem noch weit höheren Grade steigt der Unterschied zwischen Reichlhum und Armuth. Das Elend wird immer tiefer, je mehr der Reichthum wächst. Die gesammte Ent­wicklung der gesellschaftlichen Produktion ist in Folge der Klassen­spaltung zu einer Macht geworden, die nur die wenigen Bevor­zugten immer höher emporhebt, während das arbeitende Volk am Boden liegen bleibt. Was nützt dem Proletariat der gesellschaftliche Reichthum, wenn er nicht in seinem Besitze ist, was nützen ihm die geistigen Errungenschaften der Kultur, wenn es sie nicht kennt, was nützt ihm die Kunst, wenn es sie nicht genießen kann? Elender Sklave der Arbeit, trägt er, ein wirklicher Atlas, die ganze Weltlast auf seinen Schultern, hat er auf diesen Schultern die ganze Weltgeschichte getragen, ohne je einen merklichen Vortheil davon gehabt zu haben. Den Arbeitern bezw. den Arbeiterinnen bleibt in der kapita­ listischen   Gesellschaft kein Heil. Die niederen Löhne drücken sie tief in den Pfuhl des Elends, und, im Dienste des Kapitals, halten sie vier grausame Gewalten wie mit eisernen Klammern darin fest: Hunger, Kälte, Krankheit und Demüthigung. Der lange Arbeitstag zehrt an ihren Nerven, schwächt ihre Muskeln, bricht ihre Gesundheit, tödtet ihren Geist und raubt ihnen die kurze Muße, während der sie sich erholen könnten. So wirkt die Klassen- spaltuug den Entwicklungsgesetzen der Natur entgegen und sucht gewaltsam den Menschen zum Thiere zurückzubilden. Kein Ausweg, außer einem: die Gewalt der herrschenden Klasse an der Wurzel auszurotten, kein Mittel dazu, außer einem: die Macht. Die Macht läßt sich aber nicht aus dem Boden stampfen. Die Macht muß erworben werden, sie muß gebildet werden, und man muß es lernen, sie richtig zu handhaben. Nichts ist unsinniger als die Taktik der Anarchisten. Die Gesetzlosigkeit proklamiren, heißt noch nicht die Gesetze wirklich auf­heben. Nichts ist irriger als die Ausfassung, daß das Gesetz blos ein beschriebener Papierfetzen sei. Nicht das Geschreibsel verleiht dem Gesetz seine Macht, sondern die Thatsache, daß hinter jedem Buchstaben des Gesetzes der Staat als Hüter steht, der Staat mit seiner Justiz, seiner Polizei, seiner kirchlichen und der Grund­lage des Ganzen der militärischen Macht. Und solange diese gesammte Macht hinter einem Gesetze steht, solange behält es seine Kraft. Und auch Racheakte sind keine Kampfesmittel. Jede neue geschleuderte Bombe schreckt das Volk ab, und wenn sie auch die Kapitalisten ängstigt, so bewirkt doch diese Angst das Gegentheil von dem, was der Thäter beabsichtigte. Der Kapitalist sieht in jedem Bombenwurf eine unanfechtbare Bestätigung seiner Meinung, daß die soziale Revolution nichts anderes bedeute, als ein massen­haftes Abschlachten der Kapitalisten. Anstatt die sozialistische Neu­gestaltung der Gesellschaft herbeizuwünschen, treibt ihn die Angst um sein Leben daher zu der äußersten Gegenwehr. Was er früher feig wie er ist und besorgt um seinen Geldbeutel nicht zu thun gewagt hätte, das unternimmt er jetzt ohne Bedenken. Gegen­über der gemeinsamen Lebensgefahr schwindet außerdem der Hader und Zwist innerhalb der Kapitalistenklasse selbst. Jeder anarchi­stische Anschlag schweißt sie fester zusammen und verleiht ihr da­durch eine Stärke, die sie früher nicht besaß. Bei all dem muß noch bedacht werden, daß jede Gefahr nur solange schreckt, als sie selten ist. Hat man sich doch an die Eisenbahnunfälle gewöhnt, die große Zahl der untergehenden Schiffe hindert den Seeverkehr nicht, und in Folge der Theaterbrände hat der Theaterbesuch auf die Dauer nicht abgenonimeu. Uebrigens, was die Gefahren der Attentate für das Eigenthum anbetrifft, so sind dieselben in dem