jahrelang schon eine aus der Arbeiterklasse hervorgegangene Frau für die Organisation der Proletarierinnen thätig: Frau Harriet- Law, Mit­glied des Generalraths der Internationale, und zwar die einzige Frau, welche demselben angehörte. Sie war eine der Ersten, welche die Nothwendigkeit der Organisation der Frauen betonte, sie wurde dabei nicht von frauenrechtlerischen, sondern von rein proletarischen Gesichts­punkten geleitet. Ihre aufopfernde uneigennützige Thätigkeit für die Organisation der englischen Proletarierinnen ist fast ganz in Ver­gessenheit gerathen, und so kommt es, daß irrthümlicherweise meist behauptet wird, Mrs. Patterson habe als erste Frau in England für die Organisation der Arbeiterinnen gewirkt.

"

Auch Frau Patterson gehörte dem Proletariat an. Sie war eine Londoner Arbeiterin, welche darbte und sparte, um die Mittel für einen Aufenthalt in Nordamerika zu erschwingen, wo sie die be­stehenden Arbeiterinnenvereine studiren wollte und studirte. Nach ihrer Rückkehr in die Heimath forderte sie im Jahr 1874 in einem Aufruf, der in der ,, Labour News"( Arbeiterzeitung) erschien, dringend zur Organisation der weiblichen Arbeiter auf. Frau Patterson's Aufruf erregte das Interesse einer Anzahl von Frauenrechtlerinnen, welche sich mit ihr zu einem Komite zusammenschlossen, das für die Verwirklichung der erhobenen Forderung eintrat. Aus diesem Komite ging die Liga für Frauenschutz" hervor. Mrs. Patterson hatte den Plan gehabt, alle Frauen, welche industriell thätig waren, ohne Unter­schied des Berufs, in einem allgemeinen Arbeiterinnenverein organi­siren zu wollen, damit die Angehörigen der besser gelohnten Gewerbe den schlechter gezahlten Genossinnen durch ihre größeren Mittel vor­wärts' helfen könnten. Die Liga ließ jedoch diesen Plan bald fallen und strebte die Organisation von getrennten Vereinen der Arbeiterinnen verschiedener Gewerbe an, und dies mit Rücksicht auf den Kasten­geist, welcher bei den Frauen noch stärker als bei den Männern vor­handen ist. Ihr Programm war folgendes: 1) Propaganda für die Prinzipien der gewerkschaftlichen Organisation durch Meetings und Schriften; 2) Uebernahme der Funktion eines Einigungsamts; 3) Be­schaffung von Bildungsmitteln aller Art; 4) Sammlung von Material über die gesetzlichen Maßregeln zum Schutz der Arbeiterinnen und über deren Lage in den verschiedenen Zweigen der Industrie; 5) Hebung des materiellen und geistigen Wohls der Arbeiterinnen.

Im Verlaufe eines Jahres gründete die Liga in London fünf Frauengewerkschaften, von denen die der Buchbinderinnen und Tape­ziererinnen die bedeutendsten waren und sich anfangs gut entwickelten, jedoch im Laufe der Zeit eher Rück- als Fortschritte gemacht haben. Die Organisationen der Arbeiterinnen der Bekleidungsbranche, wie Schneiderinnen, Puhmacherinnen 2c. erwiesen sich von Anfang an als schwach. Die unregelmäßige Beschäftigung und die ganz erbärm­lichen Lohnverhältnisse der Arbeiterinnen dieser Gewerbe trugen und tragen das meiste dazu bei, daß diese Organisationen nicht recht vor­wärts famen.

Außerhalb Londons waren fast gleichzeitig mit der Liga und ohne Zusammenhang mit ihr zwei Arbeiterinnengewerkschaften ent­standen, die Organisation der Weberinnen von Dewsbury und in Leicester diejenige der Frauen, welche in den Strumpfwirkereien mit Nähen und Hesten beschäftigt sind. Der letztere Gewerkverein ent­wickelte sich besonders gut und gab u. a. auch die Anregung zur Organisation der Zigarrenarbeiterinnen und Rammgarnspinnerinnen des Ortes. Sobald die Liga etwas erstarkt war, begann sie ihrer­seits in der Provinz für die Gründung von Frauengewerkschaften zu agitiren. 1876 organisirte sie in den großen Industriezentren Glasgow , Sheffield , Manchester 2c. Schneiderinnen, Maschinen­näherinnen 2c. und in der Folgezeit gründete sie in einer ganzen Reihe anderer Städte Organisationen der Spinnerinnen, Mieder­näherinnen, Töpferinnen, Zigarrenfortirerinnen, Portefeuillearbeiter­innen 2c. Ein allgemeinerer Anschluß der Arbeiterinnen an die Liga fand jedoch weder in der Provinz noch in London statt. Von 1871 bis 1879 gehörten z. B. der Liga in den verschiedenen Londoner Frauengewerkvereinen nur über 1300 Mitglieder an und nach zwanzig­jähriger Agitation für Gründung besonderer Frauen- Trades- Unions gibt es in Englands Hauptstadt deren nur 14 mit 2250 Mitgliedern. Im ganzen Lande zählen die Frauengewerkschaften gegen 8700 Mitglieder, während die Zahl der überhaupt gewerkschaftlich organisirten Ar­beiterinnen auf insgesammt 90 000 geschätzt wird. Von Nichts- als­Frauen- Gewerkschaften, die unabhängig von der Liga entstanden sind und dastehen, verdienen Erwähnung die Organisation der akademischen Schneiderinnen, die der Näherinnen von Chelsea und der Verband von Frauen- Trades- Unions( Women's- Trades- Union- Association), welcher bald nach dem großen Dockerstreit gegründet wurde.

Mrs. Patterson hatte in London nach dem Beispiele der Arbeiter­gewerkschaften einen Gewerkrath der Frauenvereine ins Leben gerufen, d. h. einen Ausschuß, welcher deren Aktion leiten sollte. Dieser hat

127

jedoch seine Bedeutung verloren, seitdem die Gewerkräthe der Männer­gewerkschaften wirklich qualifizirte Frauen aufnehmen, denn durch die Zugehörigkeit zu diesen Körperschaften erreichen die Arbeiterinnen größere Vortheile als durch besondere Vereinigungen. Die Liga hat sich in Folge dessen in Verbindung mit den Gewerkräthen aller Männerorganisationen der Orte gesetzt, wo die industrielle Frauen­arbeit besonders stark entwickelt ist. Durch diese Gewerkräthe erhält sie Auskunft über die lokalen Verhältnisse der Arbeiterinnen und findet sie Unterstützung bei ihren Bestrebungen, unter diesen für die Organisation zu agitiren 2c.

Wie die Gründung der Liga und der anderen Frauenorgani­sationen mit wesentlicher Hilfe von Frauenrechtlerinnen geschah, welche sich aus den Kreisen der Großbourgeoisie und Aristokratie rekrutirten, so ist es auch heute noch der Einfluß dieser Elemente, welcher in den meisten Nichts- als- Frauen- Gewerkschaften vorherrscht. Die Leitung derselben ruht vielfach nicht in den Händen von Ar­beiterinnen, sondern in denen von reichen, vornehmen Damen, welche den Interessen der Proletarierinnen zwar Wohlwollen, aber durchaus nicht immer Verständniß entgegenbringen. Ohne sich dessen bewußt zu sein, werden sie von den Interessen und Vorurtheilen ihrer Klasse beeinflußt, tragen sie die Verhältnisse und Bedürfnisse der bürger­lichen Frauenwelt auf die proletarischen Frauenkreise über und geben in der Folge der Aktion der Arbeiterinnenorganisationen eine falsche Richtung. Wir erinnern in der Beziehung nur an die That­sache, daß sich eine Reihe von Frauengewerkschaften dem Einfluß und der Parole steinreicher Frauenrechtlerinnen gehorchend im Namen der individuellen Freiheit und des Menschenrechts der Frau auf Ar­beit gegen die gesetzliche Regelung der Frauenarbeit erklärten, d. h. also für die Freiheit und das Recht des Kapitalisten, seine Lohn­sklavinnen bis zur Vernichtung auszubeuten.

Der frauenrechtlerische und bürgerliche Einfluß erklärt es auch, weshalb die meisten Frauengewerkschaften ausschließlich oder in erster Linie Unterstützungsvereine und keine Kampfesorganisationen sind. So mächtig erweist sich jedoch die Logik der Thatsachen, daß troz alledem vielen Frauenvereinigungen ein Kampf gegen das Unter­nehmerthum aufgezwungen wurde. Sie mußten mit Rücksicht auf den Bestand der Organisation entweder für eine Beseitigung menschen­unwürdiger Zustände eintreten oder eine weitere Verschlechterung von schon ohnehin schlechten Zuständen abwehren. Jedes Eingreifen für die Interessen der Arbeiterinnen, das wirklich ernst gemeint ist und in Zusammenhang mit den thatsächlichen Verhältnissen bleibt, muß früher oder später zu einem Kampf gegen den Kapitalismus führen. Dadurch erklärt sich auch das Uebelwollen und der Widerstand, den die meisten Unternehmer von Anfang an den Frauenvereinen ent­gegenbrachten, mochten sich diese unter der Leitung ihrer vornehmen Protektorinnen auch noch so eifrig als zahme, artige Kinder geberden. Die Liga für Frauenschutz wurde von kapitalistischer Seite als Streif­komite hingestellt, welches das gute Einvernehmen" zwischen Arbeit­gebern und Arbeiterinnen stören, Beunruhigung in das wirthschaft­liche Leben tragen wolle. Thatsächlich haben seit der Gründung der Frauengewerkschaften die Streits nicht zugenommen, wohl aber sind sie, falls sie unvermeidlich waren, planvoller und mit besserer Kennt­niß der Marktverhältnisse geführt worden. In manchen Fällen be willigten die Kapitalisten ihren Arbeiterinnen plötzlich bessere Arbeits­bedingungen, um dadurch der Gründung einer Vereinigung zuvorzu­kommen oder einer solchen die Mitglieder abzutreiben. Die Thatsache zeigt, wie unbequem dem Unternehmerthum jede Organisation der Arbeitskräfte iſt.

Der Verband der Frauengewerkschaften und die Gewerkschaft der Wäscherinnen tragen einen etwas fortschrittlicheren Charakter als die Liga für Frauenschutz. Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen spielen zwar noch in der erstgenannten Organisation eine hervorragende Rolle, doch strebt die Verbandssekretärin, Frl. Black, sehr energisch an, daß sich die Arbeiterinnen ohne Hilfe der Bourgeoisdamen und unbeein­flußt von ihnen zusammenschließen. Die Leitung des Gewerkvereins der Wäscherinnen ruhte längere Zeit in den Händen der jetzigen Fabrik­inspektorin, Frl. Abraham, welche sehr viel Verständniß für die Be­dürfnisse und Interessen der Arbeiterinnen besitzt. Der Verein stellt sozusagen ein Kompromiß dar zwischen dem Charakter der alten Ge­werkschaften als Hilfsgesellschaften und demjenigen der neuen Trades­Union als Kampfesorganisationen. Kampfesfonds und Krankenkasse sind hier nicht mit einander verquickt, sondern bestehen und funktio­niren getrennt von einander. Jedes Mitglied der Organisation muß zu dem Kampfesfonds beitragen und erhält im Falle von Streike oder Aussperrung Unterstützung. Der Beitritt zu der Krankenkasse hängt von dem Belieben der Mitglieder und der Zahlung eines Extra­beitrags ab. Der Gewerkverein der Wäscherinnen ist die einzige nur aus Frauen bestehende Organisation, welche selbständig für eine gesetz­