sägen konnten die Arbeiterinnen nicht einmal mehr die Hälfte ihres bisherigen Verdienstes erreichen. Das Schaben von hundert Zahnbürsten sollte z. B. mit 25 Pfennig entlohnt werden. Bei angestrengter Thätigkeit kann auch die geübte Arbeiterin täglich nicht mehr als 160 bis 170 Stück schaben, so daß sich ihr Tagesverdienst mithin auf 40 bis 42 Pfennig gestellt hätte. Die Arbeiterinnen erklärten, unter solchen Verhältnissen unmöglich schaffen zu können, und es kam zum Streif. Leider gelang es der Firma, junge Arbeiterinnen anzuwerben, welche die Beschäftigung zu den festgesetzten Bedingungen annahmen, so daß die Streifenden ihren Kampf aufgeben mußten. Gegenwärtig ist in der betreffenden Fabrik fast ausschließlich neues Arbeitspersonal thätig, das meist aus jungen Mädchen besteht. Leider fehlen uns nähere Angaben darüber, wie hoch sich ihr Verdienst beläuft. Aber, wenn schon die älteren geübten Arbeiterinnen bei den Affordsäßen nur die oben angegebenen Hunger­pfennige verdienen konnten, so irren wir wohl kaum mit der Annahme, daß der Verdienst der jugendlichen Neulinge die Höhe der Zuchthaus­löhne schwerlich übersteigen dürfte.

Wenn uns im Vergleich zu den geschilderten Erwerbsverhält nissen diejenigen in einer Delfabrik etwas günstiger erscheinen, so will dies wirklich nicht viel sagen. Hier sind zwölf Arbeiterinnen be­schäftigt, ihre Arbeitszeit beträgt elf Stunden täglich, ihr Tages­verdienst stellt sich auf 1 Mark 20 Pfennig bis 1 Mark 30 Pfennig. Nach den vom badischen Fabrikinspektor 1891 gemachten Angaben verdienten die Arbeiterinnen der Delfabrik damals wöchent­lich im Durchschnitt 8,75 Mart. Ihr Wochenverdienst ist also durchschnittlich um 1 Mark 25 Pfennig gesunken, während in der gleichen Zeit die Preise der Lebensbedürfnisse gestiegen sind. Ein Kommentar zu dieser Thatsache ist überflüssig. Nebenbei sei bemerkt, daß auch die Lohn- und Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten 150 Arbeiter nichts weniger als beneidenswerthe sind.

In einer Mannheimer Schäftefabrik sind elf Arbeiterinnen bei zehnstündiger Arbeitszeit thätig. Ihr Verdienst schwankt zwischen 4 und 12 Mark pro Woche. Den Höchstverdienst von 12 Mart, also von 2 Mark pro Tag, erzielen jedoch nur zwei bis drei ältere, sehr geübte Stepperinnen und Verkleberinnen.

Gegen dreißig Arbeiterinnen sind in einer Maschinenstrickerei mit Anfertigung von Strumpfwaaren beschäftigt, ihre Arbeitszeit dauert 912 Stunden täglich, die Arbeit geschieht im Akkord. Die Ar­beiterinnen erhalten für das Paar Röhren besserer Qualität 10 bis 12 Pfennig, für das Paar Füße, gleichfalls besserer Qualität, 18 bis 20 Pfennig. Wird schlechtere Qualität Garn verarbeitet, so stellt sich der Akkordpreis auf 4 bis 8 Pfennig für das Paar Röhren und 7 bis 16 Pfennig für das Paar Füße. Die in dem Betrieb beschäftigten Frauen und Mädchen bringen es auf einen Wochenverdienst von 7 bis 8 Mark. In einzelnen Fällen soll mehr verdient werden, andererseits geht aber auch der Erwerb in Zeiten flauen Geschäftsgangs noch unter die angegebene Summe zurück.

Wenn die Arbeiterinnen einer Sacknäherei vielfach bitter über ihre Erwerbsverhältnisse klagen, so kann dies nicht Wunder nehmen. Etwa zwanzig Frauen und Mädchen sind hier zehn Stunden täglich mit dem Nähen von Getreidesäcken beschäftigt, ihre Arbeit ist schwer und anstrengend. Beim Eintritt in den Betrieb erhält die Arbeiterin einen festen Tagelohn von 1 Mark, der Verdienst steigt jede Woche um 5 Pfennig, bis er eine Höhe von 1 Mark 70 Pfennig erreicht. Aber, natürlich giebt es ein Aber, der Höchstverdienst wird nur in ganz seltenen Fällen erzielt. Die Arbeit des Sacknähens erfordert einen solchen Kraftaufwand, sie ist so ungesund in Folge der Haltung, welche die Arbeiterinnen einnehmen müssen und der feinen Stofffäserchen, die sich von der groben, rauhen Leinwand ablösen und die sie einathmen daß die meisten Näherinnen, wenn es irgend geht, aus dem Betrieb austreten, noch ehe sie es auf den kolossalen" Tagesverdienst von 1 Mart 70 Pfennig gebracht haben.

Erbaulich und beschaulich sieht es auch um den Verdienst aus, welchen die zwölf Arbeiterinnen haben, die neben hundert Arbeitern in der Zuckerraffinerie dem Gott Kapital frohnden. Nach Wörris­hofer verdienten dieselben in der Woche 6-8 Mark, uns gemachten Mittheilungen zufolge stellt sich neuerdings ihr Tagesverdienst auf 1 Mark 20 Pfennig bis 1 Mark 30 Pfennig. Beide Angaben stimmen mithin so ziemlich miteinander überein. In der richtigen Be­leuchtung erscheinen uns diese Riesenlöhne" der Arbeiterinnen, wenn wir ihnen die Dividenden gegenüberstellen, welche die Aktionäre des Unternehmens aus der süßen" Arbeit- Anderer ziehen. Für das letzte Betrieb iahr belief sich die Dividende auf 10,3 Prozent, auf 86 Marf pro Aktie. Und ehe man daran gegangen war, die Höhe der Dividenden festzusetzen, waren die üblichen Tantièmen und Grati­fikationen gezahlt worden, waren hohe Abschreibungen und Rück­

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stellungen erfolgt. Die Zellstofffabrik brachte sogar 20 Prozent Divi­dende zur Vertheilung. Der Reingewinn der betreffenden Unternehmen mußte also ein recht beträchtlicher gewesen sein, und wie er zu Stande kam, wie er in die Höhe geschraubt wurde, dafür bieten uns die obigen Hunger- und Prostitutionslöhne einen Fingerzeig. Wenn Je­mand für ausgeliehenes Kapital einen Zinsfuß von der Höhe obiger Dividenden nimmt, so wird er als Halsabschneider" bezeichnet und wandert eventuell wegen Wuchers von Rechts wegen hinter schwedische Gardinen. Wenn aber Proletarier und Proletarierinnen bis auf die Knochen ausgebeutet werden, wenn schweres Schaffen, ungenügende Ernährung, ungesunde Arbeitsbedingungen ihre Kraft vor der Zeit erschöpfen, nur damit Faulenzer hohe Dividenden schlucken können, so ist dies in der Ordnung und kein richterlicher Hahn kräht über diese Art schlimmsten Wuchers.

Daß die Frau am härtesten ausgebeutet wird, wenn sie als Heimarbeiterin sich im Dienste eines kapitalistischen Unternehmers ab­rackert, beweisen die Verhältnisse in einem Wäsche geschäft. Für dasselbe sind zwanzig Näherinnen thätig, welche zu Hause farbige Hemden und Unterhosen anfertigen. Ihre Arbeit wird natürlich im Afford bezahlt. Für das Nähen eines Dugend Hemden setzt es 2 Mark 20 Pfennig. Bei fünfzehnstündiger, angestrengter Thätigkeit ist eine tüchtige, geübte Näherin im Stande, täglich ein halbes Dußend Hemden fertigzustellen. Ihr Tagesverdienst für fünfzehn Stunden Arbeit beläuft sich also auf 1 Mark 10 Pfennig, d. h. auf Pfennig pro Stunde. Aber man denke nur nicht, daß ihr diese Summe" als Reingewinn" für ihre Arbeit zum Lebensunterhalt verbleibt. Behüte, so wohl darf es einer Heimarbeiterin doch nicht werden! Von ihrem Verdienst sind in Ab­rechnung zu bringen: Die Kosten des Nähfadens, den sie selbst stellen muß; die Miethe für den Arbeitsraum, der natürlich gleichzeitig als Wohn, Koch- und Schlafraum dient; die Kosten der Abnutzung der Nähmaschine, die sie womöglich auf Abzahlung angeschafft hat, und die ihr deshalb sehr theuer zu stehen kommt; die Kosten für Beleuchtung und Beheizung. Der findige Unternehmer " spart" an seinen Betriebskosten die Summe dieser Ausgaben; die bleichsüchtige, ausgemergelte Näherin muß dafür aufkommen, sie muß dafür aufkommen von ihrem Tagesverdienst von 1 Mark 10 Pfennig! Wieviel ihr nach Abzug dieser Unkosten für ihre Ernährung, für Kleidung, Beschuhung, Wäsche 2c. 2c. verbleibt, mag der Vater der Sparagnes ausrechnen, welcher im Handumdrehen das Kunststück fertig bringen wird, haarklein zu be- haupten, daß eine Arbeiterin bei solchen Erwerbsverhältnissen noch immerhin binnen weniger Jahre ein Rapi­tälchen" von etlichen Tausend Mark zur Aussteuer bei Seite zu legen vermag.

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Für einen Tagelohn von 1 Mark 10 Pfennig bis 1 Mark 30 Pfennig müssen die drei Arbeiterinnen eines Darmgeschäfts im buchstäblichen Sinne des Wortes ihre gesunden Glieder dem Moloch Kapital opfern. Die betreffende Beschäftigung ist nämlich höchst un­gesund, weil die Arbeiterinnen den ganzen Tag über zehn Stunden lang mit ätzender Salpetersäure umgehen müssen. Die Folgen davon treten meist bald zu Tage. So wurden zwei Arbeiterinnen, kurze Zeit nachdem sie in den Betrieb eingetreten waren, von Haut­krankheiten befallen, die zum Knochenfraß führten. Einer der Betroffenen mußte ein Finger abgenommen werden. Aerztlicherseits wurde konstatirt, daß die Leiden nur die Folge der steten Han­tierung mit scharfen Flüssigkeiten seien. Durch geeignete Maßregeln könnte die Gesundheitsschädlichkeit der betreffenden Arbeiten gemildert werden. Aber die Durchführung solcher Maßregeln kostet Geld, und die Glieder der Arbeiterinnen sind spottbillig. So bleibt alles beim Alten. Wenn nach kurzer Zeit eine Arbeiterin durch den vergiftenden Einfluß ihrer Beschäftigung zum Krüppel geworden ist, so tritt an ihre Stelle eine neue, gesunde Arbeitskraft, die sich dann ihrerseits den Knochenfraß ad majorem gloriam Dei, zum größeren Profit des Kapitals, holen kann.

Recht erbärmliche Lohn- und Arbeitsverhältnisse müssen auch in der Wollfabrik von Schülke und Wolf herrschen. Leider liegen uns über dieselben keine Angaben vor, doch drang ein Beispiel von in diesem Betrieb vorgekommener Entlohnung in die Oeffentlichkeit, das darauf schließen läßt, wie trefflich sich hier die Herren Unternehmer auf die Ausbeutung weiblicher Arbeitskraft verstehen. Eine ein und­zwanzigjährige Arbeiterin erhielt für elftägige Arbeit sage und schreibe mit Worten ganze vier Mark.

Es war uns unmöglich, Angaben über die Arbeitsbedingungen in einer Reihe von Fabrikbetrieben zu erhalten, in denen größere Gruppen von Arbeiterinnen thätig sind. Um das Bild von der Lage der Mannheimer Fabritarbeiterinnen zu vervollständigen, lassen wir deshalb die Aufstellungen folgen, welche Wörrishofer's Lohntabelle darüber enthält.