gart"; Schiffbet, Mitgliederversammlung des sozialdemokratischen Vereins:„ Die französische Revolution"( Genosse Pessier); Welling dorf , Mitgliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen:„ Die Gesundheitspflege und der Vegetarismus"( Genosse Klüß).
Agnes Wabnik+
Dem deutschen klassenbewußten Proletariat und der proletarischen Frauenbewegung insbesondere wurde eine ihrer besten und hingebendsten agitatorischen Kräfte durch den Tod entrissen. Genossin Agnes Wabnitz vergiftete sich auf dem Friedhofe der Märzgefallenen im Friedrichshain an demselben Tage( 28. August), wo sie die über sie verhängte zehnmonatliche Gefängnißstrafe antreten sollte. Sie starb im Alter von 52 Jahren. An eine Freundin richtete sie unmittelbar vor ihrem freiwilligen Ende folgenden mit fester Hand geschriebenen Abschiedsgruß:„ Liebe Frau M. Ich ruhe im Friedrichshain nahe dem Krankenhaus auf unserem Freiheitsacker. Mit Gruß Ihre G......."
Mit ihr ist nicht nur eine der talentvollsten, opfermuthigsten, charakterfestesten und eifrigsten Vorkämpferinnen für die Befreiung des Proletariats aus dem Leben geschieden, sondern auch eine Frau von ungewöhnlicher Herzensgüte und Wärme des Empfindens, eine barmherzige Schwester, die im Verborgenen manche Thräne getrocknet, manche Wunde, die der harte Kampf ums Dasein geschlagen, geheilt hat. Das Blatt, auf dem das deutsche zielbewußte Proletariat die Namen seiner Märtyrer und Helden verzeichnet, wird auch den Namen unserer Genossin Wabnitz tragen.
Die Leichenfeier für die Dahingeschiedene gestaltete sich dem Verbote der Polizei zum Troß zu einer gewaltigen proletarischen Massendemonstration. Der„ Vorwärts" schreibt darüber:
,, Das hätte kaum Jemand erwarten können, daß sich die Leichenfeier für Agnes Wabnitz zu einer solchen großartigen Kundgebung gestalten würde, wie es geschehen ist. Nicht die Genossen und Genossinnen, denen ihr Hinscheiden Thränen erpreßte, nicht sie selber, die in ihrer Bescheidenheit oft genug die ihr dargebrachten Ovationen zurückwies nicht zum wenigsten aber auch die Behörde, welche aus den bekannten sicherheits- und ordnungspolizeilichen Gründen einem Leichenzuge die Genehmigung" versagte...
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Einem Lauffeuer gleich ging die Nachricht durch die Arbeiterviertel, daß die Behörde die Bildung eines Zuges von der Rykestraße nicht gestatte, und so drängte sich schon in der Mittagsstunde die
die Beseitigung der Klassengegensätze zwischen Arm und Reich in der sozialistischen Gesellschaft der Menschheit ein goldenes Zeitalter freier Entwicklung und sonnigen Glücks zu schaffen vermöchte. Sie gab sich ihrer Ueberzeugung mit der ganzen Glaubensgluth eines leidenschaftlichen Gemüths hin und kannte nur noch ein Streben: mitzuarbeiten, um die Bastille der Lohnsklaverei des Proletariats zu brechen.
In den siebziger Jahren war sie nach Berlin übersiedelt, wo sie ihren Unterhalt durch Näharbeiten in Familien erwarb. Sie hatte nicht blos für sich, sie hatte für die Mutter zu sorgen, sie unterstützte die Familie eines Bruders, dessen Kinder sie lange Jahre erzog. Außerdem war sie eine wahre Samariternatur, die den brennenden Drang empfand, allen Unglücklichen und Bedürftigen, mit denen sie zusammenfam, zu helfen. Wenn je ein Leidender vergeblich bei ihr anklopfte, so nur darum, weil sie selbst nichts hatte und nichts beschaffen konnte. Da mußte sie denn manche Nacht, die sie gern dem Studium gewidmet hätte, an der Maschine verbringen, im Winter im falten Zimmer sie wollte und mußte ja sparen. Nur wer ihre beispielslose Bedürfnißlosigkeit und ihre große Willensstärke kennt, fann begreifen, wie sie es fertig brachte, all den an sie herantretenden Anforderungen zu genügen und dabei noch die Möglichkeit zu finden, die politische und gewerkschaftliche Agitation materiell zu unterstützen und Zeitungen, Broschüren und Bücher anzuschaffen. Mit eisernem Fleiß arbeitete sie an der Erweiterung ihrer Kenntnisse auf den verschiedensten Gebieten, ganz besonders aber auf dem Gebiete der Sozialwissenschaften. Sie hatte die Bedeutung des Wortes erfaßt: Wissen ist Macht, und wollte nicht waffenlos in den Kampf für Volksfreiheit und Volksglück eintreten.
Nach der am 15. März 1885 erfolgten Gründung des Vereins zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen" fam in Berlin eine kräftige proletarische Frauenbewegung in Fluß. Genossin Wabniz zählte zu ihren eifrigsten und erfolgreichsten Trägerinnen. An der Gründung des Vereins der Arbeiterinnen Berlins " ( Nord) und des Vereins der Mäntel näherinnen" nahm sie thätigen Antheil. Mit flammenden Worten tiefempfundener Begeiste rung rief sie die proletarische Frauenwelt der Reichshauptstadt in Reih und Glied der organisirten, kämpfenden Arbeiterklasse. Es war
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Menge vor den Thoren des Friedhofes in der Pappelallee, wo schon so mancher Sozialdemokrat zur Ruhe gebettet ist. Je mehr die Zeit vorrückte, desto mehr schwoll die Menschenmenge an, welche, den Sonnenstrahlen stundenlang ausgesetzt, geduldig harrte, bis das Thor geöffnet wurde. Da hier auf dem Begräbnißplatz mit beschränkten Raumverhältnissen gerechnet werden mußte, konnte nur eine bescheidene Anzahl von Personen Einlaß finden. Schon eine Stunde vor Beginn der Feier standen in der Pappelallee Kopf an Kopf gedrängt Zehntausende von Proletariern, in der Mitte des Fahrdamms mußten die Ordner einen Gang freihalten, um den Kranzträgern die Passage zu ermöglichen. Soweit das Auge reichte, sah man den Friedhof von schwarzen Massen umlagert, die alle ein Impuls beseelte; leider war es nur einem Bruchtheil möglich, bei der Beisetzung innerhalb der Friedhofsmauern einen Platz zu erhalten.
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Die außerordentliche Popularität der Verstorbenen zeigte sich in der unvergleichlichen Fülle von Kränzen und Blumenarrangements, die ihr als sichtbares Zeichen der Anhänglichkeit, der Liebe und der Verehrung dargebracht wurden. In allen Farben und in allen Größen, mit kostbaren Schleifen geschmückt, wurden Hunderte von Kränzen dem Sarge nachgetragen. Das ganze arbeitende Volk ehrte die Todte. Alle politischen und gewerkschaftlichen Organisationen Berlins schmückten das Grab, ebenso die Genossen und Genossinnen aus vielen Orten der Provinz, an denen sich Agnes Wabniz Freunde erworben. Des begrenzten Raumes wegen müssen wir es uns leider versagen, von all' den Kränzen mit ihren sinnigen, warm empfundenen Inschriften besondere Notiz zu nehmen, nur Weniges sei berichtet. Von dem Parteivorstande, in dessen Auftrage die Genossen Auer und Gerisch erschienen waren, wurde der selbstlosen, treuen Kämpferin" ein Kranz gespendet, der die Widmung trug:" Was Du mitschufest, wird am Leben bleiben; Was Du mitſätest, hoch und höher treiben." Redaktion und Expedition des„ Vorwärts" und des„ Sozialdemokrat" hatten sich gleichfalls mit Kränzen eingefunden, ebenso war der Verlag und die Druckerei vertreten. Die Parteigenossen Berlins ", die Wahlvereine, sowie die Bildungsschule sandten durch Deputationen ihre Spenden. Von den Gewerkschaften war wohl kaum eine unvertreten; große Kränze brachten namentlich die Maurer, Metallarbeiter, mehrere Diskutirklubs u. s. w.; eine ganze Reihe von Werkstätten, Fabriken, ehrten die Genossin im Tode durch Blumen und Blumenkränze; ja die Genossen einzelner Straßen hatten sich sogar zusammengethan ( vom Weinbergsweg, von der Marienburgerstraße, von der Köpenickerstraße), um gemeinsam ihren Gefühlen Ausdruck zu geben. Vor nicht am wenigsten der unermüdlichen, überzeugten und überzeugenden Agitation von Agnes Wabnitz zu danken, daß die Arbeiterinnenvereine allen Schärfen des Sozialistengesetzes zum Trotz an Umfang und Bedeutung zunahmen und die öffentliche Aufmerksamkeit auf die entsetzliche Ausbeutung der Lohnsklavinnen lenkte. Die Versuche des damaligen Hofpredigers Stöcker und seiner Parteigänger, die Arbeiterinnenorganisationen in seinem Interesse auszunuzen, scheiterten kläglich an dem gesunden Klassenbewußtsein der Berliner Proletarierinnen. Da wurden Ende Mai 1886 die unbequemen Vereine durch Polizeiverfügung geschlossen, und das Gericht bestätigte die Maßregel. Die Vorstandsmitglieder wurden unter Anklage gestellt und es flingt wie Hohn„ kraft des Gesetzes" verurtheilt, weil sie in Frauenvereine Frauen aufgenommen hatten und sich mit Politik beschäftigt haben sollten, indem sie zur Linderung der mörderischen Frauenausbeutung den Schutz der Gesetze anriefen, so z. B. die gesetzliche Sonntagsruhe forderten! Unter den Verurtheilten befand sich Genossin Wabnik, die dem Vorstand des Vereins der Mäntelnäherinnen" angehörte.
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Ihre Verurtheilung und zahlreiche Scherereien und Chikanen, denen sie ausgesetzt war, vermochten ihren Kampfeseifer ebensowenig zu dämpfen, wie der zynische, niedrige Spott der Gegner und bittere Sorgen um des Lebens Nothdurft. Von treuer Pflichterfüllung, felsenfester Ueberzeugung und nie versiegender Begeisterung getragen, fuhr sie fort, ihr ganzes Sein im Kampfe für die Befreiung aller Mühseligen und Beladenen zu bethätigen. Es giebt wohl kaum eine Gegend Deutschlands , wo sie nicht den Enterbten das Evangelium des Sozialismus gepredigt und sie aufgerufen hätte, aus Opfern der Gesellschaft von heute zu Streitern für die Gesellschaft von morgen zu werden. Für die Wachrüttelung des weiblichen Proletariats aus Stumpfsinn und Gleichgiltigkeit zur Erkenntniß seiner Interessen und der Nothwendigkeit des organisirten Kampfes von Klasse zu Klasse, für die Erziehung seines Klassenbewußtseins, wirkte sie ebenso durch ihr flammendes Wort wie durch das Beispiel ihrer Person. 1891 wurde sie für ihre agitatorische Thätigkeit in Frankfurt a. M. zum ersten Male zu einer Freiheitsstrafe von einer Woche verurtheilt. Im Gefängniß wies sie jegliche Nahrung zurück. Eine
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