ihnen zum Kochen und Scheuern geboren sind." Die„ edlen" Motive, welche den Mann veranlassen, praktischen Handarbeitsunterricht für Knaben und Mädchen zu fordern, die„ edlen" Beweggründe, welche das Unternehmerthum überhaupt bestimmen, den Frauen neue Berufszweige zu erschließen, werden treffend von May Schippel in der Schrift:„ Das moderne Elend" charakterisirt. Nachdem dieser hier alle die Berufe aufgezählt hat, in welchen schon in den achtziger Jahren in England die Zahl der beschäftigten Männer von der der Frauen übertroffen wurde, heißt es weiter:" Brauchen wir noch näher auszuführen, daß in der That diese Ausbreitung der Weiber- und Kinderarbeit gleichbedeutend ist mit einer Verbilligung der Arbeitsfraft" für den Unternehmer, mit einer Herabdrückung des Lohnes" für den Arbeiter? Die Unternehmer sind sich darüber stets klar gewesen."
Ure schreibt darüber bereits 1835:„ Das beständige Ziel und die Tendenz jeder Vervollkommnung der Technik besteht in der That darin, jede menschliche Arbeitskraft entbehrlich zu machen oder doch ihren Preis zu vermindern, indem man die Arbeit von Frauen und Kindern an die Stelle der Arbeit des erwachsenen Mannes setzt.... Natürlich beschäftigen die Fabrikanten so wenig Arbeiter als irgend möglich aus der Klasse der Erwachsenen und beschränken sich nach Thunlichkeit auf die Kinder."
Der größere Profit also, und nichts anderes ist die Triebfeder des amerikanischen Möbelfabrikanten, wenn er die Frauen ihrem Geschmack und Talent entsprechend für die Werkstätte beschäftigen will, und er unterscheidet sich in diesem einen Beweggrund nicht um ein Haar von seinen Klassengenossen jenseits und diesseits des Ozeans.
Für das Unternehmerthum kommt trotz aller schönrednerischen Versicherungen die proletarische Frau einzig und allein als billiges und als die Männerarbeit verbilligendes Arbeitsinstrument in Betracht. Deshalb gelangt die Frauenarbeit nach und nach in allen Produktionszweigen zur Verwendung, wo die Entwicklung des maschinellen Betriebs und der vervollkommneten Produktionsverfahren ihre Anwendung ermöglichen, ohne daß der Produktionsertrag darunter leidet. Und wo dies der Fall ist, da wird auch die Arbeiterin als Schmutzkonkurrentin des Arbeiters ausgespielt, da bedient sich der Kapitalist ihrer, um die Arbeitsbedingungen der Männer zu verschlechtern und um weiterhin die weiblichen Arbeitskräfte selbst unter den allerhärtesten und kulturwidrigsten Verhältnissen auszubeuten.
Pflicht der klassenbewußten Arbeiter ist es, angesichts dieser Verhältnisse die Frauen zu Kampfesgenossinnen zu gewinnen, die aufgeklärt und organisirt für bessere Existenzbedingungen des Proletariats in der Gegenwart und für seine volle Befreiung in der Zukunft ringen. In Gestalt der kapitalistischen Ausbeutung der weiblichen Arbeitskraft schafft die bürgerliche Gesellschaft selbst eine Vorbedingung dafür, daß die proletarische Frau zum Klassenbewußtsein erwacht und am Befreiungskampfe des Proletariats theilnimmt. Das ängstliche und sittlich entrüstete Gezeter der bürgerlichen Presse wird an der Thatsache genau ebenso wenig ändern, als das schärfste Vorgehen der Behörden.
Bedenkliche Trugschlüsse.
Der Artikel„ Ochsenfröschliches" in Nummer 19 der„ Gleichheit" erschöpft vollkommen die Frage über die eigentliche Ursache der Prostitution. Zur Illustration der Behauptung, daß in der Mehrzahl der Fälle nur die Noth, nicht aber mangelhafte Erziehung" die eigent liche Ursache der Prostituirung bildet, mag folgende Zeitungsnotiz dienen. Sie stammt aus einer bürgerlichen Tageszeitung, dem Buda pester„ Politischen Volksblatt", wo es in der Nummer vom 10. September 1894 heißt:
„ Französische Gouvernanten. In jüngster Zeit hat sich die Zahl der unter sanitätspolizeilicher Ueberwachung stehenden Frauenspersonen um eine namhafte Zahl französischer Gouvernanten und Bonnen vermehrt. Die Sache erregte die Aufmerksamkeit der Polizeibehörde, welche diesbezügliche Nachforschungen anstellte. Es stellte sich hiebei heraus, daß die Noth die Triebfeder dieser betrübenden Erscheinung sei. In diesem Jahre hat der Import französischer Gouvernanten und Bonnen nach Ungarn , insbesondere nach Budapest , äußerst große Dimensionen angenommen. Die betreffenden Mädchen kamen zumeist ohne jede Baarmittel hier an. Für die erste Zeit erhielten sie bei Personen, die sich mit der Plazirung französischer Gouver nanten und Bonnen befassen, Unterkunft und Verköstigung auf Kredit. Da in Folge der gesunkenen Nachfrage nur wenige der Französinnen ein Engagement erhielten, so blieb den Meisten, um ihren Verpflichtungen gegen die Quartier- und Kostgeber nachzukommen und da ihnen auch das Reisegeld in die Heimath fehlte, nichts Anderes übrig, als sich
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der Prostitution in die Arme zu werfen. Die Polizei hielt es für ihre Pflicht, auf diese Thatsache die Aufmerksamkeit des hiesigen fran zösischen Generalkonsulats hinzulenken, damit in geeigneter Weise dem Hereinströmen französischer Gouvernanten und Bonnen Einhalt gethan werde. Gleichzeitig verfügte die Polizei die strengste Ueberwachung der Stellenvermittler und der bekannten Besitzer von Massenquartieren für französische Bonnen."
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Die vorstehende Notiz beleuchtet die Ursachen der Prostitution durch ein trauriges Beispiel von den vielen, die entweder zur Kenntniß des Publikums gelangen, aber kaum beachtet werden, oder aber, und wie es zumeist der Fall ist, die man der Deffentlichkeit nicht befannt geben will. Frau Wettstein- Adelt hat hier einen lehrreichen Beleg dafür, wie die Noth die Mutter der Schande wird. Denn die werthe Dame wird doch nicht behaupten wollen, daß die hier in Frage kommenden Gouvernanten und Bonnen keine Erziehung erhalten hätten. Konnten doch wohl die meisten von ihnen sich durch Diplome und Zeugnisse über ihre Qualifikation als Lehrerinnen oder Erzieherinnen ausweisen, besaßen sie doch den Nachweis ihres Erzogenseins" und ihrer Befähigung, die Jugend zu erziehen, schwarz auf weiß in der Tasche. Für den Zusammenhang zwischen Noth und Prostitution sei übrigens eine Autorität zitirt, die gewiß auch für Frau WettsteinAdelt einwandfrei ist.
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Parent- Duchatelet , welcher das größte Werk über die Prostitution verfaßt hat und allgemein als gewissenhafter Gelehrter anerkannt wird, giebt im zweiten Band auf Seite 98 folgende Statistik über die Pariser Prostituirten und die Ursachen, welche diese zu ihrem Gewerbe veranlassen:
Unter 5183 Prostituirten waren Dirnen geworden: 1425 verlassene Grisetten,
404 von Militärs verführte und nach Paris verschleppte Mädchen, 289 von ihren Herren verführte Dienstmädchen,
280 von ihren Liebhabern im Schwangerschaftszustand Verlassene, 2398 verführte Mädchen.
1441 prostituirten sich aus petuniärem Mangel und Elend, 1255 weil sie eltern und gänzlich hilflos waren, 2696 also aus Noth.
37 ergriffen das Gewerbe, um alte Eltern 29 um kleine Geschwister 23 um die eigenen Kinder
ernähren
und unterstützen
zu können.
89 Prostituirte mithin aus edlen Motiven. Angesichts dieser erschütternden Statistik, welche die Noth klar als Hauptursache der Prostitution hervortreten läßt, wird man zu dem Schluß genöthigt, daß die Behauptung der Frau Wettstein- Adelt zum mindesten als leichtfertig und auf Unkenntniß der Thatsachen beruhend bezeichnet werden muß.
Uebrigens worin besteht die Erziehung im landläufigen bürgerlichen Sinn? In nichts anderem als in einem gut dressirten Benehmen, just genug dressirt, daß man mit den Regeln der Bourgeoismoral und den geltenden Anstandsgesetzen nicht in Konflikt geräth. Aber trotz der feinen äußeren Form, dem Ergebniß sorgfältiger Erziehung", benehmen sich die sogenannten„ besseren und gebildeten" Klassen häufig viel roher und sittenloser als die unerzogenen Proletarier. Kommt nur darauf an, daß die Politur der Kultur in der„ guten Gesellschaft" keine Flecken und Sprünge zeigt, sonst aber- Pallmallgeschichten wie in London , Leipzig und Breslau jüngsten Andenkens. Es muß uns wundern, daß die doch sonst für selbständige" Forschungen und Aufsehen und Reklame machende Forschungsreisen schwärmende Frau Wettstein- Adelt in der Frage der Prostitution von bloßem Hörensagen urtheilt, und obendrein noch von bloßem Hörensagen, das aus verständniß- und gefühllosen Muckervereinen zu stammen scheint. Ich gebe gern zu, daß sie als bürgerlich ehrbare Frau nicht in der Lage ist, unter den Prostituirten selbst persönliche Erhebungen über die Ursachen ihrer Schmach anstellen zu können. Aber an Werken von Fachmännern, welche die Frage eingehend und ohne jede vorgefaßte Meinung behandeln, ist kein Mangel. Warum hat Frau Wettstein- Adelt offenbar auch nicht eins dieser Werke zu Rathe gezogen?
Dr. Tarnowsky, dessen Aufsehen erregendes Buch erst kürzlich in der„ Neuen Zeit" besprochen wurde, nennt als Hauptursache der Prostitution die erbliche Belastung der Prostituirten. Allerlei angeborene krankhafte Anlagen sollen nach ihm den sittlichen Verfall" veranlassen.
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Frau Wettstein- Adelt und Dr. Tarnowsky mögen sehen, wie sie mit ihren Erklärungen über die Ursachen der Prostitution mit einander fertig werden. Unseres Erachtens baut sich die Ansicht der