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ersten Mai auch durch die Arbeitsruhe feiern.

ihre Streitfräfte geruhig und gewappnet dem Feind gegenüber.| interessen dazu im Stande sind, neben den anderen Kundgebungen den Mögen die Gegner das Tänzchen wagen, nach dem es sie gelüftet. Die Sozialdemokratie fürchtet nichts und schreitet unentwegt vor­wärts zu neuen Arbeiten, zu neuen Kämpfen, aber damit auch zu neuen Erfolgen und neuen Siegen.

3. Resolution, die Kartelle betreffend.

Die Kartelle( Trusts, Ringe), wie sie in neuerer Zeit immer mehr in allen Kulturländern der Erde, insbesondere auch in Deutsch­ land  , von den Vertretern großkapitalistischer Unternehmungen gebildet

Resolutionen des sozialdemokratischen Parteitags werden, sind die natürliche Folge der Entwicklung unserer kapi­

zu Frankfurt   a. M.

1. Resolution, die Agrarfrage betreffend. Die Agrarfrage ist das Erzeugniß der modernen Wirthschafts­weise. Je abhängiger die heimische Landwirthschaft vom Weltmarkte und dem internationalen Wettbewerbe aller Ackerbauländer wird, je mehr sie in den Bannkreis der kapitalistischen   Waarenproduktion, des Bank und Wucherkapitals geräth, um so rascher verschärft sich die Agrarfrage zur Agrarkrisis. In Preußen- Deutschland   kämpft die landwirthschaftliche Unternehmerklasse, die sich in ihrem Wesen von den großgewerblichen Kapitalisten nicht unterscheidet, mit dem Land­adel. Dieser Landadel erhält sich nur noch künstlich durch Liebes­gaben, Schutzzölle, Ausfuhrvergütungen, Steuervorrechte. Trotz alle­dem ist der Untergang des ostelbischen Junkerbetriebs, der zum großen Theil durch schlechte Wirthschaft, Erbantheile und Restkaufgelder überschuldet ist, schon besiegelt. Dazu kommt der sich fortgesetzt zu­spitzende Zwiespalt zwischen Großbesiß und Kleinbäuerlicher Wirth­schaft. Die Kleinbauernschaft, bedrückt durch Militärdienst und Steuer­lasten, in Hypotheken- und Personalschulden verstrickt, bedrängt von innen und außen, kommt in Verfall. Die Schutzölle sind für sie nur ein leeres Schaugericht. Und diese Zoll- und Steuerpolitik lähmt die Kaufkraft der arbeitenden Klasse und verengt beständig den Markt des Bauern. Der Bauer wird proletarisirt. Auf der anderen Seite entfaltet sich der Klassengegensatz zwischen ländlichen Unternehmern und ländlichen Arbeitern zu immer größerer Reinheit. Eine ländliche Arbeiterklasse ist entstanden, sie ist gebunden durch feudale Gesetze, die ihr das Vereinigungsrecht versagen, die sie unter die Gesinde­Ordnung stellen, sie ist losgelöst von den alten patriarchalischen Ver­hältnissen, die in die Hörigkeit eine bestimmte Existenzsicherheit ein­schlossen. Die Zwischenschichten, grundbesitzende Taglöhner, Zwerg­bauern, die auf die Lohnarbeit als Zubuße angewiesen sind, sinken trotz aller Scheinreformen in die Klasse des ländlichen Proletariats. Mit der Erwerbsunsicherheit, dem Lohndruck und der schlechten Be­handlung, mit der Zunahme der Wanderarbeiter wächst der Zwiespalt zwischen Grundkapital und Landarbeit, das Klassenbewußtsein des Landarbeiters erwacht. So wird es zur Nothwendigkeit, daß die Sozialdemokratie sich auf das Ernsteste mit der Agrarfrage befaßt. Die Vorbedingung dazu ist die eingehende Kenntniß der ländlichen Zustände. Da diese in Deutschland   technisch, wirthschaftlich und sozial verschieden geartet sind, so muß sich die Propaganda ihnen anpassen und das Landvolk nach seiner Eigenart behandeln. Die Agrarfrage als nothwendiger Bestandtheil der sozialen Frage wird endgiltig nur gelöst, wenn der Grund und Boden mit den Arbeitsmitteln den Pro­duzenten wieder zurückgegeben ist, die heute als Lohnarbeiter oder Kleinbauern im Dienste des Kapitals das Land bestellen. Jetzt aber muß die Nothlage der Bauern und Landarbeiter durch eine gründ­liche Reformthätigkeit gelindert werden. Die nächste Aufgabe der Partei ist es, ein besonders agrarpolitisches Programm aufzustellen, das die dem Bauern wie dem Landarbeiter besonders nützlichen nächsten Forderungen des Erfurter Programms in einer dem Verständniß der ländlichen Bevölkerung angemessenen Darstellung erläutert und ergänzt. Der Bauernschutz soll den Bauern als Steuerzahler, als Schuldner, als Landwirth vor Nachtheilen bewahren. Der Landarbeiterschutz soll das Koalitions- und Vereinigungsrecht des ländlichen Arbeiters schaffen, ihn auf eine Stufe mit den gewerblichen Arbeitern stellen ( Aufhebung der Gesindeordnung) und durch eigene sozialpolitische Schutzgesetze in Bezug auf die Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen, Auf­sichtsbeamte ihn vor der zügellosen Ausbeutung bewahren. Ein be­sonderer Agrarausschuß hat dem nächsten Parteitag seine Vorschläge vorzulegen.

2. Resolution, Maifeier betreffend.

Gemäß den Beschlüssen der internationalen Arbeiterkongresse von Paris  ( 1889), Brüssel  ( 1891) und Zürich  ( 1893) begeht die deutsche Sozialdemokratie den ersten Mai als das Weltfest der Arbeit, ge­widmet den Klassenforderungen des Proletariats, der internationalen Verbrüderung, dem Weltfrieden. Zur würdigen Feier des ersten Mai erstreben wir die allgemeine Arbeitsruhe. Da aber deren Durch­führung bei der gegenwärtigen Wirthschaftslage in Deutschland   zur Zeit nicht möglich ist, so empfiehlt der Parteitag, daß nur diejenigen Arbeiter und Arbeiterorganisationen, die ohne Schädigung der Arbeiter­

talistischen Produktionsweise, die mit stetig sich beschleunigender Schnelligkeit ihrem Höhepunkt entgegeneilt.

Der Zweck dieser großkapitalistischen Produktionsvereinigungen ist, im Interesse der betheiligten Kapitalisten die Produktion zu reguliren,- d. h. durch ihre Anpassung an die Nachfrage die Preisbildung so zu be­einflussen, daß der erreichbar höchste Profit den Unternehmern zufällt. Der immer raschere Untergang des konkurrenzunfähig gewor­denen mittleren und kleineren Unternehmerthums ist die nothwendige Wirkung dieser Kapitalistenorganisationen.

Dieser durch die Kartellwirthschaft beförderte großkapitalistische Entwicklungsprozeß ist unaufhaltsam und kann durch keine reaktionären Gesetzgebungsversuche gehemmt werden. Jeder Fortschritt der Kapitals­tonzentration löst fortgesetzt größere Massen ehemals Besitzender von den Interessen des Besitzes los und lehrt die unwiderstehliche Ueber­legenheit der national und international organisirten, einheitlich ge­leiteten Produktion über die zersplitterte Produktion der freien Kon­furrenz immer eindringlicher und augenfälliger. Diese Entwicklung ist somit ein Schritt zur Verwirklichung des Sozialismus.

Dagegen werden die Kartelle eine Geißel für die Arbeiter durch die Macht, welche die ausbeutenden Kapitalisten mit Hilfe ihrer Organisation gegenüber ihren Arbeitern erwerben. Gesteigerter Lohn­druck, gesteigerte soziale und politische Knechtung werden unausbleib­lich. Es ist daher ein Gebot der Selbsterhaltung und der Menschen­würde für die Arbeiterklasse, nachdrücklich und kategorisch zu ver­langen, daß ein den Forderungen der klassenbewußten Arbeiter ent­sprechender Arbeiterschutz gesetzlich festgelegt werde; daß nicht blos alle Schranken der Koalitions- und Vereinsfreiheit fallen, sondern auch das Koalitionsrecht durch wirksame Strafbestimmungen gegen die Uebergriffe des Unternehmerthums gesichert werde, und daß durch fortschreitende Demokratisirung der Reichs-, Staats­und Gemeindeverwaltungen immer mehr der Wille der stetig wachsenden Masse der wenig oder nichtsbesitzenden Konsumenten maßgebend wird, deren Interessen in schneidendem Gegensatz stehen zu den Interessen einer Handvoll übermächtiger Kapitalisten. 14. Resolution, die Förderung der Frauenagitation betreffend. In Anbetracht, daß das wachsende Eindringen der Frauen in die Industrie die wachsende Verdrängung der Männer aus derselben zur Folge hat;

Ferner in Anbetracht, daß diese Konkurrenz der Frauen ein stetes Sinken der Löhne bei gleicher Leistung der männlichen Arbeiter herbeigeführt hat, und daß diese Bewegung nur zur Ruhe gelangen fann, wenn entweder die Entlohnung der Arbeiterin auf das Niveau der Entlohnung des Arbeiters endgiltig hinaufgehoben oder aber die Entlohnung des Arbeiters zu dem Niveau derjenigen der Arbeiterin endgiltig herabgedrückt ist, die Beschleunigung der Frauenorganisation also eine Nothwendigkeit geworden ist, verpflichtet der Parteitag die Genossen in Gemäßheit des Erfurter Programms, welches die Gleich­berechtigung der Frauen als eines unserer Ziele ins Auge faßt, mit aller Kraft in die Frauenagitation einzutreten und besonders die Presse zu veranlassen, diese unsere Bestrebung mehr als bisher zu unterstützen. Ferner sind, wo es irgend geht, auch weibliche Vertrauens­personen zu ernennen* und mehr als bisher die Agitation unter den Frauen durch Frauen zu fördern. Ganz besonders aber ist der An­schluß der Frauen an die Organisation der Männer thunlichst zu bewerkstelligen.

5. Sympathie- Adresse an die italienischen Genossen.

Der Parteitag versichert den italienischen Genossen, welche soeben von einem brutalen Gewaltstreich des Renegaten Crispi betroffen wurden, seiner brüderlichen Sympathie. Der Parteitag ist der Ueber­zeugung, daß die italienischen Genossen aus dem Kampfe gegen die rohe Unterdrückung nach Bismarck  'schem Muster als Sieger hervor­gehen werden.

* Gemeint ist, daß an Stelle der laut richterlichen Entscheids un­möglich gewordenen Frauen Agitationsfommissionen besondere weibliche Vertrauenspersonen gewählt werden, welche für die regelmäßige und metho­dische Förderung der politischen Aufklärung und gewerkschaftlichen Organi­sation des weiblichen Proletariats wirken. Diese weiblichen Vertrauens­personen sind nicht zu verwechseln mit den seitens der Parteigenossen zu wählenden männlichen oder weiblichen Vertrauenspersonen.