Fall in Sachsen , daß eine Frau eine amtliche Anstellung an den Ortskrankenkassen erhalten hat. Unser Streben geht dahin, auch die Anstellung weiblicher Aerzte an der Kasse durchzusetzen. Allein im Reiche des zopfigsten Vorurtheils dem weiblichen Geschlecht gegenüber werden wir leider wohl unseren Wunsch noch nicht so bald verwirklicht sehen. E. L.
Es wird fortgerettet. Die letzte Mitgliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen in Weißensee, in welcher Genossin Baader referirte, ward Punkt 10 Uhr aufgelöst, weil der Wirth des Lokals Polizeistunde hat. Wenn jetzt dem preußischen Staat nicht geholfen ist und zwar gründlich!!
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Einen trefflichen Beschluß faßte der ArbeiterbildungsVerein von Neuwied a. Rh. Er wandelte sich in einen Volks= bildungs- Verein um, dem Frauen beitreten können. Der Verein hat bereits mehrere weibliche Mitglieder aufgenommen. Bravo!
Fortschritt bezüglich der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterinnen. Die neunte Generalversammlung des Verbandes der Glacehandschuhmacher, welche Anfang November in Halberstadt tagte, beschloß die Aufnahme weiblicher Mitglieder( Hilfsarbeiterinnen) in die Organisation. Das Eintrittsgeld ist auf 25 Pfennig, der wöchentliche Beitrag auf 5 Pfg. festgesetzt. Dafür erhalten die Arbeiterinnen die Hilfe des Verbandes bei Lohnstreitigkeiten und das wöchentlich erscheinende Verbandsorgan„ Der Handschuhmacher". Bei Arbeitseinstellungen und Maßregelungen wird den weiblichen Mitgliedern pro Tag 70 Pfennig Unterstüßung zu Theil. Hoffentlich wirken die Handschuhmacher in thatkräftigster Weise dafür, daß dieser Beschluß nicht blos auf dem Papier bestehen bleibt. Hoffentlich nüßen die Arbeiterinnen des Gewerbes die Möglichkeit aus, durch Beitritt zu der Organisation ihrer Berufsgenossen ihre Interessen dem Unternehmerthum gegenüber kräftig vertheidigen
zu können.
Sozialreformatorisches Flickwerk.
F. H. Jn letzter Zeit entdecken die bürgerlichen Kreise häufiger ihr Herz" für die Arbeiterklasse. Bürgerliche Sozialpolitiker aus Neigung oder Beruf hecken Plan auf Plan aus, wie die Besitzenden den„ ärmeren Brüdern und Schwestern" recht handgreiflich durch ,, wohlthätige" Einrichtungen beweisen fönnen, daß eitel Wohlwollen mit ihnen im Herzen und hellste Einsicht in ihre traurige Lage im Hirn der oberen Zehntausend wohnt. Gewiß, manches warme Mitgefühl mit der zum Himmel schreienden Noth weiter Volksschichten
Vor seinem Weggehen hatte der Armenarzt der Familie gesagt, daß das Kind die Nacht nicht überleben würde. Die Mutter hatte die Mittheilung hingenommen wie etwas Alltägliches, wie es ihr in der That auch nichts Neues mehr war, hatte sie doch schon drei Kinder an derselben Krankheit, der Schwindsucht, wegsterben sehen. Dent Manne, der, die Hände in den Haaren vergraben, am Tische gesessen, und den beiden älteren Kindern, blassen, kraftlosen Buben im Alter von zehn und zwölf Jahren, die unschlüssig und einigermaßen erschrocken in der engen Stube hin- und hergetrippelt waren, hatte die Frau gesagt:" Legt Euch nur nieder. Helfen fönnt Ihr ja doch nicht, und morgen müßt Ihr wieder an die Arbeit gehen. Ihr habt den Schlaf nöthig." Der Mann hatte darauf erwidert:" Wecke mich auf, wenn..." und hatte, ohne den Satz zu vollenden, eine Handbewegung nach dem kranken Kinde hin gemacht.„ Ja, ja", hatte sie sich zu sagen beeilt.„ Jetzt geh' schlafen." Mit schweren Schritten war der Mann zum Bette hingegangen und hatte sich in den Kleidern auf das Lager fallen lassen. Die beiden Knaben schliefen in der Küche, in Einem Bette. Sie lagen dicht aneinander gerückt und hatten die Federndecke bis über die Ohren gezogen... es war ihnen immer falt. Der Vater war ebenfalls eingeschlafen. Einsam wachte die Mutter bei ihrem sterbenden Kinde.
Draußen war es still. Mitternacht hatte es geschlagen, und in dem armseligen Vororte Wiens, in welchem die Familie wohnte, ging es um diese Stunde, zumal mitten in der Woche, wo die schwere Tagesarbeit den Schlaf der Nacht gebieterisch fordert, ungemein ruhig her. Auch in der engen Stube herrschte Stille im Vergleich zum Tage. Der Webstuhl, der Ernährer der Fa
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und mancher redliche Wille, hier Hilfe zu bringen, sucht sich in den betreffenden Bestrebungen zu bethätigen. Aber im Großen und Ganzen sind dieselben doch nur ,,, der Noth gehorchend, nicht dem eigenen Trieb", hervorgerufen durch die Angst vor der Sozialdemokratie, durch den Wunsch, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Und im Allgemeinen verfolgen sie in erster Linie nicht den Zweck, das harte, elendreiche Geschick der werkthätigen Masse zu erleichtern, sondern sie sind bestimmt, den seufzenden und murrenden Lohnsklaven den Mund zu stopfen, ihnen über das Wesen der heutigen Gesellschaft Sand in die Augen zu streuen, sie abzuhalten vom Kampfe für eine gerechte, vernünftige Neuordnung der Dinge. Deshalb wollen sie der verelendenden Masse helfen, ohne die Vorrechte der kapitalistischen Minderheit anzutasten; Brosamen sind es, die sie von der Reichen Tische den Armen zuwerfen, nicht mehr. Und deshalb auch so nützlich auch hin und wieder eine solche Wohlthat" dem Einzelnen sein mag sind sie außer Stande, das Massenelend wesentlich zu lindern, geschweige denn es zu beseitigen.
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Dies zeigt sich auch bei den bürgerlichen Kurpfuschereien, welche dem Proletariat ein winziges Fetchen des Familienlebens zurückgeben sollen, das ihm die kapitalistische Ausbeutung, das ihm die bürgerliche Gesellschaft raubt. Das Verkümmern, die Zersetzung des proletarischen Familienlebens tritt so fraß in Erscheinung, daß hier und da in der bürgerlichen Welt die Einsicht aufdämmert, es müsse Wandel geschaffen werden. Aber die Ursache der Erscheinung selbst sehen die Möchte- gern- Reformler nicht oder wollen sie nicht sehen. Daher bleiben ihre Bestrebungen von vornherein zur Wirkungslosigkeit verurtheilt. Und doch sind die Ursachen der Erscheinung mit Händen zu greifen; die kapitalistische Ausbeutung der proletarischen Arbeitskraft überhaupt, ganz besonders aber die rücksichtsloseste Ausnützung der Frau in Fabrik und Werkstatt, sowie bei der Heimarbeit, zeitigen den Verfall des Familienlebens er breiten Masse. Hier muß die Hand ans Werk gelegt werden, wenn man ernstlich Besserung bringen will. Allein statt den einzigen Weg einzuschlagen, der zum Ziele führt, statt darauf hinzuwirken, daß die Proletarier in Gestalt von höherem Lohn und kürzerer Arbeitszeit die Möglichkeit für ein besseres Familienleben erhalten, wähnen die bürgerlichen Sozialreformler durch Haushaltungsunterricht und Kochschulen Heilung zu bringen. Ihrer Auffassung nach ist ja die schlechte Wirthschaftsführung der proletarischen Frau schuld daran, wenn das Familienleben des Arbeiters flöten geht. Dieser Auffassung liegt eine ebenso bequeme als kurzsichtige Verwechslung von Ursache und Wirkung zu Grunde, gerade aber deshalb pflichtet ihr das Unternehmerthum jubelnd bei.
milie, ruhte aus bis zum Morgen, und die Frau schaute ihn von Zeit zu Zeit von der Seite an, als wenn sie fürchtete, er möchte sich von selber in Bewegung seßen und ihr Kind aufs Neue quälen durch sein eintöniges und lautes Geräusch.... Wie oft hat das arme Ding sich die Ohren zugehalten und gejammert:" Mutter, dieser Lärm thut mir so weh!" Dann hatte der Vater wohl auf ein paar Augenblicke innegehalten in der Arbeit und nach dem Kinde hingesehen.... Dann aber hatte er die Achseln gezuckt und mit merklich zitternden Händen weitergearbeitet.
Die Frau legte die hand vor die Augen. Ja, wenn es möglich gewesen wäre! Sie hatte oft darüber nachgedacht und auch mit ihrem Mann davon gesprochen:„ Wenn Du in die Fabrik arbeiten gingest, so lange wir das Kind noch haben, das wäre doch besser für uns alle." Darauf hatte er so ruhig, wie man eben von unabänderlichen Dingen spricht, entgegnet:„ Der Weg zur Fabrit ist weit. Mit dem Hin- und Hergehen verliere ich täglich zwei Stunden. Auch arbeiten sie dort täglich höchstens zwölf Stunden lang, an Montagen und Samstagen noch weniger, während ich zu Hause vom frühen Morgen bis in die Nacht thätig sein kann. Dort verwenden sie auf die Mahlzeiten zwei volle Stunden hier bin ich in einer halben Stunde mit allem Essen fertig; also eine neue Zeitersparniß. In der Fabrik benöthige ich ein Kind als Hilfsarbeiter, dem ich einen Theil des Lohnes ausbezahlen muß. Meine Buben sind noch zu jung, um dort arbeiten zu dürfen, ich kann sie folglich nicht mitnehmen, um mir von ihnen helfen zu lassen. Daheim darf ich's thun. Wenn sie aus der Schule kommen, greifen sie schon wacker zu bei der Arbeit. Und auch Du kannst mithelfen, wenn Du gerade nichts Anderes zu thun haft.... Das wäre ebenfalls nicht möglich, wenn wir den Stuhl nicht im Hause hätten. Rechne also Alles zusammen: in der Fabrik würde ich nicht mehr als fünf oder sechs Gulden