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des Allgemeinen Arbeiterinnenvereins: Kassen- und Thätigkeitsbericht",| interne Angelegenheiten; Ottensen  , Mitgliederversammlung des Ver­bands der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen: Die Macht des Geldes"( Genosse Baerer); Schöneberg  , Mitgliederver­sammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: Die Frauen und der Kapitalismus"( Genossin Mesch); Uhlenhorst  , Mitglieder­versammlung des Zentralvereins der Frauen und Mädchen Deutsch­ lands  : Die Frau im Mittelalter und in der Gegenwart"( Genossin Augustin); Vorstandswahl. Gewählt wurden die Genossinnen: Augustin, Pelz, Hofstetter, Reumann, Enterlein; Veddel- Rothenburgsort, Mitgliederversammlung des Zentralvereins für die Frauen und Mäd­chen Deutschlands  : Urgeschichte und Kulturentwicklung"( Genossin Blohm); Weißensee, Mitgliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: Religion und Sittlichkeit im Lichte der Naturwissenschaft"( Genosse Dr. Joël).

- Gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen. Der Fachverein der Berliner   Lederarbeiter beschloß eine Statuten­änderung, laut deren nun an der Organisation auch die Arbeiterinnen des Gewerbes als Mitglieder beitreten können. Hoffentlich begnügt sich der Verein nicht damit, den Beschluß schwarz auf weiß" nach Haus zu tragen, sondern seine Mitglieder wirken ständig dahin, daß ihre Erwerbsgenossinnen der Organisation zugeführt werden.

Neue Verslein zum alten Lied von der lieben Polizei und den hohen Obrigkeiten.

In München   wurde der, Allgemeine Frauen- Bildungs­verein" polizeilich aufgelöst. Grund zu der beliebten Maßregel ist natürlich Verfehlung gegen das Vereinsgesetz, das den Frauenorga­nisationen die Erörterung politischer Fragen verbietet. Der Frauen­Bildungsverein soll sich selbiger Todsünde durch zwei in seinen Ver­sammlungen abgehaltene Vorträge schuldig gemacht haben. Der eine dieser Vorträge behandelte: Die Frauenfrage auf dem internationalen Züricher Kongreß", der zweite erörterte die Frage: Muß dem Volke die Religion erhalten bleiben?" Wie man sieht, macht der freisinnige" Bürgermeister von Nürnberg   mit seinem Kampf gegen die umstürz­lerischen" Unterröcke in Bayern   Schule.

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In Elberfeld   mußte der Bildungsverein für Frauen und Mädchen" gleichfalls verbrannt" werden. Derselbe war be­kanntlich bereits im Januar dieses Jahres von den Behörden ge­schlossen worden, weil er politische Angelegenheiten in seinen Ver­sammlungen erörtert haben sollte. Gleichzeitig hatte man wegen der nämlichen Morithat gegen die Mitglieder des Vorstandes Anklage erhoben. Das Schöffengericht hat in der Angelegenheit nun kürzlich die Schließung des Vereins ausgesprochen und seine Vorsitzende, Ge­

Des Volkes Heil.

Von Robert Seidel.

Kein Heiland ist uns je erschienen Hus fernen Himmels weitem Schooß, Kein Heiland hat den Arbeitsbienen Gelindert ihrer Knechtschaft Loos; Kein Heiland wird herniedersteigen Vom thränenlosen Sternensaal, Um schmerzenskundig sich zu neigen Erlösend aller Armen Qual.

Nur aus der Schmerzen heißen Gluthen, Huflohend aus des Volkes Schacht, Entsteigen kann der Held des Guten, Der Führer durch der Leiden Nacht; Erlösung sproßt aus dunklen Tiefen, Hus der Gedrückten Thränenborn, Gleich Halmen, deren Keime schliefen In feuchter Gruft als sterbend Korn. Der Armen Heiland ist der Arme, Der helfend theilt sein Stückchen Brot, Und Ueberwinder jedem Harme Die eine liebumfloss'ne Noth.

O hofft nicht mehr auf Heilands Kommen Hus lichter Höh' von Gott   gesandt! Das Volk allein muß ihm zum Frommen Sich Heiland sein in jedem Land.

Und wenn einst jedes Volk geworden Erlöser sich aus Drang und Noth, Erblüht ein einz'ger Bruderorden Der Menschen all' im Morgenroth, Und Friedensengel werden winden Den Oelzweig um des Kriegers Pfeil, Und Jubellieder schallend künden: Erschienen endlich ist das Heil.

nossin Voigt, zu 30 Mark Strafe oder 6 Tagen Haft verurtheilt. Das Erkenntniß stützt sich darauf, daß sich der Verein mit politischen Fragen beschäftigt habe, wenn auch nicht in geschlossenen Ver­eins Versammlungen, so doch in von ihm einberufenen öffentlichen Versammlungen. Einem Urtheil des Kammergerichts zu Folge seien aber solche öffentliche Versammlungen den Vereins­Versammlungen gleichzustellen. Der gesetzwidrige Thatbestand ist zwar sehr kühn zusammengeklaubt, reichte aber nichtsdestoweniger zur Be­gründung des mitgetheilten Urtheils aus, von Rechts wegen". Be­merkt sei noch, daß die übrigen angeklagten Vorstandsmitglieder frei­gesprochen wurden, weil sie neu gewählt waren und nicht erwiesen ward, daß während ihrer Amtsthätigkeit neue Mitglieder aufge­nommen worden sind.

In Strießen bei Dresden   entzog der Ueberwachende unserer Genossin Eichhorn das Wort, als sie in ihrer Eigenschaft als Dele­girte auf dem Frankfurter   Parteitag über die Maifeier sprach. Als Antwort auf deren Warum dieser eminent staatsretterischen Maß­regel finden wir nur: Geheimniß und Pickelhaubenweisheit.

Staat und Ordnung waren zu Ilmenau   Ende September dieses Jahres schwer gefährdet worden. Genossin Steinbach- Ham­burg sollte daselbst in öffentlicher Volksversammlung referiren. Die fürsorgliche Polizei verbot die Versammlung. Am gleichen Tage fand eine Vereinsversammlung des Schneiderverbandes statt, dessen Mitglied Genossin Steinbach ist. Auf eine erfolgte Einladung hin wohnte Genossin Steinbach dieser Versammlung bei. Dieser Thatbestand erschien dem Ueberwachenden so gefährlich, daß die Versammlung aufgelöst ward und 24 Theilnehmer Strafmandate von je 30 Mart, der Vorsitzende und die Referentin aber von je 50 Mark erhielten. Auf eingelegte Berufung gegen diese Verfügung hatte Ende November das Schöffengericht in der Angelegenheit zu erkennen. Die Anklage lautete auf Theilnahme an einer unter ortsüblicher Bekanntmachung verbotenen, dessen ungeachtet aber abgehaltenen öffentlichen sozial­demokratischen Volksversammlung. Die Verhandlungen ergaben, daß eine öffentliche Volksversammlung nicht stattgefunden hatte, und daß die Angeklagten nicht beabsichtigten, ein Verbot zu umgehen oder ihm zuwider zu handeln. Das Gericht nahm daher an, daß es sich um eine bloße Vereinsversammlung gehandelt habe, die jedoch ihres sozial­politischen Charakters wegen 12 Stunden vorher unter Angabe von Zeit und Ort hätte polizeilich angemeldet werden müssen. Wegen letzterer Unterlassungssünde wurde der Vorsitzende der Versammlung zu 75 Mark Strafe und zur Tragung der auf sein Theil entfallenden Verhandlungskosten verurtheilt. Die übrigen Angeklagten wurden freigesprochen. Gegen das Urtheil ist Berufung angemeldet.

Modernes Bethlehem  .

Der im falten Schein glänzende, rauhfrostglitzernde Tag war nach kurzem Leben der Nacht gewichen. Einer klaren, schönen Winter­nacht, einem echten, rechten Weihnachtsabend.

Hell, gleichgiltig und kalt", funkeln die Sterne hernieder. Blen­dend glitzzert der festgefrorene Schnee, es glitzern in märchenhafter Pracht die mit einem feinen Gewirr starrender Eisnadeln besetzten Bäume der Plätze und Alleen. In vornehm- hochmüthiger, form­forrefter Steifheit spreizen sich an den Fontänen der Squares lange Eiszapfen, und einem Schauder gleich läuft hier das Leuchten eines Sternes, dort das unruhige Flackern der Straßenlaternen oder der irrwischartig vorüberhuschende Schein eines Wagenlichts über ihren schlanken Leib.

Dunkel, geschlossen, wie müde, liegen die Läden da, die noch soeben Lichtwelle auf Lichtwelle über das Trottoir schleuderten. Einer Heerde schlafender, fröstelnd und mürrisch in sich zusammengehockter Thiere gleich drängen sich die Buden auf dem großen freien Blaze der Stadt und den dahin führenden Hauptstraßen. Verwogt ist der drängende, hastende Menschenstrom, das bunte Neben- und Durch­einander von Schauen, Prüfen, Feilschen und Kaufen, von sehnsüch tigem Begehren und schmerzlichem Verzichten, von reichen Einkäufen und geringer Freude. Harziger Tannendust, ein Grüßen des Waldes da draußen, flattert um die Häuser.

In den Wohnungen sind die Lichter des Weihnachtsbaumes er­loschen; verklungen sind die Kindermelodien zu Ehren des Christ­finds; verstummt ist der Jubel der Kleinen, die mit jauchzendem Entzücken Baum und Geschenke umtanzten. Nun schlafen sie mit glänzenden Wangen, und freundliche Träume spinnen ihr Glück weiter. Ach, nicht allen Kindern hat Weihnachtsfreude geleuchtet! Viele, gar viele harrten umsonst mit klopfenden Herzen des Christkindchens.

Von den in steinerner, zierlicher Filigranarbeit aufsteigenden Thürmen des Domes schwebt Glockenton hernieder zur Stadt und ruft zur feierlichen Christmette. Bald funkelt das hohe Kirchenschiff