Nr. 2 der ,, Gleichheit" gelangt am 23. Januar 1895 zur Ausgabe.
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von den Brauerproßen so grausam aufs Pflaster geworfenen Arbeiter werden wieder eingestellt, auch die 33 Rädelsführer", von deren Wiederbeschäftigung bis vor Kurzem die Bierringler durchaus nichts wissen wollten. Die Brauereien gründen außerdem einen Arbeitsnachweis, bei dessen Verwaltung und Entscheidungen die organisirten Brauarbeiter als gleichberechtigter Machtfaktor mitzusprechen haben, und der eine Reihe von Bestimmungen enthält, welche für die Arbeiter sehr wichtig und werthvoll sind. Angesichts der politischen Kämpfe, welche dem deutschen Proletariat bevorstehen, war die Beendigung des Boykotts eine Nothwendigkeit, und daß er mit einem für die Arbeiter so ehrenvollen und gewinnreichen Frieden endete, ist ein den Gegnern höchst unlieber Beweis von der Macht der organisirten Arbeiterschaft. Die organisirten Berliner Arbeiter, deren fraftvoller Thätigkeit, geduldiger Arbeit und großer Opferfreudigkeit der errungene, sozialpolitisch bedeutsame Erfolg zu verdanken ist, haben sich um die Sache des Proletariats wohl verdient gemacht.
Der erste nationale Kongreß der Bergarbeiter Deutsch lands tagte am 26. und 27. Dezember in Essen . Er beschloß auf Grund eingehender und sachlicher Verhandlungen: die dringende Nothwendigkeit der Einführung der Achtstundenschicht, einschließlich der Ein- und Ausfahrt, das Verbot der Frauen und Kinderarbeit in den Bergwerken, das Verbot von Ueberschichten, die Schaffung eines einheitlichen deutschen Berggesetzes, einer einheitlichen Knappschaftstasse und Arbeitsordnung, sowie die Einsetzung von staatlich besoldeten Grubenkontrolleuren, welche von den Arbeitern frei gewählt werden. Zur Frage einer Vereinigung aller Organisationen beschloß der Kongreß, den Verband deutscher Berg- und Hüttenarbeiter als richtige Organisation anzuerkennen und mit aller Energie für seine Kräftigung zu wirken. Wir werden in einem besonderen Artikel auf den sehr wichtigen Kongreß zurückkommen, auf welchem unter Andern auch über die Frauenarbeit in den Bergwerken geradezu schmachvolle Zustände zu Sprache famen.
Dem Verdienste seine Krone, der Krone ihre Dotation. Der König von Preußen erhielt bis zum Jahre 1888 eine Krondotation von 124 Millionen Mark. In Anbetracht der Theuerungsverhältnisse erhöhte das Abgeordnetenhaus im genannten Jahre diese Dotation auf 15 919 296 Mart. Bayern hat eine Krondotation von 5 647 913 Mart, Sachsen eine solche von 3 332 036 Mark. Auch die Landesväter der übrigen deutschen„ engeren Vaterländer" sind bezüglich ihrer Krondotationen nicht geradezu schlecht gestellt. Die Krondotationen sämmtlicher deutschen Fürsten werden zusammen auf 40 Millionen Mark veranschlagt. Der Präsident der Schweiz hat ein Jahresgehalt von 12 000 Mark, derjenige der riesigen nordameri kanischen Republik ein solches von 200 000 Mark und der französische Präsident bezieht jährlich 1440 000 Mart. Das Gottesgnadenthum ist uns Deutschen mit Recht eine„ theuere" Einrichtung.
Die Großzüchtung einer Schmutzkonkurrenz für die Arbeiterinnen der Plauen 'schen Maschinenstickereien scheint erfolgreich vor sich zu gehen. Wie der Fabrikantenverein der Spitzen- und Stickerei- Industrie mittheilt, hat er bis jetzt 165 Arbeiterinnen von auswärts in den Fabriken untergebracht. Da außerdem ohne seine Vermittlung mehrere Hunderte von Arbeiterinnen nach Plauen gekommen sind, so beträgt die Zahl der auf dem Markt erschienenen auswärtigen weiblichen Arbeitskräfte 500 bis 600. Nun können die Herren Fabrikanten daran gehen, frisch, fromm, fröhlich, frei, nach echter internationaler Kapitalistenſitte die„ Stickerei- Industrie zu heben", d. h. die Löhne der Arbeiterinnen bedeutend herabzudrücken und dadurch ihre satrosankten Profite zu steigern. Denn das war und ist des Pudels Kern.
Zum Kapitel vom Wahnwik des Prozenthums. Bekanntlich werden im Winter die Pferdebahnschienen in den meisten Städten vom Schnee durch Salz befreit, das diesen rasch zum Schmelzen bringt. Da in der Folge die Füße der Hunde leicht wund werden, so ist ein findiger" Kopf auf den Gedanken gekommen, die theuren Neros und Dianas durch Gummischuhe zu schützen. Diese Gummischuhe sind sehr theuer und kommen natürlich nur an die Pfoten„ edler" Thiere, plebejische Köter gehen nach wie vor„ barfuß“. Gummischuhe
für Hunde! Wie lichtvoll illustrirt diese Thatsache nicht den Wahnwiz des Prozenthums und den Wahnwiß unserer gesellschaftlichen Verhältnisse. Hunde werden fürsorglich mit Schuhen bekleidet, vorausgesetzt natürlich, daß es bessere" Hunde,„ vornehme" Hunde, Hunde von Rasse" sind. Hunderttausende von Kindern gehen ohne Schuhe oder mit zerrissenem Schuhwerk durch Wetter und Wind, weil es Kinder der„ ,, Kanaille", Kinder der Klasse sind, für welche bei dem jetzt üblichen„ Theilen" nur die Knochen des gesellschaftlichen Reichthums abfallen, den sie selbst erzeugt.
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Ihr Schäfchen ins Trockene bringen auch die Leipziger Zwischenmeister der Konfektionsbranche, natürlich auf Rosten der Arbeiterinnen. Die Firma Steckner zahlt z. B. dem Zwischenmeister 12, 14 und 15 Mark für einen Mantel, für dessen Anfertigung dieser die Arbeiterin mit 5 bis 6 Mark entlohnt. So kommt es, daß der " Herr Meister" in der Woche nicht selten 200 Mark verdient", während sich die Arbeiterin mit einem Verdienst von 7 bis 8 Mark begnügen muß. Auf Seiten der Arbeiterin die Entbehrungen, auf Seiten des Unternehmers der Lohn, so kommt der von den Bourgeoisökonomen vielbesungene„ Entbehrungslohn" des Kapitalisten zu Stande.
Den Kämpfern für Ordnung, Familie und Eigenthum kommt als Material zur Begründung der„ Umsturzvorlage" sicherlich der folgende Brief sehr gelegen, den die„ Berliner Volks- Zeitung" in deutscher Uebersehung veröffentlichte, und den eine polnische Dienstvermittlerin an einen Grafen D. in Lemberg sandte. Er lautet:
" Hochmögender Herr Graf!
Ich teile Ew. Hochwohlgeb. Hochedelgeb. mit, daß ich ein Stubenmädchen für Sie habe, es ist ein Mädchen von herrlichem Körperbau, wunderschönen 7 eine Brünette mit schwarzen, großen Augen, sie hat eine sammtweiche Haut wie ein Kätzchen. Es zählt 17 Jahre und stammt aus der besseren Klasse. Ein derartiges Prachtexemplar hatte ich schon lange nicht; ersuche daher Ew. Hochwohlgeb. Herrn Grafen, sich zu beeilen; ein Mädchen von solcher Rasse, die alles schön hat, ist selten zu finden. Heute um 8 Uhr ist sie zu treffen, der Herr Graf werden sicher an ihr Gefallen finden und sie eine Zeit lang aushalten.
Pfui Teufel!!
Ihre ergebenste Dienerin M. T."
Bei den letzten Wahlen zu dem Londoner Schulrath waren seitens der Sozialdemokratischen Föderation" drei und seitens der Arbeiterpartei" zwei Randidatinnen aufgestellt worden. Eine von ihnen, Frau Bridges Adams, unterlag mit der großen Minorität von 16638 gegen 19604 Stimmen. Die übrigen kandidirenden Frauen erhielten zwischen 1303 und 9217 Stimmen.
Frauenstimmrecht in den Vereinigten Staaten . Nach Wyo ming und Colorado hat nun kürzlich auch das den Vereinigten Staaten einverleibte Utah auf Antrag aller Parteien den Frauen das Stimmrecht verliehen. Die Staaten Kansas , North Dacota und Illinois werden voraussichtlich gleichfalls demnächst die nämliche Reform durchführen. In Deutschland ist die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts allen Parteien mit einziger Ausnahme der Sozialdemokratie - ein Greuel und Scheuel, im besten Falle eine Thorheit nur. Die deutschen bürgerlichen Frauenrechtlerinnen haben es noch nicht einmal bis zu einer einmüthigen und energischen Forderung der politischen Rechte gebracht. Dafür ist das deutsche klassenbewußte Proletariat, ohne Unterschied des Geschlechts, von der Bedeutung und Nothwendigkeit der politischen Gleichberechtigung der Frau durchdrungen und wird sie erkämpfen trotz der erbärmlichen Schwäche der deutschen Frauenrechtelei und trotz der bornirten Kraft des zopfigen deutschen Philisters.
Quittung.
Zu Agitationszwecken 20 Mark durch Genossin Heidtmann in Ottensen erhalten zu haben, bescheinigt dankend
Zur Beachtung.
Alle für die Berliner Frauen- Agitations- Kommission bestimmten Briefe, Geldsendungen zc. sind zu richten an:
frin. Ottilie Baader , Berlin NO,
Weberstraße 24, Hof, Querg., 1 Treppe.
Die zahlreichen Glückwünsche, welche mir zum Neujahr zugegangen sind, erlaube ich mir auf diesem Wege herzlich dankend zu erwidern. Stuttgart .