warten haben, wie der Gewerbeinspektor Jäger in Köln . Genosse Wurm geißelte auf Grund der Berichte der Fabrikinspektoren die Aus­beutung proletarischer Arbeitskraft durch das Unternehmerthum. Be­sonders eingehend brandmarkte er die schamlose Ausnutzung der kind­lichen Arbeiter, welche die Fabrikbarone mit frechster Verhöhnung der gesetzlichen Bestimmungen praktiziren, indem sie entweder die Fabrik­inspektoren über das Alter der Kinder belügen oder aber diese in der Hausindustrie gegen Bettelpfennige beschäftigen. In Anschluß an ihre Bemängelung der heutigen Fabrikinspektion erhoben unsere Ge­nossen eine Reihe positiver Reformforderungen. Sie traten ein für die Trennung von Fabrikinspektion und Kesselrevision, für die An­stellung von Arbeitern und Arbeiterinnen als Fabrikinspektoren, für die Zuerkennung der Erekutivgewalt an die Gewerbebeamten, für die Vermehrung des Stabes der Inspektoren, für die Ausdehnung der staatlichen Aufsicht auf die Hausindustrie und das Handwerk, für das gesetzliche Verbot jeder Kinderarbeit 2c. In trefflichen Ausführungen begründete Genosse Wurm eingehend die Forderung, auch Frauen, und zwar praktisch erfahrene Arbeiterinnen, als Fabrik­inspektorinnen anzustellen. Die Erfahrungen, welche man in Amerika , England und Frankreich mit weiblichen Gewerbebeamten gemacht habe, seien die allergünstigsten, und die geforderte Reform liege im Interesse weitester Frauenkreise. Auch die Nothwendigkeit, nicht blos Bureaukraten und Techniker mit der Gewerbeaufsicht zu betrauen, vielmehr Arbeiter, wurde unter Hinweis auf die diesbezüg­lichen Verhältnisse in England von unseren Genossen betont. Den Interessen der Arbeiterschaft entsprechend müßten jedoch, wie klar hervorgehoben ward, Arbeiter und Arbeiterinnen selbst bei der Er­nennung dieser Beamten ein ausschlaggebendes Wort zu sprechen haben. Durchaus berechtigt und bescheiden sind die Reformen, welche die Sozialdemokratie im Interesse der deutschen Arbeiterklasse bezüglich des Fabritinspektorats fordert. Ihnen steht das Gingeständniß gegen­über, daß das Bischen sozialreformatorische Spiritus des Neuen Kurses zum Teufel gegangen, und daß nur die Unternehmerfreundlichkeit ge= blieben ist. Nur durch zähen, besonnenen und ausdauernden Kampf wird die deutsche Arbeiterklasse die unabweisbare weitere Ausgestal tung des gesetzlichen Arbeiterschutzes, den Ausbau und die Reform des Fabrifinspektorats erzwingen.

während welcher die Verlegenheit des Gärtners nur größer ge= worden war.

Er zerdrückte die Müze in den Händen; setzte die Füße fester auf die Erde, richtete sich gerade in die Höhe und sagte, sich ein Herz fassend:

" Das ist die Sache. Ich wollte der gnädigen Frau bemerfen, daß der Lohn nicht hoch genug ist im Verhältniß zur Arbeit; es ist zu wenig, damit kann man nicht auskommen."

" Ihr vergeßt, daß Ihr freie Wohnung habt, daß Ihr das Brennmaterial bekommt, auch Obst und Gemüse; ich gebe auch wöchentlich ein Dußend Eier und täglich einen Liter Milch."

" Oh! gnädige Frau geben die Eier und die Milch!" Und er sah nach seiner Frau, als ob er sich mit ihr berathen wolle. " Nun ja, das ist gewiß etwas, das läßt sich hören, das spürt man in einem Haushalt."

Die Frau sagte schüchtern:

" Ja, das hilft noch, es ist wahr und man bekommt ja gewiß zu Neujahr und am Johannistag auch ein Geldgeschenk."

,, Nein, nichts!"

11

Es ist doch überall so Brauch?"

Bei mir nicht."

Die Gnädige hatte diese Worte so bestimmt gesprochen, daß die Beiden wohl merkten, ein weiteres Eindringen wäre nußlos.

Sie fuhr nun fort:

,, Seit wann seid Ihr verheirathet?"

,, Seit vier Jahren."

" Ihr habt keine Kinder?"

,, Wir hatten ein kleines Mädchen, das gestorben ist." " Gut, ganz gut", sagte die Gnädige nachlässig. Nach einer fleinen Bause hob sie wieder an:

" Ihr seid aber Beide jung, Ihr könntet noch welche be= tommen."

" Ha, freilich, man weiß nicht. Dazu kann man leichter kommen, als zu hundert Thaler Renten."

Die Augen der Gräfin blickten streng.

37

Aus dem Reiche der Prügelfreunde. Liebe Ruth', Mach' mich gut,

Mach' mich fromm,

Daß ich in den Himmel komm!"

M. Kt. Dieses fernige Sprüchlein, das die Ruthe als Erziehungs­mittel zur Gottseligkeit preist, ist nach den glaubwürdigen Mittheilungen verschiedener Pädagogen noch heutigen Tags in manchen deutschen Gegenden als Kinder gebet üblich. Wie würde den frommen Prügel­freunden das Herz im Leibe lachen, wenn den Erwachsenen, die ihrer Botmäßigkeit unterstellt sind, dies Sprüchlein ebenso geläufig würde wie das Vaterunser! Prügel, tüchtige Prügel sind in ihren Augen das einzige Mittel zur Besserung der sündigen Menschheit, insoweit diese aus Arbeitern, Dienstboten, Tagelöhnern und anderen ausge­beuteten Arbeitskräften besteht. Wenn es nach ihnen ginge, dann würden die Prügelhelden mit Kantschuh und Peitsche die Welt regieren und allen aufsässigen Elementen unbedingten Gehorsam, Bereitwillig­feit zu billiger Arbeit und blinde Unterwerfung unter den Willen von Ausbeutern und Vorgesetzten" einbläuen. Leider aber wandelt die Gesetzgebung noch in den Bahnen einer falschen Humanität und beschränkt das Prügelrecht. So sehen sich denn die Prügelfreunde genöthigt, von Zeit zu Zeit den Ruf zu erheben: Mehr Prügel her, mehr Prügel für das Volk! In erster Linie figuriren unter den Ver­ehrern von Kantschuh, Reitpeitsche und Rohrstock Mitglieder der edlen Sippe der Krautjunker und Schlotbarone, die Stellvertreter Gottes auf Erden" in Offiziers, Unteroffiziers- und Marine- Uniform, allen voran die christlichen Zivilisatoren vom Schlage der Leist- Wehlau . Sie sind überall dort zu finden, wo unter wirthschaftlichem oder gesetz­lichem Zwange Menschen ihre Freiheit gegen Unfreiheit, ihr Selbst­bestimmungsrecht gegen unterwürfigen Gehorsam eintauschen müssen. So giebt es ganze Schichten der Bevölkerung, denen Prügel das Ge­leite durch das ganze Leben geben. Die Kinder erhalten Prügel in der Schule. Prügel müssen dem jungen Proletarier in unserem herr­lichen Kriegsheer die Liebe zum Soldatenstande einpauken. Die Be­geisterung für den Seemannsberuf wird im Matrosen durch das Tau­ende und die neunschwänzige Raze geweckt. Auf Grund unserer patriarchalischen Gesindeordnung vom Jahre 1810 werden Dienst­

Ich muß Euch warnen und Euch im Voraus erklären, daß ich keine Kinder bei mir dulde."

Und sie fuhr mit ihrer schönen Hand vor ihrem Gesicht hin und her, als ob sie eine lästige Fliege verscheuchte.

,, Nur kein Kind", widerholte sie, wenn ein Kind käme, müßte ich Euch entlassen, sofort! Kinder schreien, Kinder sind überall im Wege, Kinder ruiniren Alles, sie haben ansteckende Krankheiten. Ich dulde absolut keine Kinder in meinem Besitz­thum. Ihr seid gewarnt, richtet Euch danach ein, trefft Eure Maßregeln."

Der Gärtnerin war es schwer ums Herz geworden; die Thränen drohten hervorzubrechen, wie eine Zentnerlast lag es ihr auf der Brust. Sie sah die Kinder der Reichen, wie sie sich des schönen Daseins freuten, und sie haßte sie jetzt; sie haßte noch mehr die Gräfin, diese gepuzte, reiche, in ihrem Egoismus lächelnde Mutter, die eben diese abscheulichen Worte gesprochen; sie hätte auf sie zustürzen mögen und sie schütteln; ja, schlagen hätte sie sie mögen, diese Herzlose.

Aber sie bezwang sich und sagte kein Wort. Statt ihrer redete der Mann:

" Man wird sich hüten, man wird der gnädigen Frau nicht unangenehm werden."

" Ja, das ist recht, hütet Euch, daran thut Ihr wohl. Uebrigens, seht", setzte sie in wohlwollendem, fürsorglichem Ton hinzu, wenn man arm ist, ist es weit besser, man hat keine Kinder, das glaubt mir."

"

Gewiß, gewiß", antwortete wieder der Mann, Frau Gräfin haben vollkommen Recht; wenn man arm ist, ist es besser, man hat keine Kinder."

Das flang ganz ruhig und vollkommen überzeugt; aber der Blick des Mannes widersprach den unterthänigen Worten, die seine Lippen gesprochen, um seiner zukünftigen Herrin angenehm zu sein.

Diese merkte jedoch davon nichts, denn sie sah unverwandt und prüfend auf die junge Frau, die sie soeben zur Unfruchtbar­keit verurtheilt hatte.