sich hatte: so als er unbefümmert um Fürstenwunsch und Fürsten­urtheil Bismarck die Huldigung versagte. Leicht und mit Würde wird er die verlegende Kritik aus hohem Munde tragen, eingedenk des Grundsatzes, daß nicht der Wille des Königs, sondern das Wohl der Allgemeinheit das höchste Gesetz ist.

Es war eine hochbedeutsame Sizung, in welcher die deutsche Volksvertretung über Bismarck's   Politik zu Gericht saß und er­klärte: gewogen und zu leicht befunden. Wird die bürgerliche Opposition, wird insbesondere das Zentrum die logische Konsequenz des Beschlusses ziehen? Oder wird sie vielmehr die einmalige männliche Haltung als einen Freibrief ausnüßen, um mit der Reaktion zu pattiren, um ihr die blutarme deutsche Volksfreiheit auszuliefern? Die nächste Zukunft wird es lehren. Wenn die bürgerliche Opposition nicht ihre Haltung in Sachen des Bismarck­urtheils verleugnen will: so muß ohne Debatten der Wechselbalg Umsturzvorlage in der Versenkung verschwinden, aus der ihn die Reaktion beschworen, so müssen die Steuerforderungen der Regierung, müssen die dreisten Raubzugsgelüfte der Krautjunker abgeschlagen werden; muß der Wagen der deutschen   Reichspolitik in die Bahnen lenken, auf welche die Sozialdemokratie im Interesse der werf­thätigen Masse seit Langem hinweist.

Wir glauben faum, daß der leise oppositionelle Hauch, welcher die bürgerlichen Elemente durchzittert, zum kräftigen Wind an= schwellen wird, der die Reaktion fortfegt. Das Volk fordert es, aber es darf in dieser Beziehung weniger hoffen von der Einsicht und dem Anstand der ausschlaggebenden bürgerlichen Partei, als von seiner eigenen Kraft, von der energischen Kundgebung seines Willens und von dem tölpelhaften Eifer der Neaktion.

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Arbeiterinnen- Bewegung.

In der Zeit vom 11. Februar bis 22. März fanden öffent­liche Versammlungen statt in: Berlin  , öffentliche Versammlung der in der Gerberei, Färberei, Leder- und Galanteriewaarenindustrie, Schuhwaarenfabrikation 2c. beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Der geforderte Quebrachozoll"( Reichstagsabgeordneter Wurm). Die Versammlung protestirte in einer einstimmig angenommenen Resolution entschieden gegen den geplanten Zoll als gegen eine schwere Schädigung der Lederindustrie und der mit ihr zusammenhängenden Berufe, eine Schädigung, die Lohnverkürzungen oder Entlassung für Tausende von Arbeitern und Arbeiterinnen zur Folge haben würde. Deffentliche Versammlung der Händler und Händlerinnen:" Die Beschränkung des Hausir und Straßenhandels"( Genosse Jahn); öffentliche Ver­sammlung der Schneider und Schneiderinnen: Das Genossenschafts­wesen"( Genosse Dr. Arons); öffentliche Versammlung der im Tapezier­gewerbe beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Nothwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisation"( Genossin Greifenberg  ); öffentliche Volksversammlung zum Besten der Arbeiterbildungsschule:" Wahrheit, Recht und Sitte"( Reichstagsabgeordneter Vogtherr); öffentliche Ver­sammlung der Schäftearbeiter und-Arbeiterinnen: Die Folgen der kapi­ talistischen   Produktion"( Genosse Schöpflin); öffentliche Versammlung der in Buchbindereien beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Zustände bei der Firma Haman& Co."( Genosse Sailer). Bremer  haven, öffentliche Volksversammlung: Die Frau und der Sozia­lismus"( Frau Henrich Wilhelmi); Dresden  , zwei öffentliche Ver­sammlungen der Schneider und Schneiderinnen: 1. Die amtliche Kriminalstatistik des Deutschen Reichs, vom Standpunkt der modernen Arbeiterbewegung aus betrachtet"( Genosse Heinke); 2. Die moderne Wirthschaftspolitik"( Landtagsabgeordneter Poſtelt); Dohna  , öffentliche Versammlung der in der Strohhutindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Lage der Arbeiter und Arbeiterinnen des Ge­werbes"( Genosse Heppner); Frankfurt   a. D., öffentliche Ver­sammlung der Schneider und Schneiderinnen: Die Lohn- und Arbeits­verhältnisse des Gewerbes in Frankfurt   und die Organisation"( Genosse Fischer); Köln  , öffentliche Versammlung aller im graphischen Gewerbe beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Vertheilung des Arbeits­ertrags"( Genosse Sillier- Berlin  ); Königsberg  , öffentliche Ver­sammlung der Tabakarbeiter und Arbeiterinnen:" Die geplante Tabatfabrikatsteuer"( Genossin Blohm- Hamburg); Mylau  , öffentliche Versammlung für Männer und Frauen: Die Errichtung eines Gewerbegerichts"( Genosse Lipinski Leipzig); Offenbach   a. M., öffentliche Versammlung für Arbeiter und Arbeiterinnen: Die heutige Gesellschaft und die Arbeiter"( Genossin Opificius- Frankfurt).

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Vereinsversammlungen fanden in der nämlichen Zeit statt in: Berlin  , Mitgliederversammlung des Verbands der in Buchbindereien

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und verwandten Betrieben beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: ,, Entwicklung und Umsturz"( Genosse Hansen); Mitgliederversammlung des Verbandes der Textilarbeiter und-Arbeiterinnen: Thätigkeitsbericht, Kassenbericht; Mitgliederversammlung des Allgemeinen Arbeiter- und Arbeiterinnenvereins: Zwei freiwillige Arbeiterinnen aus der Bour­geoisie"( Genossin Greifenberg  ); Mitgliederversammlung des Vereins zur Wahrung der Interessen der Knopfarbeiter und Arbeiterinnen: Ohne ideale Bestrebungen hat das Leben keinen Werth"( Genossin Baader); Mit­gliederversammlung des Vereins der Plätterinnen: Die Bedeutung der Organisation"( Genossin Ihrer); Mitgliederversammlung des Ver­eins der Bügler und Mäntelnäherinnen: Die Nothwendigkeit einer Ausdehnung der Fabrikinspektion auf Kleingewerbe und Hausindustrie und einer Reform des Gewerbeinspektorats"( Genossin Rohrlack); Dresden  , Mitgliederversammlung des Verbands der Schneider und Schneiderinnen: Die Berufsstatistik der Arbeiter"( Genosse Lütze); Friedenau  , Mitgliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: Aufgaben und Pflichten der Frau"( Genosse Wagner); Friedrichsberg, Mitgliederversammlung des Arbeiterinnenbildungs­vereins: Warum hat die Frau nur Pflichten und kein Recht?" ( Genossin Schädlich); Hamburg  , Mitgliederversammlung des Ver­bands der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen: Die Gründung eines Gewerkschaftsbureaus"( Genosse Liebscher); Stutt­ gart  , Mitgliederversammlung der in Buchbindereien und verwandten Betrieben beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Verbrechen und Lebensmittelpreise"( Genosse Balluff).

- Protestversammlungen gegen die geplante Tabakstener fanden im Laufe der letzten Monate in allen Theilen Deutschlands  statt. Zu einer besonders imposanten Kundgebung dagegen, daß der Tabak mehr bluten" soll, gestalteten sich die acht großen Volks­versammlungen, welche fürzlich in Berlin   stattfanden. Kaum minder großartig waren die Protestversammlungen in Bremen  , Hamburg  , Dresden  , Leipzig  , Osnabrück  , Magdeburg  , Breslau  , Halle Mannheim   und in fast allen größeren deutschen   Städten. Die Ver­sammlungen protestirten einstimmig und energisch gegen jede weitere Belastung des Tabats als gegen eine schwere Schädigung der Tabak­industrie, durch welche gegen 40 000 Arbeiter und Arbeiterinnen erwerbslos gemacht und dem Hunger überliefert würden.

Fortschritte der politischen Organisation der prole­tarischen Frauen. Wo es die so buntscheckigen einzelstaatlichen Vereinsgesetze nicht verbieten, schließen sich bekanntlich die Genossinnen auch den politischen Organisationen der Männer an. So in Sachsen  , Württemberg  , Hamburg   2c. Die drei Hamburger sozialdemokratischen Wahlvereine zählen zusammen 12625 männliche und 439 weibliche Mitglieder. Dem ersten Wahlverein gehören 52, dem zweiten 176 und dem dritten 211 Frauen und Mädchen als Mitglieder an. Hoffent lich steigt die Zahl der weiblichen Mitglieder wie im vergangenen so auch im laufenden Jahre.

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Um die Organisation der Textilarbeiter und Arbeiterinnen zu fördern, unternahm die Genossin Rohrlack in der Zeit vom 23. bis 28. Februar eine Agitationstour in Sachsen  . Die erste Ver­sammlung fand in Hainichen   bei Chemnitz   statt und war namentlich von Frauen sehr gut besucht. Der überwachende Beamte hielt es für nöthig, den Einberufer vor der Eröffnung der Versammlung darauf aufmerksam zu machen, daß die Referentin schon in Leipzig  sehr scharf gesprochen habe, und daß möglicherweise er( der Ein­berufer) dadurch Unannehmlichkeiten haben könne. Das Erheben eines Eintrittsgeldes von 5 Pf. für die Person wurde verboten, weil die Versammlung keine erstrebenswerthen Zwecke verfolge"!- In Chemnitz   waren vorwiegend Frauen und Mädchen in der Ver­sammlung anwesend. In wahrhaft rührender Weise ist dort die Polizei um das Wohl der Versammlungsbesucher besorgt, denn Nie­mand durfte stehen, für Jedermann mußte ein Stuhl vorhanden sein. Der Zweck dieser Verordnung ist klar: es sollen durch sie möglichst viel Personen vom Besuch der Versammlungen ferngehalten werden. Auch die Versammlungen in Limbach und Hermersdorf waren gut besucht. Die im letzteren Orte wohnenden Proletarierinnen sind meist in Chemnitzer   Fabriken beschäftigt und müssen 1-1/ 2 Stunde Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurücklegen. Man kann danach ermessen, wie viel Zeit und Kraft ihnen für die Familie bleibt, die man durch Umsturzparagraphen schützen will. Die Frau muß der Familie erhalten bleiben", nicht so, Herr Hitze und Herr Schall? In Markersdorf   war die bereits kurz gekennzeichnete Fürsorge der Behörden für die Bequemlichkeit der Versammlungs­besucher auf das Höchste gesteigert. Nicht blos das Stehen ist hier- offenbar aus gesundheitlichen Rücksichten verboten, sondern die Tische müssen in einer Entfernung von zwei Metern voneinander aufgestellt sein, so daß man bequem zwischen ihnen tanzen kann. Es wäre recht wünschenswerth, daß bezüglich der Arbeitsräume, in denen