vermag daran nichts zu ändern." Und in den nachfolgenden Ausführungen legte ich den Gegensatz zwischen den Lebensinteressen bürgerlicher und proletarischer Frauen dar, damit die Unmöglichkeit, in einem Athem bürgerliche und proletarische Interessen zu vertreten. Anstatt daß Frau v. Gizycki meinen Ausführungen entgegen nach gewiesen hätte, daß zwischen bürgerlichen und proletarischen Frauen eine Interessengemeinschaft besteht, welche ausschlaggebender ist als die Klassenlage und die Klassengemeinschaft, läßt sie mich eine Neutralität und gewisse journalistische Usancen bekämpfen, deren ich als durchaus nebensächlich überhaupt gar nicht Erwähnung that. Dieses Quiproquo ist ungemein charatteristisch für die Auffassung und die Polemik des Artikels„ Nach links und rechts".
Weil die Sozialdemokratie in ihrem Programm die Befreiung der Frau fordert, meint Frau v. Gizycki, daß Sozialdemokraten die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen nicht bekämpfen dürften. Wäre ihre Ansicht richtig, so müßte die Sozialdemokratie auch jeden Kampf gegen die bürgerliche Demokratie einstellen. Auch mit dieser hat sie befanntlich eine Reihe politischer Forderungen gemeinsam. In dem einen und anderen Falle erfolgt ihr Kampf und muß erfolgen nicht wegen dem, was gefordert wird, sondern mit Rücksicht auf das, was die eine und andere Bewegung nicht fordert und ihres bürgerlichen Wesens Wesenheit nach auch nicht fordern kann. Gerade aber dieses im bürgerlichen Lager fehlende Mehr an Forderungen, für das nur die Sozialdemokratie eintritt, ist allein die Grundlage der vollen sozialen Befreiung der proletarischen Masse. Und um proletarischerseits keine Täuschung aufkommen zu lassen, daher in dem einen und anderen Falle unsere Kritik und eventuell unser Auf- die- Finger- klopfen, sobald sich die bürgerlichen Elemente, Verwirrung fäend, an die proletarischen Kreise herandrängen.
Frau v. Gizycki erblickt allerdings in dem Bestreben, verwirrenden Einfluß von der proletarischen Frauenwelt abzuwehren, entweder den Ausfluß eines„ blinden Parteifanatismus" oder aber das Eingeständniß, daß man der Proletarierinnen nicht sicher sei".„ Der Casus macht mich lachen." Wenn das gesammte Proletariat bereits zum Klassenbewußtsein erzogen wäre, so hätte die Sozialdemokratie ihre geschichtliche Mission erfüllt und könnte nach Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaft meinetwegen sogar zum Besten der Gesellschaft für ethische Kultur abdanken. So lange dies aber nicht der Fall ist, hat jeder zielbewußte Sozialdemokrat die Pflicht, im Kleinen und Großen jeden Einfluß energisch abzuweisen, welcher die Klärung und Schulung des proletarischen Klassenbewußtseins auch nur vorüber gehend aufzuhalten vermag.
Frau v. Gizycki hat entdeckt, daß mir die Thatsache des Eintretens bürgerlicher Frauen für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts nicht„ willkommen scheint", und daß mein " Born" mit den Fortschritten der„ diesbezüglichen Strömung wächst". Es mag ihr Geheimniß bleiben, wie sie diesen meinen„ Born" zusammenreimt mit der Thatsache, daß ich gerade die Halbheit und Energielosigkeit der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen geißelte, festnagelte, wie blutwenig sie für die Gleichstellung der Geschlechter gethan haben, wie schlapp und verständnißlos sie sich den letzten Zielen Der bürgerlichen Frauenbewegung gegenüber verhielten. Der Kampf für die Emanzipation der Frau ist eine Nebenaufgabe, welche mit anderen Nebenaufgaben dem Proletariat der einzelnen Länder mehr oder weniger ausschließlich zufällt. Es kann dem Proletariat nur lieb sein, wenn solche Nebenaufgaben so vollständig als möglich von bürgerlichen Elementen gelöst werden, denn dann kann es selbst sich um so ausschließlicher seiner Hauptaufgabe widmen: durch den Klassenkampf jede Klassenherrschaft für immer zu beseitigen.
In Deutschland wird allerdings der Löwenantheil des Kampfes für die Gleichstellung der Geschlechter dem Proletariat zufallen. Das deutsche Bürgerthum- ohne Unterschied des Geschlechtsbeweist auch dieser Frage gegenüber, daß es mit affenartiger Geschwindigkeit sich auf dem absteigenden Ast seiner Entwicklung bewegt und unfähig ist, tulturelle Reformarbeit zu leisten. Deshalb bleibt Frau v. Gizycki's Behauptung entgegen: die Befreiung der Frau sei Sache keiner Partei, sondern der Menschheit- in Deutschland gerade sogar die Befreiung der Frau im bürgerlichen Sinne die Sache einer Partei, die Sache der Sozialdemokratie. Die Reichstagsverhandlungen haben übrigens erst fürzlich wieder sinnenfälligst bestätigt, welch Verständniß die im Deutschen Reiche wandelnde bürgerliche Menschheit" der sogenannten Frauenfrage entgegenbringt. Daß aber die volle soziale Befreiung der Frauenmasse nur in einer von Grund aus umgestalteten Gesellschaft erfolgen kann, das brauche ich an dieser Stelle nicht erst zu beweisen. Ebensowenig die Thatsache, daß einzig und allein die Sozialdemokratie für eine solche Neuordnung der sozialen Verhältnisse kämpft. An diesem Stand der Dinge ändert es absolut nichts, daß Atome der nichtproletarischen Menschheit" in Reih und Glied der
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Sozialdemokratie stehen oder als freigeistelnde Salonsozialisten sich dem unfruchtbaren Werk einer Befehrung der Satten und Uebersatten widmen.
Daß ich für meine Kritik der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen oft genug das Vorhandensein vereinzelter Ausnahmen betonte, daß ich sie nicht als Personen für den Charakter ihrer Bewegung verant wortlich machte, weil Frauenrechtelei und Frauenrechtlerinnen die Produkte der geschichtlichen Entwicklung sind, will ich nur der Vollständigkeit meiner Antwort wegen kurz bemerken. Die deutschen Frauenrechtlerinnen sind Fleisch vom Fleisch und Bein vom Vein der deutschen Bourgeoisie, und ihre Bewegung zeigt alle Symptome des politischen Verfalls, welche diese charakterisirt. Mein Urtheil aber über den Werth" der Stillen- Kämmerlein- Sozialisten für die proletarische Bewegung kann Frau v. Gizycki in nächster Nummer dieses Blattes lesen.
Da der Artikel:„ Nach links und rechts" keinen der grundsätzlichen Unterschiede zwischen bürgerlicher und proletarischer Frauenbewegung in den Kreis seiner Erörterung zieht, wäre ich im Recht, der Verfasserin bezw. der Redaktion der Frauenbewegung" bezüglich einer grundsätzlichen Stellungnahme zuzurufen:" Heraus mit Eurem Flederwisch!" Aber ich kann auf diese Herausforderung verzichten. Das Programm, zu dem sich Frau v. Gizycki bekennt, ist das der ,, ethischen Kultur", d. h. das Programm des sozialpolitischen Halbdunfels, in welchem„ alle Katzen grau sind". Es ist das Programm der ethisch frisirten und parfümirten Salonsozialisten, welche gerade genug von dem„ berechtigten Kern" der sozialdemokratischen Forderungen anerkennen, um nicht von vornherein die proletarischen Kreise zurückzustoßen; welche sich aber hüten, sich so rückhaltslos zum Sozialismus zu bekennen, daß sie sich in bürgerlichen Kreisen unmöglich machen. Mit diesem Programm, dem der sozialen Impotenz, werde ich mich gelegentlich eingehend beschäftigen.
Was Frau v. Gizycki von meinem„ blinden Parteifanatismus", meinem Zorn", meiner ,, Erregung", meinem„ Mangel an überlegener Sicherheit des Auftretens", meinem„ Unterstellen niedriger Motive" und anderen schönen Eigenschaften einer edlen Seele weiß, darauf gehe ich nicht ein. Derartige persönliche Anwürfe gereichen nicht mir zur Unehre. Um sie zurückzuweisen und wohl gar nach dem Gesetze des Talion bezüglich der Eigenschaften der Frau v. Gizycki frei nach ihrer Haltung Rathespiel zu treiben, dazu erscheint mir weder deren Per sönlichkeit, noch meine eigene als interessant und wichtig genug. Abgesehen davon, widerstrebt es mir, auf das Niveau einer Diskussion herabzusteigen, wo diese trotz des ruhigsten und sachlichsten Tones dem Wesen nach nichts sein würde als Weibergezänk, als ein Geplänkel um Personen, statt ein Kampf für Ideen.
Nur eine der persönlichen Anzapfungen des Artikels muß ich zurückweisen. Mit offenbar ebenso richtiger Einschätzung der eigenen als der fremden Leistungen behauptet Frau v. Gizycki, daß die von ihr mitredigirte " Frauenbewegung" bewußt erstrebe, was die„ Gleichheit" ihres Erachtens nur unbewußt thue: durch die Zusammenstellung von thatsächlichem Material für ihre Ueberzeugung zu wirken. Ich weiß nicht, ob Frau v. Gizycki bewußt oder unbewußt zu ihrer Erkenntniß ge= kommen ist, aber das Eine weiß ich, daß ich das Urtheil darüber, ob der Zuschnitt der„ Gleichheit" ein bewußter oder unbewußter ist, getrost den Leserinnen und Lesern überlassen kann und – eventuell dem Staatsanwalt. Nur das Folgende will ich bezüglich des Inhalts der ,, Gleichheit" betonen. Dieser Inhalt ist nicht zugeschnitten mit Rücksicht auf ein bürgerliches Publikum, dessen schöne Gefühle für die leidende Menschheit" zwischen zwei guten Mahlzeiten durch Attentate auf die Thränendrüsen, durch das Vormalen der schreiendsten sozialen Greuel wachgerüttelt und zu guten Vorsägen emporgekräftigt werden müssen. Die„ Gleichheit" wendet sich an Proletarierinnen, denen die Thatsachen die Erkenntniß von der Ungerechtigkeit der herrschenden Zustände mit blutigen Zügen auf den Rücken schreiben. Es gilt, ihnen die Ursachen ihres Elends flar zu legen, den Weg zu zeigen,
der zu ihrer Befreiung führt, d. h. ihr Klassenbewußtsein zu wecken und sie als zielbewußte Streiterinnen den im Klassenkampfe stehenden proletarischen Heeren einzureihen. Die Wirkung der„ Gleichheit" auf bürgerliche Gemüther läßt mich fühl bis ans Herz hinan".
Frau v. Gizycki erklärt ausdrücklich, der Kampf der politischen Parteien sollte weniger ein Kampf gegen einzelne Menschen als ein Kampf gegen und für Grundsätze sein". Es thut mir ihretwegen leid, daß ihr Artikel im striktesten Gegensatz zu dieser Erklärung steht. Denn wenn sie erst die Enttäuschung überwunden hat, daß es ihr nicht glückte, ein Zeichen der Frauenrechtelei, bürgerliche und proletarische Frauen in einem gemeinsamen Bittgang zu vereinen und im Zeichen der ethischen Kultur zusammenzuführen, was die Klassengegensätze scheiden, so wird sie dies ihr Mißgeschick gewiß bitter empfinden. Mich rührt dasselbe troß meines Zorns" und" Parteifanatismus“