erfämpfen, begegnet man höchstens in der Rolle von Zuschauern, von sogenannten objektiven Beobachtern", denjenigen, welche- um mit der durchaus bürgerlichen Frauenbewegung" zu reden- ,, unter vier Augen die weitgehendsten Forderungen stellen", aber, wie es weiter heißt, aus Rücksicht auf ihre Angehörigen und deren Stellung nicht öffentlich für ihre innerste Ueberzeugung eintreten können.

Von der Erkenntniß durchdrungen, daß für die leidende Mensch­heit" etwas gethan werden muß, und von dem besten Willen beseelt, ihrerseits für diese etwas mitthun zu wollen, treten die Stillen­Kämmerlein- Sozialisten der bürgerlichen Frauenwelt mitrathend und mitthatend an die Deffentlichkeit. Sie erschöpfen ihre Kraft für Reformen und Reförmchen meist so harmloser und wenig durch­greifender Natur, daß auch ein echt kapitalistisches Gemüth sich für sie erwärmen kann. Sie jagen Wolkenkuckucksheimereien nach, deren Verwirklichung immer wieder zur Voraussetzung hätte den Menschen", wie er sein sollte, wie er aber nun einmal in unserer Gesellschaft der Klassengegensätze nicht ist und nicht sein kann. Mit ihrem Mit ihrem Programm treten sie nicht blos an die bürgerlichen Kreise heran, sie preisen es auch den ärmeren Schwestern und Brüdern". Und nichts ist den Stillen- Kämmerlein- Sozialisten und Deffentlichkeits­Reformern unbegreiflicher, aber auch peinlicher, schmerzhafter, ja in vielen Fällen verhaßter, als die Kritik, welche sozialdemokratischerseits gegen ihre Bestrebungen erhoben wird. Die Kritik ihrer Sache empfinden sie fast als eine persönliche Beleidigung. Wieder und wieder verweisen sie derselben gegenüber auf ihre guten Absichten", wieder und wieder machen sie geltend, daß ihnen in Folge der Ab­hängigkeit von der Familie, mit Rücksicht auf ihre bürgerliche Stellung fein anderes als ein halbes und schwächliches Vorgehen möglich sei. Statt Kritik wollen sie Beifall, statt Beurtheilung heischen sie Mit­leid, nicht als Halbe fühlen sie sich und Schwächlinge, vielmehr als Märtyrer, die Vertrauen beanspruchen dürfen.

Das Proletariat und zumal die Proletarierin, der in ihrer Eigenschaft als Frau so leicht das Herz mit dem Kopf durchgeht, darf sich durch die gefühlsreichen Deklamationen der wohlmeinenden, besser gestellten Schwestern" nicht beirren lassen in der Werthschätzung der Bestrebungen, welche diese vertreten. Die guten Absichten" bürgerlicher Elemente dürfen keinem klassenbewußten Proletarier, feiner zielflaren Proletarierin die Waffe scharfer Kritik aus der Hand winden oder auch nur abstumpfen. Die Sozialdemokratie ist keine Prüfungskommission für das Herz und die Nieren der Träger und

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Bothwell selbst war zur Zeit der Mordthat ins Bett gegangen, aber Leute von ihm waren nahe der Unglücksstätte gesehen worden. Mit Vergnügen sahen die Verschwörer- Richter, daß der öffentliche Argwohn sich gegen Bothwell allein richtete. Da er bei Maria schon vorher in großem Ansehen stand, theilte diese sein Geschick, verdächtigt zu werden. Bothwell ließ sich nicht beunruhigen, hatte er doch die Afte des Craigmillac- Bundes" in der Tasche. In dieser Urkunde verbanden sich die Unterschreiber Murray( der Bruder Marias), Bethington, Argyle u. A. zu einer Trennung Darn­ ley's und Marias". Möglich, daß man sich damals die Tren­nung" noch nicht als Königsmord vorgestellt hatte: aber Bothwell glaubte seiner Haut sicher zu sein vor den Richter- Verschwörern, die den Prozeß merkwürdigerweise auch in eine Privatflage des Grafen Lennox, Darnley's Vater, umwandelten. Der Kläger er­schien nicht, angeblich weil Bothwell 4000 Anhänger bei Edinburg zusammengezogen habe. Bothwell wurde freigesprochen, weil der Kläger fehlte und Beweise mangelten.

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Maria hielt ihn für schuldlos, wogegen nicht ausgeschlossen ist, daß die Adelsverschwörung den bei Maria etwas geltenden, mächtigen Bothwell dadurch gewann, daß man ihm die Nachfolge Darnley's als Gatten der Königin vorhielt, obgleich er ja ber= heirathet war. Das Verheirathetsein hat ja Könige und Kron­prätendenten nie sonderlich genirt, wenn sie die nöthige Macht be­saßen oder zu besigen glaubten, über solch einen moralischen Hop­paß" hinwegzukommen.

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Trägerinnen einer sozialen Strömung. Sie muß dieselbe beurtheilen nach ihrem Programm, ihrer Taktik, ihren Thaten. Sie hat sie zu prüfen mit Bezug auf ihre eigenen programmatischen Forderungen, mit Bezug auf ihre Einwirkung auf den Klassenkampf. Und wenn sie dies thut, so gelangt sie gegenüber den Bestrebungen der Wohl­meinenden und Stillen" wieder und wieder zu dem Urtheil oder richtiger zu der Verurtheilung: Gewogen und zu leicht befunden." Die guten Herzen, die lauteren Absichten der Personen, ihnen wird ihr Recht bei der Werthung der Personen, aber nicht bei Beurtheilung der Bewegung, welche sie tragen. Sie drücken die Wagschale auch nicht um eine Linie tiefer zu Gunsten von Bestrebungen, die gut gemeint, aber für das kämpfende Proletariat belanglos, werthlos sind.

Der von den Stillen- Kämmerlein- Sozialisten angezogenen Un­möglichkeit gegenüber, in der Deffentlichkeit zu bekennen und zu bethä tigen, was das Herz empfindet und das Hirn denkt, kann das kämpfende Proletariat den Betreffenden wohl sein Mitleid schenken, aber nicht mehr. Es kann die Verhältnisse begreifen, aus denen heraus die Halbheit und Schwäche der Kryptosozialisten erwächst, aber es kann ebenso wenig diese Schwäche und Halbheit billigen. Auch die prole tarischen Männer und Frauen, die unter dem Banner des Sozialismus für die Befreiung ihrer Klasse ringen, können in Tausenden von Fällen ihre Ueberzeugung nur bethätigen unter schweren äußeren und inneren Kämpfen. Auch sie müssen schwimmen gegen den Strom der sozialen Verhältnisse, in denen sie leben, gegen den Strom der Auf­fassung ihrer Familienangehörigen. Treten sie ein in Reih und Glied der Sozialdemokratie, so müssen sie des Zorns, der Feindschaft des Unternehmers gewärtig sein. Und dieser hält den Brotkorb, kann sie jederzeit maßregeln, existenzlos auf das Pflaster werfen, als Rebellen gegen das Kapital geächtet durch Fabriken und Werkstellen hetzen. Was sie ihrer Ueberzeugung wegen aufs Spiel setzen, ist nicht wie bei den bürgerlichen Elementen eine bevorrechtete soziale Stellung, sondern die nackte Existenz. Zu der Pein des Unverstandenwerdens seitens der Familie tritt für die Proletarier die Sorge ums trockene Brot. Und alle, die im Lager des Proletariats stehen, ohne dessen Schooße zu entstammen, sind ihnen etwa die Kämpfe erspart geblieben gegen die Ungunst verschlechterter sozialer Verhältnisse; die bittersten Kon­flifte mit Verwandten und Freunden, die ihrem Denken nicht zu folgen, ihre Ueberzeugung nicht zu billigen vermochten? Ist nicht der Weg ihrer Entwicklung gekennzeichnet mit Spuren ihres Herzbluts, das ihnen Tropfen um Tropfen in den schmerzlichsten Seelenkämpfen dings sehr bald und schmerzlich genug inne werden. Wenn ein Volt monarchisch hypnotisirt ist, dann steht und fällt seine Sache mit der des Monarchen. Diese Hypnose ist der Menschheit schon recht theuer zu stehen gekommen, denn beim Streit der Großen müssen die Kleinen immer die Zeche zahlen.

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Die Hoffnungen auf Bothwell waren eitel; er war nicht im Stande, eine mächtige königliche Partei ins Leben zu rufen er war selbst natürlich! Gegenstand des Neides seiner Standes­genossen und Mitverschwörer geworden genau wie Darnley . Und bei allem Edelsinn reichten die Fäden von der Königin Maria doch nicht bis zum Volke, zum wahren und eigentlichen Volke herab: ein sehr altes Unglück der Könige. Bothwell starb in dänischer Gefangenschaft( 1578), nachdem er sich in sein Herzog­thum( Orkney- Inseln und Shetland ) zurückgezogen hatte, wohin ihm seine ehrenwerthen Mitverschworenen Truppen und Henker nach­geschickt hatten. Auch ihm hielt Maria Treue, ganz wie dem Schwächling und Gecken Darnley und ganz so wie in jenem, täuschte sie sich in diesem.

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" Politisch" hatte den meisten Grund sich über Marias Un­glück zu freuen die Königin Elisabeth von England , die den Aufständischen allen Vorschub zu leisten sich den Anschein gab, so weit sie sich nicht eben politisch" kompromittite.

Ein unbeschränktes Adelsregiment war das Ideal der adeligen Verschwörer gegen Maria, und dieser Klique paßte die neue refor mirte Lehre von der Verantwortlichkeit der Fürsten sehr gut in den Kram, weil sie das Volk" zu sein vorgeben durften, weil sie das Volk ohumächtig und rechtlos machten.

Bothwell muß ein guter Schauspieler gewesen sein, daß Maria thatsächlich an die Echtheit seiner Vasallentreue nicht nur, sondern noch an viel mehr glaubte. Trogdem kam auch ihr an ihm manches Nun suchten die adeligen Banditen und mit ihnen Elisabeth ,, sonderbar" vor, wie er sie denn das kann man offenbar nach von England Maria zur Abdankung zu bestimmen. Maria Stuart

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Marias Berichten an ihre französischen Verwandten schließen gewaltsam nach Dunbar entführte. Interessant in einem der längeren Briefe Marias nach Frankreich ist die Bemerkung:" Was ist ein Fürst ohne Volk!" Das sollte die unglückliche Königin aller­

fand nach all den fürchterlichen Erschütterungen und Gemüths­aufregungen die Kraft, sich dessen zu weigern.

( Schluß folgt.)