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aus Erfahrung wissen, daß sie in neunundneunzig von hundert Fällen die Rache des Kapitalisten, die Maßregelung zu fürchten haben.

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In dieser Auffassung könnte man nur bestärkt werden durch| nicht vertrauensvoll über ihre Leiden zu äußern wagen, weil sie das offizielle Hauptaber gegen die Anstellung weiblicher Fabrif­inspektoren. Warm und kräftig klopft uns in ihm das unverfälscht kapitalistisch fühlende Herz des preußischen Handelsministeriums entgegen. Man will von weiblichen Fabrifinspektoren nichts wissen, weil solche den Stumm und Stämmchen nicht genehm sein würden. Mit feinster Verständnißinnigkeit für die Kapitalistenklasse und ihres Wesens Wesenheit, den heiligen Goldhunger", zählt der Vertreter des Handelsministers die Gründe dafür auf. Die Anstellung weib­licher Fabrikinspektoren würde die Zahl der Gewerbeaufsichtsbeamten vermehren. Jede solche Vermehrung beschränkt aber in Folge häufigerer und genauerer Inspektion der Betriebe das Unternehmer­thum um ein Weniges in seiner Ausbeutungsfreiheit. Ein Greuel und Scheuel ist ihm deshalb jede weitere Anstellung von Aufsichts­beamten überhaupt, von weiblichen Inspektoren aber obendrein ganz besonders. Diese könnten ja nicht, wie ihre männlichen Kollegen, ,, unter Umständen auch dem Arbeitgeber von Nuzen sein, ins­besondere durch Rathschläge auf technischem Gebiete..... Die Fabrikinspektorinnen würden nur für die Arbeiterinnen vorhanden sein; sie würden den Sammelpunkt für deren Beschwerden bilden und voraussichtlich bald in ein gegensäßliches Verhältniß zum Arbeitgeber gerathen."

Daß der deutsche Fabrikinspektor nicht in erster Linie zur Ueberwachung des Arbeiterschutzgesetzes da ist, sondern zur Keffel­revision, ist dem deutschen Proletariat von oben genügend klar gemacht worden. Nun lehrt ihm der Vertreter des Handelsministers, daß der sogenannte Aufsichtsbeamte noch eine weitere Pflicht zu erfüllen hat: die, dem Unternehmer durch technische Rathschläge nüßlich zu sein. Und diese Seite der Fabrifinspektion ist so wichtig, daß sie mit ausschlaggebend ist für die Nichtanstellung weiblicher Beamten! Die" nüßliche Einwirkung auf die wirthschaftlichen und sittlichen Lebensbedingungen der Arbeiterinnen durch Fabrikinspekto rinnen" erscheint dem Handelsministerium wohl als eine feine äußerliche Zucht. Aber als würdig und wohlgeschickt für die Ge­werbeinspektion gilt ihm doch nur die Kraft, die gratis oder für ein gutes Frühstück durch schäzenswerthe Rathschläge den Profit des Kapitalisten etwas zu mehren versteht. Wehe aber gar dem Aufsichtsbeamten, dessen Auge offen ist für die Mißstände der kapitalistischen   Betriebe, dessen Ohr sich nicht den Klagen der Arbeiterschaft verschließt, der sich zum Sammielpunkt ihrer Be­schwerden" macht! Der Fabrikinspektor, der gewissenhaft seines Amts waltet, der der Ansicht ist, er sei zum Schuße der Arbeits­fräfte bestellt, er geräth in ein gegensäßliches Verhältniß" zum Arbeitgeber, er ist vom Handelsministerium gewogen und zu leicht befunden worden. Dieses gegensäßliche Verhältniß" zwischen Pflichttreue und kapitalistischem Profit hat der badische Fabrik­inspektor Wörishoffer erfahren, von diesem Verhältniß und seinen Folgen hat sich der Fabrikinspektor Jäger- Köln überzeugen müssen. Vor dem Unternehmerthum können nur Aufsichtsbeamte bestehen, die so wenig als möglich inspiziren, auch die frechsten Gesetzes übertretungen der Herren Geldsäcke in der Ordnung finden und dtesen mit nüßlichen Nathschlägen" fleißig zur Hand gehen. Das ist des Pudels Kern, den der Vertreter des Handelsministers mit einer an Zynismus grenzenden Offenheit enthüllt.

Daß dem Bekenntniß einer schönen kapitalistischen   Seele ein Tröpfchen Denunziation gegen die Sozialdemokratie beigemengt ist, versteht sich am Rande. Nicht empfehlen kann das gute, fort­schrittliche Handelsministerium die Anstellung weiblicher Fabrik­inspektoren, weil diese bei der Verhezung des Arbeiterstandes durch die sozialdemokratische Agitation nicht auf das Vertrauen der Arbeiterinnen rechnen könnten". Als ebenso- kühn wie komisch erscheint diese Behauptung angesichts der Thatsache, daß die Sozial­demokratie energisch den weiteren Ausbau der Fabrikinspektion fordert, für die Anstellung weiblicher Aufsichtsbeamten eintritt, jederzeit der Arbeiterschaft empfohlen hat, Fühlung mit den Fabrik­inspektoren zu suchen und zu unterhalten. Sollte die handels­ministerielle Unschuld vom Lande allein nicht wissen, was die Spaßen auf den Dächern pfeifen, was Wörishoffer und andere Fabrikinspektoren wieder und wieder betont haben? Nämlich, daß sich Arbeiter und Arbeiterinnen bei der Inspektion der Betriebe

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Die Regierung hat es in der Hand, die Arbeiter und Ar­beiterinnen mit ungetrübtem Vertrauen zu den Aufsichtsbeamten zu erfüllen. Sie ziehe erfüllen. Sie ziehe wie es in England geschieht Arbeiter und Arbeiterinnen zu der Fabrikinspektion heran, sie lasse bei der Anstellung der Aufsichtsbeamten die Arbeiterorganisationen ein ent­scheidendes Wort mitsprechen, sie gestalte die Stellung der Fabrik­inspektoren derart unabhängig und würdig, daß sie ihren Amts­pflichten nachgehen können, ohne den politischen Einfluß des Unternehmerthums, in Gestalt von Rüffeleien durch die vorgesetzten Behörden, in Gestalt von Strafverfeßungen 2c. fürchten zu müssen. Hic Rhodus, hic salta! Aber die Regierung springt nicht, wie es im Interesse der Arbeiterklasse liegt, sie tanzt, wie die Kapitalisten­klasse pfeift. Das zeigt auch die Erklärung des preußischen Handels­ministeriums zur Frage der weiblichen Fabrikinspektoren. typischen Merkmale der Sozialreform von oben sind ihr aufgeprägt: Unkenntniß dessen, was in Sachen des Arbeiterschußes im Aus­lande geschieht; 30pfige und prozige Nichtbeachtung des Willens weiter Volksfreise; zarteste Rücksicht auf die Wünsche des Unter­nehmerthums. Auch sie ist ein herzerfrischend deutlicher Ausdruck der Thatsache, daß die Sozialreform von oben kleinlaut vor der Kapitalistenmacht kapitulirt hat, noch ehe sie den Kampf energisch aufgenommen. Die Arbeiterklasse wird ihrer geschichtlichen Auf­gabe getreu die natürliche Konsequenz dieser Thatsache ziehen. Sie bereitet durch Aufklärung und Organisation der Massen die Zeit vor, wo getanzt werden muß, wie das Proletariat pfeift, und zwar dürfte es bei einem sanften Reformwalzer dann kaum sein Be­wenden haben.

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Arbeiterinnen- Bewegung.

In der Zeit vom 1. Mai bis 1. Juni fanden öffentliche Ver­sammlungen statt in: Adlershof  , öffentliche Volksversammlung: Die Frau und der Sozialismus"( Genossin Greifenberg  ); Berlin  , öffent liche Versammlung aller in der Velvetbranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Nothwendigkeit der gewerkschaftlichen Organi ſation"( Genosse Wasch); öffentliche Versammlung aller in der Damen­und Knabenkonfektion beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Zustände bei den Zwischenmeistern"( Genossin Gubela); öffentliche Versammlung aller im Tapezierergewerbe beschäftigten Personen: Die Arbeiterfrage der Gegenwart"( Genosse Jahn); öffentliche Versamm lung der freien Vereinigung der Handelsangestellten: Die Interessen und Aufgaben der Handelsangestellten auf politischem und sozialem Gebiet"( Reichstagsabgeordneter Liebknecht); öffentliche Versammlung der polnischen Arbeiter und Arbeiterinnen:" Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit"( Genosse Berfus); öffentliche Versammlung des sozial­demokratischen Vereins für Stralau und Rummelsburg  : Warum lehnt die hiesige Gemeindevertretung die Errichtung von Gewerbe­schiedsgerichten, sowie von Arbeitsnachweisen ab?"( Genosse Millarg); öffentliche Versammlung für Männer und Frauen: Die Arbeiter­bildungsschule"( Genosse Schriftsteller Heinrich Schulz); Bremen  , öffentliche Volksversammlung: Die Forderung der politischen Gleich berechtigung für die Frauen"( Genossin Ihrer); Bremerhaven  , öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Die Stellung der Frauen und Mädchen in der heutigen Gesellschaft"( Genossin Ihrer); Debschwitz  , öffentliche Volksversammlung: Die Stellung der Frau in der heutigen Gesellschaft"( Genossin Baader); Dresden  , öffentliche Parteiversammlung: Die Nothwendigkeit der Landesversammlungen" ( Genosse Fräßdorf); Elberfeld  , öffentliche Versammlung der Textil­arbeiter und Arbeiterinnen: Was ist zu thun, um unsere Lage zu verbessern?"( Genosse Klapp); Erfurt  , öffentliche Schneider- und Schneiderinnenversammlung: Das Sweatingsystem in der Konfektions branche"( Genosse Fahrenkamm); Gera  , öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Die Frauen und das allgemeine politische Wahlrecht"( Genossin Ottilie Baader  ); Hamburg  , zwei große öffent­liche Volksversammlungen: Die politische Lage"( Reichstagsabgeord neter Bebel); öffentliche Versammlung der Fabrik-, Land-, Hilfs arbeiter und Arbeiterinnen: Die Entwicklung der Industrie und die wirthschaftliche und soziale Lage der Arbeiter und Arbeiterinnen" ( Genosse Brey); öffentliche Schneider- und Schneiderinnenversamm lung: Die Mißstände in der Schneiderei und Konfektionsarbeit mit Berücksichtigung der Hausindustrie"( Genossin Louise Blohm); Lud