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wigsburg, öffentliche Volksversammlung: Die Stellung der Sozial-| Königs Krupp  . In mehreren Orten wurden die Debatten dadurch demokratie zur bürgerlichen Gesellschaft"( Genosse Benz); Mül­ hausen  , öffentliche Versammlung für Männer und Frauen: Die Behandlung der deutschen   Volksvertretung durch Herrn v. Köller, ein Streiflicht auf die politische Lage"( Reichstagsabgeordneter Bueb); Plagwiz, öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: Die Mißstände im Schneidergewerbe"( Genosse Möbius); Rönnebek, öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Die Stellung der Frauen und Mädchen in der heutigen Gesellschaft"( Genossin Ihrer); Stuttgart  , öffentliche Versammlung aller in der Nadelbranche be­schäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Lohnbewegung der Kon­fettionsarbeiter Deutschlands   und warum verlangen wir Betriebs­werkstätten?"( Genosse Knoop); Taucha  , öffentliche Volksversamm­lung: Die politische Lage, der Bauernstand, die Handwerker und die Arbeiter"( Reichstagsabgeordneter Dr. Schönlank); Untermhaus, öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Die Stellung der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft"( Genossin Ottilie Baader  ); Wandsbeck, öffentliche Versammlung der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen: Die Entwicklung der Industrie und die wirth­schaftliche und soziale Lage der Arbeiter und Arbeiterinnen"( Genosse Brey); Werdau  , öffentliche Versammlung für Männer und Frauen: " Die bevorstehenden Landtagswahlen"( Genosse Goldstein); Wilkau, öffentliche Volksversammlung: Die Thätigkeit der sozialdemokratischen Abgeordneten im Landtage"( Landtagsabgeordneter P. Horn); Wurzen  , öffentliche Parteiversammlung: Die bürgerlichen Parteien und die Sozialdemokratie"( Genosse Kaßenstein); 3wößen, öffentliche Ver­sammlung für Frauen und Männer:" Die Stellung der Frau in der heutigen Gesellschaft"( Genossin Ottilie Baader  ).

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Vereinsversammlungen fanden in der nämlichen Zeit statt in: Berlin  , Mitgliederversammlung des Verbands aller in der Metall­industrie beschäftigten Personen: Thätigkeitsbericht"; Langenbielau  , Mitgliederversammlung des Verbands der Textilarbeiter und Arbeite­rinnen: Licht und Leben"( Genosse Schultz); Stuttgart  , Mit­gliederversammlung der Freien Vereinigung der Handelsangestellten: 1) Thätigkeits- und Kassenbericht"( Genosse Behr), 2) Die Errichtung eines unentgeltlichen englischen Unterrichtskurses für Männer und Frauen; Uhlenhorst  , Mitgliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: Die Entstehung der Frauenbewegung und die unwürdige Lage der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft"( Ge­nossin Kanty).

- Fortschritte der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterinnen. Der Verband der deutschen   Schneider und Schneide­rinnen zählte 1893 in 207 Orten 6965 männliche und 353 weibliche Mitglieder. 1894 dagegen gehörten ihm in 219 Orten 7129 männ­liche und 458 weibliche Mitglieder an. Die im Schneidergewerbe, besonders in der Konfektionsbranche, beschäftigten Frauen und Mädchen zählen bekanntlich zu den Ausgebeutetsten der Ausgebeuteten. Sie bedürfen deshalb des Schutzes der Organisation ganz besonders dringend. Besonders groß sind allerdings auch die Schwierigkeiten, welche sich gerade der Organisirung der betreffenden Arbeiterinnen entgegenstellen: der niedrige Verdienst ist ihrer gewerkschaftlichen Gruppirung ebenso hinderlich, wie die Zersplitterung der Betriebe, die Ausdehnung der Hausindustrie und des Schwitzsystems. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist es mit doppelter Freude zu begrüßen, daß die Zahl der weiblichen Mitglieder des Schneiderverbandes gestiegen ist.

Agitation. In der Rheinprovinz   unternahm auf Ver­anlassung des Rheinischen Agitationskomites Genossin Zetkin   in der Beit vom 9. Mai bis 2. Juni eine größere Agitationstour. Zweck derselben war, insbesondere die Frauen für den Sozialismus zu ge­winnen, ihnen die Nothwendigkeit des Klassenkampfs und der Um­gestaltung der kapitalistischen   Gesellschaft in eine sozialistische klar­zulegen. Die Tagesordnung der weitaus meisten Versammlungen lautete deshalb: Die Frau und der Sozialismus." In mehreren Orten sprach Genossin Zetkin   über die Themata: Warum fordern die proletarischen Frauen ihre politische Gleichberechtigung, insbeson­dere das Wahlrecht?"" Der Einfluß der indirekten Steuern auf die Lage der Frauen des Volks"," Die politische Lage und die Arbeiter­tlasse." Versammlungen fanden statt in: Elberfeld  , Remscheid  , Düsseldorf  , Crefeld  , Aachen  , Duisburg  , Wald, Köln  , Kalk, Barmen, Wichlinghausen, Solingen  , Werden, Kattenberg, Essen, Hückeswagen  , Neuwied   und Kreuznach. An mehreren Orten waren die Versammlungslokale durch das Eingreifen der lieben Polizei abgetrieben worden. Die Versammlungen waren

mit ver­

schwindenden Ausnahmen durchgehends sehr gut besucht, zum Theil überfüllt; Frauen wohnten ihnen überall bei, in den meisten Orten sogar in sehr beträchtlicher Zahl. In begeisterten Kundgebungen für den Sozialismus gestalteten sich insbesondere die Versammlungen in Düsseldorf  , Crefeld  , Aachen  , Köln   und Essen, im Reiche des Ranonen­

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besonders lebendig und interessant, daß Gegner sich an ihnen bethei­ligten. In Crefeld   paradirte ein übrigens harmloses Spießbürgerlein mit dem Zopfe, die Frau dürfe keine politischen Rechte besitzen, weil o heilige Logik! schon jetzt im Reichstage schreckliche Verwirrung herrsche und die zum Extremen neigenden Frauen diese nur steigern würden." Unter stürmischem Jubel der Versammlung wies die Refe­rentin seine Ausführungen zurück. In Düsseldorf  , Barmen und Hückes­ wagen   griff je ein protestantischer Geistlicher in die Debatten ein. In den beiden erstgenannten Städten waren die Einwendungen der Herren gegen die sozialistische Auffassung durchaus sachlicher Natur, und wurden in sachlicher, anständiger Weise dargelegt und von der Rednerin ebenso sachlich, wenn auch entschieden zurückgewiesen. Nicht so in Hückeswagen  . Das Auftreten des dortigen Pfarrers legte die An­nahme nahe, der Herr habe die Absicht, sich in der Doppelrolle als Knote und Clown zu präsentiren. Statt auf die angeführten That­sachen einzugehen, führte er aus, die Referentin sei unkonsequent, wenn sie für die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts eintrete, müsse sie doch in Hosen und mit einem Bart erscheinen! Wenn die Sozialdemokratie der Frau gleiche Rechte wie dem Manne gewähren wolle, müsse sie dafür sorgen, daß Gottes Einrichtung" entgegen der Mann in Zukunft ebenfalls Kinder gebäre 2c. 2c. Genossin Bettin ersparte ihm die verdiente Antwort nicht, und die Versamm­lung bewies durch den reichen Beifall, daß sie der sozialistischen  Auffassung beipflichtete. Mit recht kennzeichnenden Verhältnissen mußten die Genossen in Neuwied   betreffs ihrer Versammlung rechnen. Die Polizei sorgte dafür, daß sämmtliche Plakate, welche die Ver­sammlung anzeigten, abgerissen wurden, kaum daß sie angeklebt worden. Nur ein einziges von allen war der ordnungsretterischen Hand ent­zogen, weil es am Laden eines Parteigenossen angeschlagen war. Um auch dieses zu entfernen, intervenirte die Polizei bei der Hauswirthin, der nahegelegt ward, doch den Schandfleck" nicht an ihrem Hause zu dulden. Der Versammlung selbst wohnte ein großer Theil der Besucher nicht in dem Lokal bei, sondern vor den geöffneten Fenstern im finstern Hofe, weil die Leute nach den gemachten Erfahrungen fürchteten, ihren Arbeitgebern durch die Polizei denunzirt zu werden. Die Thatsache, daß Männer und Frauen zwei Stunden lang im Finstern und stehend aushielten, um sich über den sozialistischen   Stand­punkt aufzuklären, redet ganze Bände, wie es um die Vereins- und Versammlungsfreiheit des Proletariats in der bürgerlichen Gesellschaft bestellt ist, aber auch davon, daß die Masse der Ausgebeuteten un­widerstehlich, mit Naturgewalt zum Sozialismus gedrängt wird. Ge­wiß, noch ist in den meisten Gegenden der Rheinprovinz   der Einfluß des Zentrums sehr mächtig. Aber schon ist er ernstlich ins Wanken gekommen, schon beginnt die proletarische Gefolgschaft der Ultramon­tanen auseinanderzubröckeln, nicht nur der Arbeiter, auch die prole­tarische Frau entzieht sich allmälig dem Einflusse der Kapläne. Gerade der letztere Umstand ist sehr wichtig: die Beeinflussung der Frau ist dem Klerus allzeit ein Mittel gewesen, den Mann des Volks aus­zubeuten. Daß eine industriell so hoch entwickelte Gegend wie die Rheinprovinz   der Sozialdemokratie zufallen muß, ist naturnothwendig. Die Verdrängung der Partei der Kapläne durch die Partei des prole­tarischen Klassenkampfs ist nur eine Frage der Zeit, eine Frage der politischen Aufklärung und Schulung der Massen. Die Ultramontanen selbst beschleunigen durch ihre arbeiterfeindliche Haltung im Reichs­tage den Zeitpunkt, wo sie abgewirthschaftet haben. Die Genossen aber thun in ernster, begeisterter und pflichttreuer Arbeit das ihrige, der Sozialdemokratie neue Schaaren von Anhängern zu werben und die neuen Streitkräfte aus unklaren Mitläufern zu zielbewußten So­zialisten und Sozialistinnen zu erziehen. Voll und ganz sind sie sich der Verantwortung bewußt, auf einem besonders schwierigen, aber auch ehrenvollen Posten im Klassenkampf zu stehen.

Allerlei aus dem Reichstage.

Nach dem Ungeheuer Umsturzvorlage hat der Reichstag   endlich auch den nicht minder volksfeindlichen Balg Tabaksteuer abgethan. Ein halbes Jahr lang hat er seine Zeit und Kraft vergeuden müssen mit der Berathung der geplanten Schröpfung des kleinen Mannes, mit Berathung einer Maßregel, die Tausende von Arbeitern und Arbeiterinnen dem Hunger überantwortet hätte. Noch in letzter Stunde legte sich der Vertreter der Regierung, Posadowsky, mit größtem Eifer dafür ins Zeug, daß der Tabak mehr bluten solle. Nur eine Kleinigkeit, meine Herren, bettelte er, nur lumpige 10% Mil­lionen statt der früher geforderten 104 bewilligen Sie zum Besten der Finanzreform", zum Besten der nothleidenden Kleinstaaten, welche die Löcher ihres Budgets doch unmöglich dadurch stopfen können, daß sie die darbenden Mark- und Thalermillionäre etwas schärfer zu