Nr. 14 der ,, Gleichheit" gelangt am 10. Juli 1895 zur Ausgabe.
Kleine Nachrichten.
Zur Petition der bürgerlichen Frauenvereine, die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren betreffend, haben außer den von uns bereits angegebenen, noch weitere Körperschaften bezw. Ministerien Stellung genommen. Der Landtag von Oldenburg lehnte die Petition ab. Jn Schwarzburg- Rudolstadt dagegen will der Landtag dieselbe in Erwägung ziehen. Das Ministerium von Reuß- Greiz hat den Petenten eine zustimmende Antwort zugehen lassen, dasjenige von Sachsen- Meiningen ersuchte um zwanzig weitere Exemplare der Petition, hatte aber bis vor Kurzem noch keine Stellung zu derselben genommen.
Schmachvolle Löhne zahlt die Leipziger Weltfirma Palich ihren Arbeitern und Arbeiterinnen. Für das Nähen eines Damenmantels das Zuschneiden, Knopflochnähen und Bügeln geschieht im Geschäft selbst erhält der Zwischenmeister 2 Mt. Für die Auslagen an Maschinengarn, Seide, Zwirn, die ungefähr 25 Pfg. betragen, muß er selbst aufkommen. Nach der Versicherung eines Zwischenmeisters hat ein Mädchen mindestens einen vollen Tag an einem solchen Mantel zu arbeiten, da dessen Nähte sämmtlich eingefaßt werden müssen. Man kann sich vorstellen, welch armselige Pfennige die Näherinnen pro Tag verdienen, wenn der Zwischenmeister, der bei dem Geschäft doch nicht leer ausgeht, pro Mantel nur 1 Mt. 75 Pfg. Lohn erhält. Daß die Firma Palich bei solchen Löhnen gedeiht, glauben wir gern, ob aber die Näherinnen dabei auch gedeihen, daß steht auf einem anderen Blatt.
Die Ausbeutung kindlicher Arbeitskräfte ist ein beliebtes Mittel, den kapitalistischen Profit zu erhöhen. So will laut Inserat ein Zeitzer Unternehmer 40-50 größere Schulmädchen dauernd mit dem Häkeln von Gabelborte beschäftigen. Warum der Herr seine Arbeit nicht erwachsenen Frauen übergeben will, weiß Jeder, der kapitalistischen Profithunger fennt: erwachsene Arbeitskräfte sind theuere Arbeitskräfte; jugendliche Hände" sind billige Hände", deren Verwendung bei sonst gleichen Produktionsbedingungen höheren Mehrwerth einheimsen läßt. So wird das proletarische Kind neben der Schularbeit und oft mit Vernachlässigung derselben zur Erwerbsarbeit herangezogen, so muß es im Dienste eines Unternehmers Stunden auf Stunden verwenden, welche ausschließlich der Entwicklung seines Körpers, Geistes und Charakters gewidmet sein sollten. Die Eltern aber sind durch die Noth des Lebens, durch ihre Klassenlage gezwungen, Ja und Amen zu der kapitalistischen Ausbeutung ihrer Kinder zu sagen Gesetzlicher Arbeiterinnenschuß in der Schweiz . Das Departement für Handel und Industrie des Kantons Solothurn hat den Entwurf eines Gesetzes veröffentlicht zum Schutze der Arbeiterinnen. Das Gesetz soll gelten für alle Betriebe und Geschäfte, welche dem eidgenössischen Fabrikgesetze nicht unterstellt sind, in denen aber eine oder mehrere weibliche Personen gegen Lohn oder zur Erlernung eines Berufes arbeiten. Landwirthschaftliche Betriebe und kaufmännische Bureaus sollen jedoch dem Gesetze nicht unterstellt werden. Nach dem Entwurfe dürfen Mädchen unter 14 Jahren weder als Arbeiterinnen, noch als Lehrmädchen beschäftigt werden. Die Sonntagsarbeit ist untersagt; die tägliche Arbeitszeit ist nach dem Entwurfe zu weit ausgedehnt, nämlich auf 11 Stunden. Da verschiedene größere und kleinere Betriebe die Arbeitszeit auf 9 Stunden täglich herabgesetzt haben, so ist auch in dieser Richtung eine durchgreifende Reform angezeigt. Für jeden Betrieb und jedes Geschäft soll eine Arbeitsordnung festgestellt werden, welche Arbeitszeit, Lohnzahlung, Strafgelder, Aus- und Eintritt regelt. Der Lohn ist alle 14 Tage in gesetzlicher Münzsorte auszuzahlen. Für die weiblichen Bediensteten der Wirthschaften und Ladengeschäfte, soweit sie nicht gewerbliche Arbeiten verrichten, sind besondere Bestimmungen aufgestellt. In den meisten Kulturländern geht man an eine stufenweise Erweiterung und Vertiefung des gesetzlichen Arbeiterschutzes. Im herrlichen Deutschen Reiche dagegen muthet man Lohnsklaven und Lohnsklavinnen zu, sich mit einem Rückwärts, einer Durchlöcherung des gewährten äußerst färglichen gesetzlichen Schutzes gegen den kapitalistischen Mehrwerthhunger abzufinden.
Arbeiterschutz im Kanton Waadt . Der Staatsrath von Waadt hat den Entwurf eines Gesetzes veröffentlicht, das die nicht dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellten Arbeiter und Arbeiterinnen schützen soll. Die wesentlichen Bestimmungen des Entwurfs sind folgende: Die Arbeitszeit darf nicht mehr als 12 Stunden pro Tag und 65 Stunden pro Woche betragen. Die Ruhepausen dürfen nur in Anrechnung gebracht werden, wenn der Arbeiter die Möglich keit hat, den Arbeitsraum verlassen zu können. Die obligatorische Mittagspause muß mindestens eine Stunde dauern, die Zeit der nächtlichen Arbeitsunterbrechung mindestens 8 Stunden. Die Bestimmungen
104
über die Dauer der Arbeitszeit und der Pausen haben keine Geltung für Leute, welche Kundschaft zu bedienen haben, wie Ladendiener, Ladenmädchen, Restaurations, Hotel- und Cafékellner, Herbergs mägde 2c. Die Sonntagsarbeit ist verboten, doch kann statt des Sonntags ein anderer Wochentag als Ruhetag angewiesen werden oder auch zwei Halbtage. Wöchnerinnen dürfen erst 4 Wochen nach der Geburt ihres Kindes wieder beschäftigt werden, können aber auch einen Urlaub von 6 Wochen verlangen. Die Unterrichtszeit von Primärschülerinnen( Volksschülerinnen), Gewerbeschülerinnen und Religionsunterrichtsbesucherinnen muß in der Arbeitszeit mit verrechnet werden. Kellnerinnen unter 18 Jahren dürfen nur eingestellt werden, wenn sie mit dem Wirthe verwandt sind. Verpflegung und Logis darf nur zum Selbstkostenpreis verabfolgt werden, es ist verboten, Miethe für Handwerkszeug zu erheben, ebenso eine Entschädigung für die Reinigung des Arbeitsraumes 2c. Der Lohn ist innerhalb der Arbeitsstunden und im Arbeitslokale in gesetzlicher Währung aus zuzahlen. Bußen dürfen nur auf Grund einer vom Gemeinderath genehmigten Arbeits- und Werkstattordnung erhoben werden, den vierten Theil des Taglohns nicht übersteigen, ihre Verwendung muß ausschließlich zu Gunsten der Arbeiter erfolgen und ist genau zu buchen. Das Gesetz gilt nicht für die Arbeiter landwirthschaftlicher Betriebe und für Bureauangestellte. Es ist auch weit davon entfernt, das Jdeal eines Arbeiterschutzgesetzes darzustellen, aber immerhin be deutet es einen nicht unwesentlichen Fortschritt des Ausbaus der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Arbeiter und Arbeiterinnen. Während alle Länder, die Anspruch darauf erheben, Kulturstaaten zu sein, ihren gesetzlichen Arbeiterschutz erweitern und vertiefen, arbeitet man in Deutschland , Volldampf voraus, an einer Lahmlegung und Durchlöcherung des färglichen Arbeiterschutzes.
Frauen im Bankdienst gelangen mehr und mehr in Frankreich zur Verwendung. Nach der„ Revue de Deux Mondes" sind in Pariser Bankhäusern allein gegen 100 angestellt. 70 davon sind un verheirathet, 20 verheirathet und 10 Witwen. Das Durchschnittsgehalt beläuft sich monatlich auf höchstens 120 Mart, eine bei den Pariser Verhältnissen durchaus unzureichende Summe, um eine fultur würdige Existenzführung zu ermöglichen. Das Gehalt der weiblichen Bankbeamten stellt sich bedeutend niedriger, als das ihrer männlichen Kollegen, die mit den gleichen Funktionen betraut sind. Nicht die Einsicht in die Nothlage weiter Frauenkreise eröffnet in der kapita listischen Gesellschaft dem weiblichen Geschlecht neue Berufssphären. Die Profitgier der Herren Unternehmer ist es, welche die Frau als billige Arbeitskraft nicht nur neben dem Manne beschäftigt, sondern, wo es irgend geht, an Stelle des Mannes.
Weibliche Aerzte. Achtzehn Studentinnen der Medizin sind gegenwärtig an der Stockholmer Universität immatrikulirt, acht von ihnen haben bereits das Rigorosum bestanden. Eine der künftigen Aerztinnen ist Assistent bei den pathologisch- anatomischen Uebungen am Karolinischen Institut. Die Aerztinnen fönnen in Schweden genau unter den gleichen Bedingungen praktiziren, wie die Männer. Deutsche Frauen, die Medizin studiren wollen, müssen noch immer ihr Berufswissen an ausländischen Universitäten holen. Und Aerztinnen, die in Deutschland praktiziren, stehen ungeachtet der vielleicht glän zendsten Examina, vor dem Gesetze auf gleicher Stufe mit Kurpfuschern
und Quacksalbern.
Weibliche Armenpfleger in England. Gegen 900 Frauen sind in England zu Armenpflegern gewählt worden und erfüllen ge wissenhaft die Pflichten ihres Mandats, ohne daß Jemand von einer Demonstration nothleidender" Männer und Kinder gehört hätte, die mit angebrannten Braten, versalzenen Suppen und zerrissenen Socken und Hosen gegen dieses„ Heraustreten der Frau aus ihrer natürlichen Berufssphäre" ein Veto einlegen wollten.
Fortschritte des Frauenstimmrechts in Amerika . In Cali fornien haben fürzlich Repräsentantenhaus und Senat einen Antrag debattirt, dem weiblichen Geschlecht das Stimmrecht zu verleihen. Das Volt soll durch Abstimmung über den Antrag entscheiden. In Newada liegen die Dinge bezüglich des Frauenwahlrechts ebenso. Auch im Staate Utah ist angeregt worden, eine Volksabstimmung über die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts ents scheiden zu lassen. Das Gemeindewahlrecht wurde den Frauen mit starker Majorität vom Repräsentantenhaus( Unterhaus) von Maine zuerkannt. In Massachusetts , New- Hampshire und Nowa Scotia fand der nämliche Gesetzentwurf eine nicht unbeträchtliche Minorität. Die gesetzgebenden Körper von Connecticut und Arizona haben über die Frage noch nicht entschieden.
Ein staatliches Arbeitsnachweisbureau für Frauen ist von der Kolonialregierung in Viktoria( Ausstralien) geschaffen worden. Seine Oberleitung liegt in den Händen der Fabrikinspektorin.