nünftigen Forderungen Muckerei und Büttelei paart. Aber freilich, auch die angedeuteten Reformen und andere ihrer Art können der Prostitution nur im allerbescheidensten Maße entgegenwirken. Denn, Hand aufs Herz, ist innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft eine so belangreiche Hebung der Klassenlage des werkthätigen Volts möglich, daß die wirthschaftlichen Ursachen verschwinden, welche den Nährboden für die Prostitution als Massenerscheinung bilden?
Kein einziger Bericht über die Münchener Generalversammlung läßt den Schluß zu, daß die Opposition sich in der Frage der Prostitution von den sozialpolitischen Allotria der Majorität ferngehalten habe. Und wir können unmöglich annehmen, daß ihre abweichende, verständigere Haltung sang- und flanglos in den Orfus verschwunden sein sollte. Bis jetzt gehörte es wahrlich nicht zu den Gepflogenheiten der Opposition, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Umgekehrt: hin und wieder blies sie einen leeren Sack mit Luft auf, um ihr Licht möglichst hoch stellen zu können und möglichst weit leuchten zu lassen. Allem Anschein nach dafern die uns vorliegenden Berichte zutreffend sind hat auch sie sich zu der kindlich- naiven, um nicht zu sagen tindisch- albernen Auffassung bekannt, daß die Sittlichkeit ein Homunculus ist, der von einer schneidigen Polizeifaust in der Retorte polizeilicher Verfügungen fabrizirt werden kann. Auch sie gesellte sich den frömmelnden Sittlichkeitsvereinlern bei, welche zur Bekämpfung des Drachen Prostitution den Schuhmann mit Papierkügelchen waffnen wollen. Die klassenbewußten Proletarierinnen wissen, wie sie diese sozialpolitischen Allotria zu bewerthen haben.
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Die Lage der Arbeiterinnen in der Berliner Herren- und Knabenkonfektion.
J. T. Die Entwicklung der Schneiderei vom Handwerk bis zur manufakturistischen Konfektion bedeutet eine Umwälzung, die für die Arbeiterschaft dieser Industrie mannigfache Erscheinungen gezeitigt hat. Innerhalb der Schneiderei sind eine Menge einzelner Branchen entstanden, von denen man vor 30 bis 40 Jahren noch keine Ahnung hatte. Das Massenangebot von Arbeitskräften, sowie die leichte Beschaffung der Arbeitsmittel fördern die billigste Hausarbeit, die selbst mit der modernen Großindustrie zu konkurriren vermag. Das scheußlichste aller Ausbeutungssysteme, das Schwitzsystem, sorgt zum Ueberfluß dafür, daß das Odium der Ausbeutung nicht auf den Kapitalisten selbst fällt. Die Anwendung der elendesten Betriebsformen, die Ab
( Schluß.)
" Ja, ja, ich merk' schon, wenn Ihr auch ein weißes Chorhemd anhabt und eine Stola überhängen und ein vierseitig Räppel auf, Ihr wißt ja doch nicht mehr wie der Huber; geb' auch nichts darauf, daß Ihr viel Anderes wißt, wo das doch ein Hauptstück." Er schritt gegen die Kirche zu.
Ha, ja, ja, da kann sich Jeder hinlegen und versterben, in welchem Glauben und in welcher Meinung er will und kann sich's an das Grab schreiben lassen, hat er erst seine sechs Schuh Erde über sich und ist eine Weil' schön sauber ans Verstorbensein ge= wöhnt, so nimmt er Euch wohl nimmer beim Wort. Und soll, wie bei einer andern Red' das letzte Wort gelten, das gesagt worden ist dieselbe Ruh' und der nämliche Fried' wird mir auch, wenn ich gleich hinfall' wie das liebe Vieh. Dazu brauch' ich keine Fürbitte. Ei ja." Er seufzte tief auf.
Unterdem war er bis an die rückwärtige Mauer der Kirche gelangt, an welche etliche Steintafeln und Inschriften genietet waren, eine davon war aus Mörtel und Klammer gebrochen und lag in zwei Theile zerschellt am Boden, überwuchert von einem mächtigen Brombeerstrauch. Der eine Theil, welcher besagte, wem die Grabschrift galt, verschwand ganz im Gewirre der dichten Zweige, über den anderen, der einen Vers eingemeißelt trug, streckte der Busch einzelne Ranken mit den breiten, rauhen Blättern, Blüthen, grünen und reifen, mattbläulichen Beeren. Der Huber ftreifte mit seinem Stocke das Buschwerk zurück, Grüne Moosflecke und tiefschwarze Erde, die einige Buchstaben ausfüllte, erschwerten ihm das Entziffern der Lapidarlettern. Genäschige Ameisen liefen quer über die Platte nach abgefallenen reifen Früchten.
Nach einiger Mühe brachte es der alte Bauer zu Stande, den Spruch zu lesen:
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wälzung der Betriebslasten auf die Schultern der Arbeiterschaft und der verschiedenen Zwischenglieder zwischen dieser und dem Kapitalisten sind für die Unternehmer und Händler der Konfektion von größtem Vortheil. Von allen Berliner Industrien ist die Konfektionsindustrie die weitaus blühendste und bedeutendste geworden. In dieser blühenden und gewinnreichen Industrie ist aber auch die schamloseste Ausnüßung der Arbeitskraft an der Tagesordnung. Nicht überraschend ist es daher, daß sich die Konfektionsunternehmer in der Jagd nach wohlfeilsten Arbeitskräften die billige Frauenarbeit in ausgedehntestem Maße nutzbar gemacht haben. Und dies ohne Rücksicht auf die Folgen davon für die ausgebeuteten Arbeiterinnen und ihre Angehörigen. In der Kalkulirstube der Kapitalisten weicht die öffentlich zur Schau getragene Arbeiterfreundlichkeit, dort gilt nur ein Grundsatz: Profit, möglichst viel Profit einzufäckeln.
Werfen wir zunächst einige Streiflichter auf die Lage der Arbeiterinnen der Herren- und Knabenkonfektion.
Die Herrenkonfektion zerfällt in die Rock, Paletot, Joppen, Hosen und Westenbranche. In der Rock- und Paletotkonfektion wird weniger Frauenarbeit verwendet, als in den übrigen Branchen. Die Herstellung eines Paletots oder Rockes erfordert viel größeres technisches Geschick, als die Anfertigung von Hosen und Westen. Bei der Paletot und Rockfonfektion können deshalb weit weniger ungelernte Arbeiter verwendet oder Arbeiter in wenigen Wochen angelernt werden, wie dies in der Hosen- und Westenkonfektion geschieht. In letzteren Branchen werden dagegen fast ausschließlich Arbeiterinnen beschäftigt. Entweder arbeiten dieselben in der Werkstelle des Zwischenmeisters oder aber, was weit häufiger der Fall ist, in ihrer eigenen Wohnung. Nur die Zwischenmeister, welche die besseren Waaren anfertigen, haben noch Werkstellen, diejenigen ihrer Kollegen, welche die niederen Gattungen herstellen, vergeben die Arbeit ausschließlich an Heimarbeiterinnen.
Die Stücklöhne, welche die betreffenden Arbeiterinnen erhalten, sind außerordentlich verschieden. Sie richten sich nach der Qualität der Arbeit, dann aber auch nach dem Grade des Talents und der Uebung, welche der Zwischenmeister im Punkte des Lohndrückens und Lohnzwackens besitzt. Für Hosen, welche dem Zwischenmeister pro Stück mit 40 bis 50 Pf. gezahlt werden, bekommt die Arbeiterin beispielsweise 15 bis 20 Pf. in der Werkstelle; 20 bis 25 Pf., wenn sie außer dem Hause arbeitet. Ihr Lohn für eine bessere Art Hosen beträgt 30 bis 35 Pf., wenn sie in der Werkstelle, 35 bis 40 Pf.,
VON DER WIEGE NACH DER BAHR SEIN WIR ALL VON EINEM ORDEN, WAS ICH EINST GEWESEN WAR, BIN ICH JETZO WIEDER WORDEN. MDCLXXXVIII.
Er zog hastig den Stock zurück und die Ranken schnellten wieder darüber.
" Der meint's auch nit anders, der da darunter gelegen hat. Nah'zu zweihundert Jahr her. Warum sie das Getäfel nicht auch frei da an der Wand haben hängen lassen?"
Er fuhr sich mit dem bunten Sacktuch über die Stirne, falter Schweiß brach ihm aus.
"
Ah ja, dasselbe schwant Einem schon öftermal im Leben, aber als ein Junger springt man darüber weg, und als Mann weicht man bedächtig aus, erst als ein Alter fällt man mit der Nase darauf. Nichts davor und nichts dahinter und in der Mitte nit viel Gescheidtes. Das Versterben ist lang nicht so dumm wie das Geborenwerden. Von wo man Eines in die Wiege legt, bis wo man es wieder auf den Laden bringt, ist doch nur eine kleine Spann', ob mit langen oder kurzen Fingern ausgemessen, und was inmitten zu verrichten ist, das ist nicht so bedeutsam, daß wir es nicht allein ermachen könnten, gleichwohl, ob ein Herrgott wär' oder keiner."
Er blinzte mit den Augen. Kein Donner grollte, kein Blizz zuckte, der Kirchhof lag friedlich und still im Frühsonnenschein wie zuvor.
"
,, Sie meinen freilich, dahernach würden wir uns untereinander auffressen wie das wilde Vieh, aber ich meine schon, es weiß Jeder, so hart er beißt, kann er wieder gebissen werden, und da schont er lieber eigene Zähn' als fremde, und braucht kein Gebot dazu. Gleich besser, es giebt gar keinen da oben und was uns trifft, fällt blind herunter wie der Hagel aufs Feld, möcht' Keiner erft fragen: warum, und nähm's nicht als Straf', zu der