Frau galt mit dem antikollektivistischen Bauernschädel" zusammen für das festeste Bollwerk gegen die schwellende Fluth des Sozialismus. Die proletarische Frau aber bekennt sich heute mehr und mehr zum Sozialismus, sie lehrt ihre Kinder an den Sozialismus glauben, auf ihn allein hoffen. Dies der Grund, weshalb die Polizei ihre All­gewalt, die Juristerei ihre zünftige, definitionsmächtige Weisheit gegen die proletarische Frauenwelt mobil gemacht hat. Dies der Grund, weshalb gegen sie auch ohne Umsturzgesetz" eine Rechtspraxis Trumpf ist, welche in immer schrofferem Gegensatz steht zu dem Rechts­bewußtsein weiter Volksfreise. Gefährlich ist es, wenn ein Staat die Gesetze, die für Alle gelten sollen, mittels talmudistischer Aus­legekunst zu Waffen schmiedet, die sich blos gegen eine bestimmte Klasse der Bevölkerung fehren. Gefährlich für den Staat selbst, der sich dadurch unverhüllt als das Werkzeug der Herrschenden und Besitzenden entpuppt, und nicht für die Betroffenen, nicht für die Bewegung, der man das Lebenslicht ausblasen möchte.

Was hat man mit allen Nücken und Tücken bis jetzt bezüglich der proletarischen Frauenbewegung erreicht? Nur daß immer mehr Frauen und Mädchen des arbeitenden Volks die Augen aufgegangen sind über das Wesen des Staats und seiner Einrichtungen. Jede Niederbüttelung und jede juristische Erdrosselung der Bethätigung der proletarischen Frauen in den Zeitkämpfen weckt mit dieser Erkenntniß den Haß gegen Zustände, welche der Proletarierin in ihrer Eigenschaft als Frau die gesetzlichen Mittel vorenthalten, als Angehörige der Arbeiterklasse unter gleichen Bedingungen wie ihre Brüder der Frohn und des Elends ihre Befreiung erkämpfen zu können. Und weil die Proletarierin durch ihre nächstliegenden Lebens­interessen zum Kampfe für ihre Befreiung gezwungen wird, so nimmt ihre Bethätigung in demselben andere Formen an, sobald er in den bisher üblichen nicht mehr möglich ist. Polizeiliche Schneidigkeit und richterliche Spitzfindigkeit können ihr den Kampf erschweren, vermögen aber nicht, ihm Stillstand zu gebieten. Unauf­haltsam tost er weiter, dem Ziele zu. Uebrigens zwingt die Logik der Thatsachen" nicht blos die Proletarierinnen zum Befreiungskampf, sie modernisirt" auch die Anschauungen der Richter. Gelegentlich der Verurtheilung der ersten Leiterinnen der Arbeiterinnenbewegung( 1886) erklärte der Vorsitzende Brausewetter, die Frauenagitation sei eine neue Gefahr und befürwortete deshalb ihre strenge Bestrafung. Bei der Verhandlung gegen die Berliner   Frauen- Agitationstommission anerkannten Richter und Staatsanwalt, daß die öffentliche Thätigkeit der Angeklagten der Wahrung berechtigter Interessen gedient habe. Selbstverständlich ist die proletarische Frauenbewegung nicht

Vornehmer Wettbewerb.

Aus dem Arbeiterinnenleben. Von Bernhard Westenberger.

( Schluß.)

Die Konditorei Rouchelle ist sehr beliebt; sie hat so hübsche Sonderstübchen, wo man ungestört den süßen Leckerbissen huldigen

fann.

Melanie schnellte mit einer Zuckung der Nasenmuskeln den feinen goldumränderten Zwicker von seinem Siz und ließ sich mit einem schrecklichen Seufzer in die Polsterlehne des Seffels zurückfallen.

Ah, bin ich satt! Nein, diese Nahmtorte bringt mich noch ums Leben ich kann nicht genug bekommen. Ah, köstlich, köstlich!"

Die zwei jungen Freundinnen blickten lachend von ihrer Arbeit, einem Teller voll Schneegebäck, auf und betrachteten Melanie, welche die Füße weit von sich streckend und die Arme hängen lassend, ihre volle üppige Gestalt auf dem Stuhle wiegte.

Bertha hob mit recht mädchenhafter Gebärde das schmale Händchen vor die frischen, mit einem leichten Streifchen Schnee schaum gezierten Lippen, warf einen ungefünftelt ängstlichen Blick nach dem großen Fenster, vor dem sie saßen, und sagte: Aber nein Melanie wenn man Dich so sähe

"

-

-

Friederike wurde ebenfalls unruhig: wenn man uns sähe!"

"

Es ist wahr

-

Melanie lachte belustigt auf. " ihr

, ihr Gänschen

"

seht doch, diese Scheiben sind wohl­seht doch, diese Scheiben sind wohl­weislich so eingerichtet, daß man gut hinaus, aber keineswegs hereinsehen kann. Nein, da müßte die Konditorei Rouchelle nicht die erste der Stadt sein, wenn sie nicht einmal mit so einfachen

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so thöricht, Bewegungsfreiheit zu erhoffen von der steigenden Einsicht der Staatsgewalten. Sie weiß, daß ihr dieselbe einzig und allein zufällt mit der steigenden politischen Macht des deutschen Proletariats. Was Klasseninteresse, Einsichtslosigkeit und Zopf ihr vorenthalten, das bringen ihr die Siege des proletarischen Klassenkampfes. E. J.

Arbeiterinnen- Bewegung.

In der Zeit vom 20. Juli bis 11. August fanden öffentliche Versammlungen statt in: Altona  , öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: Die Bewegung der Konfektions­arbeiter"( Genosse Sabath); Berlin  , öffentliche Versammlung der in der Schuhindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Gewerbeordnung und ihre Bedeutung"( Genosse Millarg); öffentliche Versammlung der in der Kürschnerbranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Ist die Hausindustrie unserer Branche unter den jetzigen Verhältnissen noch lebensfähig, und wodurch kann dieselbe ihre Lage verbessern?"( Genosse Regge); öffentliche Versammlung der Vergolder und Vergolderinnen: Stückarbeit und Akkordarbeit"( Genosse Hoffmann); öffentliche Versammlung der Metallarbeiter und Arbeite rinnen: Wohlfahrtseinrichtungen und Klassenkampf"( Genosse Näther); Bonn  , öffentliche Volksversammlung: Die Gesetzmäßigkeit im Gesell­schaftsleben"( Genosse Grimpe- Elberfeld); Breslau  : öffentliche Ver­sammlung der Schneider und Schneiderinnen: Der Stettiner Streit" ( Genosse Liepelt); Charlottenburg  , öffentliche Volksversammlung: ,, Wieviel ist eine Frauensperson werth unter Berücksichtigung behörd­licher Einschätzungen?"( Reichstagsabg. Stadthagen  ); Friedrichs­berg, öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Der Ent wurf des Agrarprogramms"( Reichstagsabg. Stadthagen  ); Gießen, öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Die Nothwendig keit der Gewerkschaftsbewegung"( Genossin Schneider- Köln); Halle, öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: Das Schwitzsystem in der Konfektionsindustrie"( Genosse Albrecht); Ham­ burg  , öffentliche Versammlung der in Konditoreien 2c. beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Unsere wirthschaftliche Lage"( Genosse Völck); Leipzig  , öffentliche Frauenversammlung: Die wirthschaft­liche Lage der Frauen"( Genossin Vogel); Nieder- Schönhausen, öffentliche Volksversammlung: Die Frauen im heutigen Rechtsstaat" ( Genossin Rohrlack); Rudolstadt  , öffentliche Versammlung für Ar­beiter und Arbeiterinnen:" Die Gewerkschaftsbewegung und ihre Gegner"( Genossin Steinbach); Stuttgart  , öffentliche Versammlung

"

Maßregeln gegen unbefugte Blicke ausgestattet wäre. Wir sind hier ganz sicher: Frau Rouchelle läßt gar Niemand in unser Kneip­stübchen, dafür fennt sie ihre Leute."

Bertha schien von dieser Auseinandersetzung nur oberflächlich beruhigt; die großen dunklen Augen eilten schen und hastig von einem Gegenstand zum anderen, manchmal fuhr sie rasch über die leicht geröthete Stirne, und ein deutlicher Zug um den Mund verrieth, daß sie sich hier nicht recht behaglich fühlte.

Friederike hatte alle Aengstlichkeit überwunden; sie bemühte sich wenigstens, vor Melanie nicht mehr lächerlich zu erscheinen, und als diese ihr zierliches Täschchen öffnete, demselben eine Zigarette entnahm und es ihr anbot, griff sie herzhaft zu, während Bertha dankend ablehnte und gedankenvoll vor sich hinsah.

Behaglich rauchend, auf den Ellenbogen geſtüßt, musterte Melanie die Vorübergehenden. Die Brücke über den Fluß, die fast geradewegs auf die Konditorei zuführte, war ziemlich belebt, und so fehlte es denn nicht an Unterhaltungsstoff; dort wurde an einen etwas auffälligen Sonnenschirm, da an die orangegelben Handschuhe eines dahinschleichenden Herrn angeknüpft. Endlich fiel den beiden die Theilnahmslosigkeit Berthas auf, die, mit dem Messer spielend, die Krümchen auf ihrem Teller in kleine Häufchen zusammentrug. Melanie tupfte ihr nach einer Weile leicht auf die Hand:

Na, Berthchen, Du rechnest wohl aus, ob der schnöde Verdienst, den uns dieser Knauser von einem Michel heute zu­fommen ließ, für die Rechnung der Frau Rouchelle reichen wird nur unbesorgt, es bleibt nichts übrig. Ich kenne die Preise. Morgen aber nimmt Jede wieder etwas Ordentliches in Arbeit, damit wir wieder bei diesem Michel auftauchen können. Schade, daß er so schlau ist er giebt, was er will, und wir nehmen, was er giebt. Weiß er doch immer geschickt anzubringen: Wenn