Saalfeld   und Pößneck   sprach sie über: Die soziale Stellung der Frau und die Forderung der politischen Gleichberechtigung"," Welche Pflichten hat die Frau als die natürliche Erzieherin der Jugend, und ist sie im Stande, dieselben richtig zu erfüllen?"," Die Frau und der Sozialismus, Die Frau in der heutigen Gesellschaft". Die Ver­fammlungen waren ausnahmslos sehr gut besucht; schon lange vor ihrer Eröffnung drängte sich in den geräumigen Sälen ein zahlreiches Publikum, das bis zu einem Drittel bezw. bis fast zur Hälfte aus Frauen und Mädchen bestand. Besonders interessant war die für die Zeulenrodaer   Arbeiterschaft bestimmte Versammlung. Zeulenroda  ist in Reuß ä. L. gelegen, einem jener deutschen   Staaten im Westen taschenformat, die fast durchgängig besonders zähe an Zopf und Reaktion von anno tobacco festhalten. Das Gesetz untersagt hier den Frauen den Besuch jeder öffentlichen Versammlung. Nun ist allerdings die himmlische Vorsehung nicht so fürsichtig" gewesen, wie die staatsmännische, sie hat es gefügt, daß in dem braven Reuß ä. L. dicht bei Zeulenroda   eine Enklave des radikal" angefäuselten Reuß j. L. liegt, allwo Frauen Versammlungen beiwohnen dürfen. In dieser Enklave, in Langenwolschendorf  , fand die Versammlung für die Beulenrodaer statt und bewies durch den außerordentlich zahlreichen Besuch, wie gut und wirksam es ist, daß die benachbarte Staats­macht mit aller Strenge Bestimmungen aufrecht erhält, die aus der Zeit stammen, als der Großvater die Großmutter nahm". Auch in diesem Theil des schönen Thüringens ist die Bevölkerung durch ihre wirthschaftliche Lage zum großen Theil schon für den Sozialismus gewonnen, der täglich neue Anhänger sammelt. Reges politisches Leben zeigt sich fast überall. Dagegen läßt leider die Betheiligung der Arbeiter und Arbeiterinnen an den Gewerkschaften noch viel zu wünschen übrig. Die äußerst schlechten Erwerbsverhältnisse tragen zum Theil viel dazu bei, die Ausgebeuteten den Organisationen fernzuhalten. Dazu kommt in manchen Orten die völlige wirthschaftliche Abhängigkeit von einem oder von wenigen Fabrikanten, die ihre Uebermacht rücksichts­los ausnutzen, um den nöthigen Zusammenschluß ihrer Lohnsklaven zu Hintertreiben. Zähe Energie wird auch hier nach und nach über alle Schwierigkeiten triumphiren und eine gewerkschaftliche Bewegung in Fluß bringen, welche erfolgreich die Interessen der ausgebeuteten Arbeiterinnen und Arbeiter zu vertheidigen vermag. 0. B.

Im Zeichen der Köllerei stand der Monstreprozeß, der gegen die Mitglieder der Filiale Ottensen   des Zentralvereins der Frauen und Mädchen Deutschlands   vor dem Schöffengericht Altona  am 12. Juli zur Verhandlung gelangte. Sämmtliche Mitglieder der Filiale, 141 Personen, waren der Uebertretung des bekannten herr­

Ach, das arme Ding hat sicher seinen Zweck erreicht; die Leute suchen noch immer, bis jetzt hat man nur ein Päckchen auf­gefischt, das sie bei sich hatte. Es war eine große fertige Stickerei drin

"

" Da hast Du's", fiel Melanie ein, von Selbstmord aus Noth tann schon in diesem Falle keine Rede sein, eine Stickerei läßt sich verwerthen, verkaufen, mit Sticken fann man sich sogar, wenn man nur will und fleißig ist, ernähren."

der

Bertha hörte nichts von dem Meinungsaustausch Freundinnen, sie schaut starren Auges durch die Scheiben auf den Fluß, in dem sich die farbensprühende Gluth des Abendhimmels spiegelt. Von dem jenseitigen Ufer werfen die Fenster der Häuser blendende Lichter, dann und wann wieder verdeckt durch die schwer und düster dahinziehenden Rauchwolken eines nahen Fabrikschorn­steins. Auf der Brücke sammeln sich wieder die Leute und schauen hinab. Der von den zwei Männern geführte Nachen kommt strom­aufwärts; jedesmal, wenn sich die Ruder aus dem Wasser heben, blizen die Wassertropfen wie helles leuchtendes Gold, funkelnd und glizernd gleiten die Wellen wie im neckischen Spiele dahin, im Nachen aber liegt ausgestreckt eine weibliche Gestalt starr, regungslos, still.

-

-

Bertha schaudert, wie vom frostigen Hauch berührt, leise zu­sammen sie kann den Blick nicht abwenden von dem bleichen, von nassen Haarsträhnen umzogenen Gesicht, dessen Züge sie ver= gebens genauer zu erkennen sucht. Schwer und dumpf legt sich's auf ihre Brust, es ist ihr, als trügen sie alle Schuld an der Todten, alle die da gaffen, deuten, die Hälse recken und ste selbst mit; es ist ihr, als läge in diesem Nachen eine schreckliche Wahrheit und alles andere um sie her, die ganze Welt, sei Schein, Heuchelei, Lüge.....

ste

134

lichen Vereinsgesetzes angeklagt. Gegen dieses Juwel der Reaktion soll der Verein dadurch gefrevelt haben, daß politische Gegen­stände erörtert wurden in einer öffentlichen Versamm­lung, welche von einem Vorstandsmitgliede der Filiale einberufen worden war, ferner dadurch, daß in einer Mit­gliederversammlung ein Redner politische Fragen ge streift haben soll. Ein Theil der Angeklagten erklärte, zur Zeit, wo jene Morithaten geschahen und den preußischen Staat in seinen Grundfesten erschütterten, nicht mehr Mitglieder des Vereins gewesen zu sein. Die meisten Beschuldigten gaben ihre Zugehörigkeit zu dem Verbrecherklub zu. Sämmtliche Angeklagte bestritten, daß die Filiale ein selbständiger Verein sei und den Zweck verfolgt habe, in Ver­sammlungen politische Angelegenheiten zu erörtern. Der Vertheidiger betonte außerdem noch, daß die fragliche öffentliche Versammlung durchaus nicht als Vereinsversammlung betrachtet werden könne. Ein Zufall habe es gefügt, daß ein Vorstandsmitglied der Filiale die Versammlung einberief, und daß zwei andere Vorstandsmitglieder ins Bureau gewählt wurden. Bestritten müsse auch werden, daß sich die Mitgliederversammlungen mit Politik beschäftigten. Man könne doch nicht alles, was über das Haus hinaus gehe, als Politik bezeichnen. Der Gerichtshof erkannte dem Antrag des Staats­anwalts entsprechend auf 15 Mark Geldstrafe beziehungsweise 3 Tage Haft für 80 Angeklagte. 21 wurden freigesprochen, die übrigen waren nicht aufzufinden gewesen. Die Zahlstelle wurde außerdem als selbständiger Verein erklärt und gerichtlich geschlossen. Die nicht unerheblichen Kosten haben die Verurtheilten zu tragen, welche Berufung gegen das schöffengerichtliche Erkenntniß einlegen werden. Wie das endgiltige Urtheil auch ausfällt, Ottensens klassen­bewußte Proletarierinnen stehen unentivegt im Lager der Sozial demokratie und thun hier ihre Pflicht.

Bur Tage der Textilarbeiterinnen im nord­dweltlichen Böhmen  .

pidig

Das nordwestliche Böhmen   ist der Sitz einer ausgedehnten und blühenden Textilindustrie. In den meisten seiner Bezirke finden die kapitalistischen   Unternehmer äußerst günstige Vorbedingungen für den profitreichen Betrieb von Spinnereien und Webereien der ver­schiedensten Art: reichliche Wasserkräfte, billige Kohlen und billige, ja billigste Arbeitskräfte, nämlich Frauen und jugendliche Arbeiter. Die männlichen, erwachsenen Arbeiter, welche in der bedeutenden Porzellanindustrie oder im Bergbau der Gegend beschäftigt sind, ver dienen in den seltensten Fällen soviel, daß sie für den Unterhalt der ganzen Familie auffommen können. Da heißt es denn für die Frau, da heißt es für die halberwachsenen Kinder: mitverdienen. So findet ein steter Andrang von weiblichen Arbeitskräften zu den Spinnereien, Webereien, Wirkereien statt, die kraft ihrer hochentwickelten Pro­duktionstechnik ungelernte und schwache Frauen und Mädchen ebenso. gut wie Männer beschäftigen können und sie als billigere Hände" den Männern weit vorziehen. Die bittere Noth ist es also meist, welche die Frauen in die Textilbetriebe peitscht. Die Arbeitsverhält nisse sind fast nirgends und niemals so verlockende, daß sie die Frau bestimmen könnten, den häuslichen Herd zu meiden und in Fabrik oder Werkstatt zu frohnden.

Die Arbeitsräume entsprechen in den allerseltensten Fällen den Anforderungen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit und Sicher­heit der Arbeiterinnen gestellt werden müssen. Sie sind oft im Ver­hältniß zu der Zahl der hier arbeitenden Personen und zu der Zahl der aufgestellten Maschinen bei weitem zu eng und niedrig und ermangeln guter Ventilationsvorrichtungen. Beinahe stets sind sie von Stickluft erfüllt, die nach Maschinenöl und menschlichen Ausdünst ungen riecht, von Wollstaub, Fasern 2c. wolkig, nicht selten fast undurchsichtig gemacht wird. Die Vollpropfung der Fabriksäle mit Maschinen, zwischen denen die Arbeiterinnen und Arbeiter sich gewandt hindurch winden müssen, wird Ursache zahlreicher Unglücks­fälle. Insbesondere sind die Arbeiterinnen denselben ausgesetzt, da ihre Kleider leicht von den Maschinen erfaßt werden. Man stößt auf Betriebe, wo bei einigermaßen trübem Wetter den ganzen Tag über bei künstlicher Beleuchtung gearbeitet werden muß. Aber auch in sonst lichten Sälen, wo 4-5 Reihen Maschinen nebeneinander stehen, ist für die an den mittleren Maschinenreihen thätigen Arbeits­kräfte künstliches Licht erforderlich, wenn nicht die Sehnerven über­mäßig angeſtrengt werden sollen.

Die Löhne der Arbeiterinnen sind meist Akkordlöhne, der Ver­dienst schwankt daher je nach Beschaffenheit der Waaren, Maschinen, dem Grade der Arbeitsgeschicklichkeit 2c. Der Wochenverdienst der Wollkremplerinnen und Wäscherinnen beträgt z. B. zwischen 2 fl. 70 fr.