unter allen Umständen bereit ist, ihr Denken mit der Sozialdemokratie energisch und ohne allen Rückhalt in offenes Handeln für die Sozial­demokratie umzusetzen. Aber die sehr große Mehrzahl der vielen bürgerlichen Frauen, von denen sie sprach, und die man wohl in der persönlichen Gefolgschaft sozialistischer Führer findet, nie aber unter dem Kugelregen der Feinde in den Kampfesreihen des klassenbewußten Proletariats, sie würden sich sehr entschieden gegen diese Zumuthung sträuben. Uebrigens scheint dies Frau v. Gyzicki selbst zu ahnen, denn sie plaidirte sozusagen auf ,, mildernde Umstände" für die gleich gesinnten bürgerlichen Frauen, denen durch Umstände aller Art die Hände gebunden seien". Das Proletariat billigt diese mildernden Umstände zu, denn es begreift. Aber nur als Falstaff'sche Steifleinene kann es Bundesgenossen schäßen, die sich durch Umstände aller Art fesseln lassen, die Hände haben, ohne am Aufbau der Zukunft mit­arbeiten, Füße, ohne der neuen Zeit entgegengehen zu können.

Frauen als Erfinder.

Herr Professor Albert ist in seiner Broschüre Die Frauen und das Studium der Medizin" ein neuer Sft. Georg zu Felde gezogen gegen den Drachen des medizinischen Frauenstudiums. Die Gründe, welche er dagegen aufmarschiren läßt, haben dadurch nicht um ein Jota an Beweiskraft gewonnen, daß sie recht ehrwürdig

altersgrau und abgenutzt sind, daß sie gegen das Studium und die Praris der Medizin seitens der Frauen abgedroschen werden, seitdem nicht blos vereinzelte wißbegierige und liebenswürdige Damen den Kreis ihrer Kenntnisse zu erweitern trachten", sondern seitdem sehr viele Frauen in der Ausübung des ärztlichen Berufs eine Existenz­möglichkeit suchen und damit in der bürgerlichen Gesellschaft zu Kon­kurrentinnen der männlichen Aerzte werden müssen. Ohne Beweis­kraft gegen die ärztliche Thätigkeit der Frau ist auch die ebenfalls nicht funkelnagelneue, sondern höchstens durch ein Schlagwort moderni­firte Behauptung, die Frau sei ein Naturwesen" und kein Kultur­wesen" und als solches unbefähigt für höhere Ausbildung und Be­rufsthätigkeit. Durch seine Broschüre hat Professor Albert nur Eins bewiesen was übrigens schon längst nicht mehr zu beweisen war: daß ein sehr verdienstvoller und bedeutender Fachgelehrter ein sehr oberflächlicher Kenner und bornirter, einseitiger Beurtheiler neuer sozialer Erscheinungen sein kann.

Unter den sogenannten historischen( geschichtlichen) Beweisen gegen die Befähigung des weiblichen Geschlechts wird in der be­treffenden Broschüre auch angeführt: die Frau habe nichts erfunden. Das Kulturwesen" Professor Albert war jedenfalls so gründlich in die Aufgabe vertieft, das weltfern, außerhalb der Gesellschaft und ihrer Kultur, unberührt von den sozialen Einflüssen in den Nebeln urwüchsiger Unfähigkeit kreifende weibliche Naturwesen" zu ent­decken, daß ihm neben vielen anderen auch die folgende Kleinigkeit entgangen ist: dort, wo das weibliche Geschlecht eine größere geistige und soziale Bewegungsfreiheit genießt, so vor allem in den Vereinigten Staaten , haben Frauen in neuerer Zeit eine große Zahl sehr wichtiger Erfindungen gemacht.

Nach der Neuen Zeit"( Jahrgang 1884) berichtete die North American Review"( Nordamerikanische Revue) über eine stattliche Reihe technischer Erfindungen, welche von Frauen herrührten und die in den Vereinigten Staaten patentirt worden waren. Der Ver­fasser des beregten Artikels verweist zuerst auf eine Spinnmaschine, die von einer Frau verbessert worden. Da ist ferner ein rotirender Webstuhl, der dreimal soviel leistet als ein gewöhnlicher; ein Ketten­Elevator; eine Kurbel für Schraubendampfer; ein Rettungsapparat bei Feuersgefahr; ein Apparat zum Wägen der Wolle, eine der empfindlichsten Maschinen, die je erfunden worden und von unschätz­barem Werth für die Wollenindustrie; ein tragbares Wasserreservoir zum Löschen von Schadenfeuern; ein Verfahren, die Dampfmaschinen mit Petroleum statt mit Holz oder Kohle zu heizen; ein verbesserter Funkenfänger für Lokomotiven; ein Signal für Straßenübersetzungen von Eisenbahnen; ein System der Waggonheizung ohne Feuer; ein ölender Filz, um die Reibung der Waggonachsen zu vermindern; eine Schreibmaschine; eine Signalrafete für die Marine; ein Tiefsee­Teleskop; ein System zur Dämpfung des Lärms von Hochbahnen ; ein Rauchverzehrer; eine Maschine zum Falzen von Papier, Säcken 2c. Namentlich rühren viele Verbesserungen der Nähmaschinen von Frauen her; so z. B. eine Einrichtung zum Nähen von Segeln und schwereren Stoffen; ein Apparat zum Einfädeln während des Ganges der Maschine; eine Verbesserung der Maschine zum Nähen von Leder 2c. Letztere Erfindung machte eine Frau, welche in New York seit Jahren eine Sattlerei betrieb. Das Tiefsee- Teleskop, erfunden von Frau

* Siehe den Artikel:" Professorenweisheit in der Frauenfrage".

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Mather und verbessert von deren Tochter, ist eine hochwichtige Er­findung. Sie ermöglicht es nämlich, den Kiel des größten Schiffs zu besichtigen, ohne daß dieses in das Trockendock gebracht werden muß. Mit Hilfe dieses Teleskops( Fernrohrs) kann man vom Schiffsbord aus versunkene Wracks besichtigen, Schiffahrtshindernisse und Torpe­dos aufsuchen 2c. Neben diesen praktischen Vortheilen ist seine An­wendung auch von bedeutendem Nutzen für die Wissenschaft. Zu den Maschinen, welche wegen ihrer außerordentlichen Komplizirtheit und genialen Konstruktion in Amerika wie in Europa Aufsehen erregten, ist auch eine für die Herstellung von Papiersäcken zu zählen. Viele Männer, darunter hervorragende Mechaniker, hatten ohne Erfolg eine solche Maschine herzustellen versucht. Eine Frau, Miß Maggie Knight, erfand sie, desgleichen etwas später eine andere Maschine zum Falzen von Papiersäcken, welche die Arbeit von dreißig Menschen verrichtet. Miß Knight selbst leitete seinerzeit die Aufstellung dieser Maschine in Amherst ( Massachussets ).

Die Liste der von Amerikanerinnen herrührenden Erfindungen, welche die Neue Zeit" nach der amerikanischen Quelle aufstellte, ist eine recht stattliche. Sie betonte außerdem, daß von Fachblättern, so z. B. von dem Scientific American" behauptet wurde, die Uebersicht über diese Erfindungen sei sehr unvollständig und habe eine Reihe hervorragender Erfindungen von Frauen übergangen. Gelegentlich der Chicagoer Weltausstellung erhärtete die Sonderaus­stellung der Frauen, daß diese auf den verschiedensten Gebieten, auch auf dem der Erfindungen, recht anerkennenswerthe Leistungen auf­weisen können. Die amerikanische frauenrechtlerische Presse verzeichnet sehr oft neue technische Erfindungen von Frauen. So hat u. A. vor etlichen Jahren eine Amerikanerin ein Verfahren erfunden, Bank­noten ein Allerheiligstes der kapitalistischen Gesellschaft herzu­stellen, deren Nachahmung äußerst schwierig sein soll.

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Herrn Professor Albert empfehlen wir die vorstehenden that­sächlichen Angaben die bedeutend vermehrt werden könnten zur gefälligen Beachtung, falls er sich wieder einmal gedrungen fühlen sollte, einem lange und tief gefühlten Bedürfniß" entsprechend aus dem in vieler Beziehung Anders- Sein des weiblichen Geschlechts das Niedriger- Sein, die Nichtbefähigung mit der Glaubenssicherheit eines Kirchenvaters zu schlußfolgern und der Welt zu verkünden.

Etwas von der Pariser Damenschneiderei.

B. T. Wer den Geschmack und die Eleganz der Pariser feinen Toiletten kennt, die fabelhaftesten Preise dafür, Preise, welche nicht selten das Jahreseinkommen einer Arbeiterfamilie mehrfach übersteigen, und wem das Wesen der heutigen Wirthschaftsordnung nicht verständlich oder nicht gegenwärtig ist, der schließt nur zu leicht auf recht günstige Einkommensverhältnisse der Pariser Damenschneiderinnen. Durchaus mit Unrecht, das erhellt auch aus einer Arbeit über die Pariser Damenschneiderei, welche unter den kommerziellen Berichten der österreichisch- ungarischen Konsularämter im Handelsmuseum" ver­öffentlicht wurde und von Dr. Pierre du Maroussem in Paris her­

rührt.

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Dr. Maroussem beschränkte seine Untersuchungen ausschließlich auf die Pariser Kundenschneiderei für Damen. Dies berühmte Gewerbe, deren bedeutendste Werkstätten im Mittelpunkt von Paris , von der Rue Royale bis zur Rue St. Denis konzentrirt sind, befindet sich fast ausschließlich in den Händen von Frauen. Der Mann ist so gut wie aus den betreffenden Werkstätten verbannt, und dies seit langem, seit der Zeit, wo Louis XIV. durch das Edikt vom 30. Mai 1675 das Gewerbe der Schneiderei regelte. In der Pariser Damenschneiderei giebt es im Allgemeinen keine Meister, Zuschneider und Tagschneider, sondern Meisterinnen, Zuschneiderinnen, Näherinnen, Anprobirerinnen, Garnirerinnen, Taillenarbeiterinnen u. s. w. Der Mann der Meisterin ist nur mit der Buchhaltung und Kassenführung betraut. In den Betrieben sind alle Arten von Arbeitskräften vom Lehrling bis zum Gesellen und Meister durch Frauen vertreten. Erst die wirthschaftlichen Umwälzungen der letzten dreißig Jahre zeitigten die bis dato unerhörte Thatsache, daß sich Meister an die Spitze von Betrieben stellten, Männer, die Dank großer kaufmännischer Fähig keiten und bedeutendem Kapital vielbeneidete Unternehmungen ins Leben gerufen haben. Es sind dies die berühmten Couturiers", denen die Chefs der Abtheilungen für Damenkonfektion in den Groß­magazinen zugezählt werden müssen, deren Entwicklung deutlich die Konzentrirung und Macht des Kapitals erweist.

Die Berufsstatistik giebt nur wenig Auskunft über die 7000 Betriebe für Damenschneiderei, die in Paris vorhanden sind. Der Grund der dürftigen Angaben beruht in der Zersplitterung der Betriebe und der Beweglichkeit des Gewerbes, die sich im Eröffnen und Schließen von Werkstätten zeigt. Man unterscheidet in der Haupt­