Nr. 26.
Die Gleichheit
5. Jahrgang.
Zeitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.
Die„ Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nro . 2756) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Inseratenpreis die zweigespaltene Petitzeile 20 Pf.
Dienstag, den 24. Dezember 1895.
Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.
Einladung zum Abonnement.
Die vorliegende Nummer schließt den fünften Jahrgang der „ Gleichheit" ab.
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Wie bisher so wird die Gleichheit" auch fernerhin mit aller Energie und Schärfe fämpfen für die volle soziale Befreiung der proletarischen Frauenwelt, wie sie einzig und allein möglich ist in einer sozialistischen Gesellschaft. Denn nur in einer solchen verschwindet mit den jetzt herrschenden Eigenthums- und Wirthschaftsverhältnissen die Ursache jeder gesellschaftlichen Unterdrückung und Unfreiheit: die wirthschaftliche Abhängigkeit eines Menschen von einem anderen Menschen; denn nur in einer solchen verschwindet mit den jetzt herrschenden Eigenthums- und Wirthschaftsverhältnissen der Gegensatz zwischen Besigenden und Nichtbesitzenden, der soziale Gegensatz zwischen Mann und Frau, zwischen Kopfarbeit und Handarbeit.
Die Aufhebung dieser Gegensäge kann jedoch nur erfolgen durch den Klassenkampf: die Befreiung des Proletariats kann nur das Werk des Proletariats selbst sein. Will die proletarische Frau frei werden, so muß sie sich der allgemeinen sozialistischen Arbeiterbewegung anschließen. Und nur ihr, feineswegs aber der bürgerlichen Frauenrechtelei, die zwar zu Gunsten des weiblichen Geschlechts innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft reformiren will, aber grundsäglich eine Revolution der Gesellschaft zu Gunsten der ausgebeuteten Klasse zurückweist. Der charakterisirte Standpunkt, der Standpunkt des Klassenkampfs aber muß in einem Organ für die Interessen der proletarischen Frauen scharf und. unzweideutig betont werden. Und dies um so mehr, je mehr sich in letzter Zeit in Deutschland bürgerliche Frauenrechtlerinnen mehr als sonst angelegen sein lassen, durch allgemeine humanitäre Phrasen und fleinliche Konzessionen an Reformforderungen der Arbeiterinnen Quertreiberei unter die proletarische Frauenwelt tragen und sie dem Klassenkampf entziehen zu wollen.
Gerade aber die proletarischen Frauen für den Kassenkampf zu schulen, das wird auch in Zukunft die vornehmste Aufgabe der ,, Gleichheit" bleiben. Dem drohenden Ansturm der Reaktion gegen die sozialistische Bewegung zum Troz; der schon verwirklichten besonderen Reaktion gegen die klassenbewußten Proletarierinnen zum Troß! Ihrem alten Programm getreu wird die„ Gleichheit" auch im neuen Jahr rufen zu dem Streit, wo ein Hüben und Drüben nur gilt." Wir hoffen, daß sich das Blatt damit die alten Sympathien erhalten und neue Sympathien erwerben wird.
Redaktion und Verlag werden wie bisher Alles aufbieten, was in ihren Sträften steht, damit die„ Gleichheit" ihrer Aufgabe
gerecht wird.
Die„ Gleichheit" ist im Reichspostzeitungskatalog pro 1896 eingetragen unter Nr. 2837, im württembergischen Katalog unter Nr. 125 und fostet vierteljährlich 55 Pfennig ohne Bestellgeld. Probe und Agitationsnummern der„ Gleichheit" werden jederzeit gratis abgegeben. Recht zahlreichen neuen Abonnements sieht entgegen Die Redaktion und der Verlag.
Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit" sind zu richten an Fr. Klara Zetkin ( Eißner ), Stuttgart , RothebühlStraße 147, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furthbach- Straße 12.
,, Der Messias kommt mit Schwerterklang." Würziger Tannenduft flattert um Häuser und Hütten; fröhlicher Lichterschein leuchtet durch hohe, glänzende Spiegelscheiben und fleine, halbblinde Fensterchen; mit ehernen Kehlen singen die Weihnachtsglocken in die sternenfunkelnde Winternacht hinaus:„ Euch ist heute der Heiland geboren, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!" Weihnachtsjubel auf Tausenden von Kinderlippen, Weihnachtsfreude in Tausenden von Herzen, Weihnachtsahnen weit über die Kreise der Glücklichen hinaus, denen Geben seliger sein kann, als Nehmen.
Odu schöne, sehnsuchtsbewegte, hoffnungsfreudige Weihnachtszeit! Die Enterbten grüßen dich! Nicht weil auch sie vielleicht in diesen Tagen die trockene Struste ihrer Eristenz flüchtig in den Wein der Freude tauchen, und noch weniger, weil hier und da für sie die Brosamen von„ ,, Liebesthaten" von der Reichen Tische fallen. Sie grüßen dich als Symbol des Gedankens, der dich geboren, als lebendigen Ausdruck des ewigjungen Erlösungsglaubens, der nimmer welkenden Hoffnung, die nicht zu Schanden werden läßt, des mächtigen Sehnens aller Darbenden, Gefesselten, 3er= tretenen nach einem freien Vorwärts und Aufwärts. Tausende und Tausende von Jahren harrt sie der Erlösung entgegen, die Welt der Kleinen, die Welt der Ungenannten. Und jede Heilsbotschaft, die im Laufe der Geschichte in ihre dunklen Streise tönte, stumpfsinnige Ergebung in stürmisches Hoffen wandelte, scheue Verzweiflung zu troßigem Kampfesmuth wachpeitschte, sie hat die Armen genarrt. An Stelle der griechisch- römischen trat die christliche Stultur, aber das Himmelreich auf Erden, das sie den Mühseligen und Beladenen verheißen, das Reich der Freiheit für Alle vermochte auch sie nicht zu zimmern. auch sie nicht zu zimmern. Die Macht der wirthschaftlichen Ver= hältnisse erwies sich stärker als der demokratisch- revolutionäre Zug des Urchristenthums. Der in dumpfem Groll gegen den Feudalherrn robotende Hörige löste den Sklaven ab, der freie Arbeiter", mit dem die Kräfte des kapitalistischen Wirthschaftslebens falt ihr Spiel treiben, folgte auf den Leibeigenen, und Elend und Unfreiheit blieben das Erbtheil Derer, die dank der Klassenspaltung in Reich und Arm nicht Hammer sein können, sondern Ambos sein müssen.
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Aber wenngleich der Entwicklungsgang der Masse bezeichnet ist durch unerfüllte Hoffnungen und nicht eingelöste Verheißungen, so sprießte die Wunderblume vertrauensfreudigen Hoffens wieder und wieder aus dem Boden des Elends empor. Und gerade unsere Tage neuen geschichtlichen Knospens und Werdens lassen neues Menschheitssehnen die Herzen der Enterbten ahnungsvoll erzittern, in freudiger Erwartung des Kommenden voll stolzen Kampfesmuthes höher schlagen. Eine neue Heilsbotschaft tönt ihnen, den Vielen, die entbehrend abseits von dem reich gedeckten Tische des Lebens stehen, an dem Wenige bis zur Sättigung und Ueber= sättigung tafeln. Nicht lautet sie:" Duldet und entsagt, es wird Euch im Himmel wohl belohnt werden", vielmehr:" Wisset und
kämpft, und Ihr könnt hienieden genießen". Kein vertrauensseliger Glaube ist es, den die neue Heilsbotschaft von der leidenden Masse fordert, ein überzeugtes Wissen bietet sie ihr. Nicht von dem Himmel herab das Heil zu holen, raunt sie den Hoffen