Der vielgewandte Staatssekretär von Bötticher äußerte nicht, wie er über die Frage der Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren denke. Dagegen verwies er zum so und so vielten Male die Fordern­den von Pontius   zu Pilatus, von dem Reich an die Einzelstaaten. Daß in Preußen noch lange keine Aussicht auf die Reform vor­handen ist, ging aus seinen Ausführungen unzweideutig hervor. Er erinnerte daran, daß der verstummte" Handelsminister v. Berlepsch sich klipp und klar gegen die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren gewendet habe und fügte hinzu, daß der von diesem entwickelte Stand­punkt in der Frage noch jetzt maßgebend sei.

Das Warum streifte Herr von Bötticher nicht einmal. Er ist zu flug, um sich der gleichen Blamage auszusehen, welche Herrn von Berlepsch mit seiner Behauptung ereilte, die Fabrikinspek­torinnen hätten sich in England nicht bewährt. Er ist zu flug auch, um wie Herr von Berlepsch in der Rolle der sozialpolitischen Unschuld vom Lande auszuplaudern, die Gewerbeinspektion solle technische Bei­räthe für die Unternehmer stellen und nicht zu einem Sammelpunkt der Beschwerden der Arbeiterinnen werden.

Daß eine so sehr bescheidene Forderung der Arbeiterinnen, wie die in Frage stehende, noch keine Berücksichtigung gefunden hat, zeigt, wie recht Genosse Fischer hat, als er ausrief, daß Unternehmer­interesse Trumpf ist.

Das Frauenturnen.

Die altehrwürdigen Grundsätze des deutschen Philisterthums von Dem, was edlen Frauen" ziemt, werden heute in der verschieden­artigsten Weise durchbrochen. Noch vor dreißig, vierzig Jahren schien es unerhört, daß die Frauen Sport und Leibesübungen pflegen sollten. Heutzutage findet man dies dagegen selbstverständlich, und der liberale Biedermann spricht wohl davon als von einer liebenswürdigen Aeußerung weiblicher Selbständigkeit", im Gegensatz zu anderen, weniger harmlosen" Bethätigungen der aufstrebenden Frauen, die seine tugendhafte Entrüstung hervorrufen. Das Turnen der Frauen wird gegenwärtig sogar von sonst recht konservativen Männern warm befürwortet, wenn nicht aus anderen Gründen, so aus, Patriotismus": der Kapitalistenstaat braucht kräftige Soldatenmütter". Die förper­liche Entwicklung, der Gesundheitszustand unserer zeitgenössischen Frauenwelt verbürgen aber immer weniger solche.

seinem Gerichte stellen müsse. Er hatte einmal davon in der Kirche gehört. Also hatte der Pope recht. Er mußte sich erheben.

Er that es, vor sich hinbrummend, daß man nicht einmal nach dem Tode Ruhe haben könne.

Der Priester schritt voraus, Makar hinter ihm. So gingen fie immer geradeaus nach Osten. Die Bäume gaben ihnen den Weg frei.

Makar bemerkte mit Staunen, daß der Priester im frischen Schnee feine Spuren hinter sich lasse. Er blickte auch hinter sich und bemerkte dasselbe: der Schnee hinter ihnen war rein und glatt wie ein Tischtuch.

Da tam ihm der Gedanke, daß es ihm jest ja sehr bequem wäre, fremde Fallen aufzusuchen, da ihn Niemand erkennen könne; doch der Priester, der seine heimlichen Gedanken offenbar errathen hatte, wandte sich an ihn und sagte: Laß ab! Du weißt nicht, was Dir für einen jeden solchen Gedanken bevorsteht!"

" Nun, nun!" sagte unzufrieden Mafar, darf man denn nicht einmal denken? Was bist Du denn jetzt so streng? Sei nur ruhig!" Der Priester schüttelte sein Haupt und ging weiter. ,, Haben wir noch weit?" fragte Makar. " Ja", erwiderte verstimmt der Pope.

"

,, Was werden wir denn essen?" fragte wieder unruhig Makar. " Du vergißt", sagte zu ihm sich wendend der Priester, daß Du todt bist und jetzt weder zu essen noch zu trinken brauchst." Makar gefiel das nicht. Zwar war das recht vortheilhaft, wenn man nicht zu essen hatte, dann müßte man aber auch so liegen, wie er gleich nach seinem Tode gelegen hatte. Aber gehen und weit gehen und dabei nicht essen, das schien ihm ganz un­passend. Er war wieder unzufrieden.

,, Murre nicht!" sagte der Pope.

"

" Schon gut!" erwiderte beleidigten Tones Makar, doch fuhr er fort, heimlich bei sich Klage an Klage zu spinnen und über eine so schlimme Ordnung zu schimpfen. Man läßt einen Menschen gehen und giebt ihm nichts zu essen. Ist das erhört!"

( Fortsetzung folgt.)

22

Begleiterscheinungen des übermäßigen Besitzes führen zur förper­lichen Entartung der Frauen in den Kreisen der Reichen und Ueber­reichen. Die Armuth mit ihrem Gefolge von harter Arbeit, bitterne Sorgen, ungenügender Ernährung, schlechter Wohnung 2c. verurtheilt die breiten Massen der proletarischen Frauen zu mangelhafter förper­licher Entfaltung und zu Siechthum. Hier wie da tragen nicht selten zopfige Vorurtheile das ihrige dazu bei, daß unterbleibt, was etwa zur Kräftigung des Körpers geschehen könnte. Wie tief schädigend die physische Verkümmerung des weiblichen Geschlechts auf die Volts­entwicklung einwirkt, liegt auf der Hand. Schwächliche, kränkliche Mütter zeugen nicht ein gesundes, kräftiges Geschlecht. Erklärlich genug treten deshalb immer weitere Kreise für das Frauenturnen ein, als für ein Mittel, die körperliche Entwicklung günstig zu be­einflussen. Gewiß vermag das Turnen nicht die tieferen, die sozialen Ursachen der physischen Entartung großer Frauenschichten zu beseitigen. Wohl aber wirkt es bestimmten, für die körperliche Entwicklung un­günstigen Einflüssen entgegen; wohl aber bietet es eine Reihe von Momenten, die Kraft, Gewandtheit und Gesundheit des weiblichen Körpers fördern.

Die Vortheile des Frauenturnens legt gedrängt und klar ein im letzten Jahre erschienenes Schriftchen dar: Die körperliche Erziehung des weiblichen Geschlechts mit besonderer Berücksichtigung des Frauenturnens" von Otto Pulwer, Vorsitzenden von der Turnvereinigung Berliner   Lehrer.* Recht treffend im Allgemeinen zeigt der Verfasser, wie und warum unsere heutige Frauenwelt körperlich mehr und mehr verfümmert und ent­artet. Und bezeichnend, aber sehr erklärlich seine Befürwortung des Frauenturnens flingt aus in einer Forderung sozialer Reformen, welche den Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen die Möglichkeit schaffen, der Vortheile des Turnens theilhaftig zu werden und durch methodisch geleitete Uebungen den Körper zu fräftigen und gesund zu erhalten. Wir halten uns in dem Folgenden im Großen und Ganzen an den Gedankengang des Schriftchens, ergänzen denselben aber hier und da.

Jede körperliche Bewegung, die mäßig und verständig betrieben wird, sagt Bulwer  , wirkt wohlthuend und belebend auf den mensch­lichen Organismus ein. Das Turnen ist eine vorzügliche Leibesübung, weil es eine gleichmäßige Ausbildung aller Theile des Bewegungs­apparates bewirkt und am sichersten den freien Gebrauch der leiblichen Kräfte unter der Herrschaft des Geistes ermöglicht. Es ist ferner eine bequeme und billige Leibesübung, daher am geeignetsten, ein Gemeingut aller Stände und somit ein Voltserziehungsmittel zu werden. Schließlich kann das Turnen dem Charakter des weiblichen Geschlechts am leichtesten Rechnung tragen. Schon in Anbetracht der Thatsache, daß der Organismus der Frauen, insbesondere ihr Nerven­system zarter und feiner ist, als der des Mannes, müßte auf die förperliche Erziehung des weiblichen Geschlechts ein sehr großes Gewicht gelegt werden. Dies um so mehr, als dem Mädchen später­hin Pflichten obliegen, die zu erfüllen ihm bei einem schwächlichen und dazu vernachlässigten Körper ganz unmöglich ist. So flar dies einleuchtet, ist doch in Betreff der körperlichen Erziehung unserer Frauenwelt viel gesündigt worden und wird noch viel gesündigt. Wo soll die zukünftige Jugend Kraft und Saft, Leben und Geist hernehmen, wenn Leib und Geist der Mutter des kommenden Ge­schlechts matt und welk sind? Es ist höchste Zeit, daß nicht allein Turner und Turnfreunde, sondern auch die Vertreter des Staates und die Freunde einer gesunden Sozialpolitik der körperlichen Er­ziehung des weiblichen Geschlechts ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Der zu Tage tretenden Entartung muß entgegen gewirkt werden, bevor die hier vorliegenden jammervollen Verhältnisse zu einer Ver­fümmerung der ganzen Nation führen.

Die Ursachen der schlechten physischen Entwicklung und schlechten Gesundheit der Frauenwelt in den höheren Kreisen sind außer mangelnder körperlicher Ausbildung und Uebung: eine unvernünftige, die freie Bewegung hindernde Kleidung; eine unnatürliche Lebens­weise, die im Strudel des Vergnügens die Nacht zum Tage macht; eine raffinirte Kost, Mangel an Bewegung, sehr oft die vollständige Leere und Inhaltlosigkeit der müßigen Existenz und ihr deprimirender Einfluß auf das Befinden. Es fehlt den betreffenden Damen weder an Zeit, noch an Mitteln, das Turnen zu pflegen. Doch weisen sie es als nicht vornehm genug" ab. Kraft, Gewandtheit und Gesundheit suchen sie im Sport, der gleichzeitig ihre vielen müßigen Stunden mit Unterhaltung und Kurzweil füllt. Schwimmen, Eislaufen, Reiten, Rudern, Bergsteigen und Radfahren machen auf sie zum Theil schon seit längerer Zeit einen kräftigenden Einfluß geltend.

Der Frau des Mittelstandes fehlt es nicht an Bewegung, wenn sie, oft ohne fremde Hilfe, ihren Haushalt besorgen und eine Schaar Kinder warten und pflegen muß. Von ihr gilt noch immer des

* Berlin  , R. Gärtners Verlagsbuchhandlung.