dafür wirken, daß das Ungesunde, Unzweckmäßige und Unschöne aus der weiblichen Kleidung verschwinde, und daß diese nach den Gesetzen der Hygiene und des guten Geschmacks allmälig umgestaltet werde." Die Reformkleidung soll nach der hygienischen Seite hin unter An­derem die eingeengte Taille und den schweren Druck der Röcke auf die Hüften beseitigen, sowie den fußfreien Kleiderrock für die Straße ein­führen. Die Anregung zu der Gründung des Vereins ist zurückzu­führen auf die Erörterungen über die Reform der weiblichen Klei­dung auf dem Internationalen Frauenkongreß zu Berlin  . Bezeich­nenderweise waren die von der Organisation bis jetzt einberufenen Versammlungen überfüllt. Das Muster einer neuen Reformkleidung für Frauen sollte, wie es hieß, bis Januar fertiggestellt sein. Eine gründliche Reform der weiblichen Kleidung ist gewiß sehr wünschens: werth. Aber dieselbe ist von so weitreichenden Folgen für das in­dustrielle Leben begleitet von anderen für die Frage maßgebenden Faktoren zu schweigen daß die Bestrebungen zu ihrer Durchführung bis jetzt stets auf verhältnißmäßig kleine Kreise beschränkt geblieben. sind und recht unbedeutende Resultate gezeitigt haben. Das bestätigt vor Allem das Schicksal diesbezüglicher Bewegungen in England und Amerika  . Das Radfahren der Frauen wird voraussichtlich einen größeren Einfluß auf die Reform der weiblichen Kleidung ausüben, als all die berechtigten Gründe, welche von frauenrechtlerischer, ärzt­licher und künstlerischer Seite dafür geltend gemacht worden sind.

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Zweierlei Recht für Proletarierfrauen und Bourgeois­damen scheint offenbar in Nürnberg   zu gelten. Seit Jahren ver­bietet der Nürnberger   Magistrat- an seiner Spitze steht der Auch­Freisinnige" von Schuh jede Arbeiterinnenversammlung und läßt die Frauen auch aus den Gewerkschaftsversammlungen ausweisen. Dagegen hat er die vom bürgerlicher Verein" Frauenwohl" veran­staltete öffentliche Versammlung gestattet, in der Frau Sanitätsrath Schwerin aus Berlin   über die Nothwendigkeit weiblicher Fabrik­inspektoren" referirte. Der Besuch der Versammlung war ein spär­licher, die denkfaulen Nürnberger Bürgerkreise dürften sich, wie dem " Vorwärts" geschrieben wurde, kaum für die Frage interessiren. Frau Schwerin   sprach über die Arbeiterschutzgesetzgebung in Deutschland  und England, über die liberale und konservative Partei in dem erst­genannten Staat 2c., furz über Angelegenheiten, welche die bisherige Rechtspraxis den Arbeiterinnen gegenüber zu hochpolitischen stempelt. Der Versammlung wohnte ein Polizei- Aktuar in Uniform bei, der­selbe erklärte aber, keinen Auftrag zur Ueberwachung zu haben. Was im Kapitalistenstaat der Nürnberger Behörden gutgesinnten" Bour­geoisdamen recht ist, das darf den umstürzlerischen" Proletarierinnen nicht billig sein. Von Rechtswegen." Wie man uns berichtet, hat die in der Versammlung referirende Frauenrechtlerin die sehr günstige Gelegenheit nicht ausgenüßt, um energisch gegen die Praris des Ver­sammlungsrechts den ärmeren Schwestern" gegenüber zu protestiren, nachdrücklichst für sie zu fordern, was den bürgerlichen Damen in Nürnberg   gewährt wird. Der Vorgang ist lehrreich. Er wirft ein helles Schlaglicht auf das Wesen der öffentlichen Gewalten im Klassenstaat und auf das Wesen der bürgerlichen Frauenrechtelei. Eine Bewegung, die von durch und durch reaktionären Gewalten mit respektvollem Wohlwollen behandelt wird, ist keine solche, welche das Klassenunrecht bekämpft und es beseitigen will. Deshalb den Frauen­rechtlerinnen den Glimpf, den Proletarierinnen den Schimpf seitens der herrschenden Gewalten.

Kapitalistische Profitgier und Gleichgiltigkeit gegen prole­tarische Leben wachsen auf einem Holze. Abermals ist in Nürn­ berg   eine Arbeiterin der Vereinigten Pinselfabriken" an Milzbrand­vergiftung gestorben. Die schreckliche Krankheit hat also in verhält nißmäßig furzer Zeit das fünfte Opfer gefordert. Denn nach dem trefflichen Zweiten Jahresbericht des Arbeiterfekretariats Nürnberg" sollen ihr im Jahre 1896 drei Arbeiterinnen und ein Arbeiter erlegen sein. Bekanntlich erfolgt die Ansteckung der Arbeiterinnen und Arbeiter der Pinselindustrie durch Hantirung mit nicht genügend desinfizirten Borsten von milzbrandkranken Thieren. Seit Jahren fordert deshalb die betreffende Arbeiterschaft die gründliche Des infektion des Arbeitsmaterials. Die Unternehmer wollen von der Erfüllung dieser berechtigten Forderung nichts wissen, weil die Borsten durch die Desinfektion angeblich leiden. Wohl steht der Ortspolizei die Befugniß zu, die Desinfektion anzuordnen. Aber die Nürnberger Polizeigewaltigen, die so schnell bei der Hand sind, wenn es gilt, Ar­beiterinnen und Gewerkschaften aufzulösen und den Proletarierinnen den Besuch der Versammlungen zu verbieten, haben von dieser Befugniß bis jetzt noch nicht ausgiebigen Gebrauch gemacht. Allerdings hat der Magistrat neuerdings auf eine Eingabe seine Geneigtheit zur probe­weisen Desinfektion erklärt, sowie seine Betheiligung an einem Preis­ausschreiben für die beste Desinfektionsmethode. Allein ehe die beste" Desinfektionsmethode entdeckt ist offenbar doch diejenige, welche

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auch den Herren Kapitalisten genehm wird voraussichtlich noch manches Arbeiterinnenleben dem furchtbaren Milzbrandgift zum Opfer fallen. Sämmtliche öffentliche Instanzen, welche zum Schutz der proletarischen Leben einschreiten könnten, wie es dem simplen Menschen­verstand scheint, einschreiten müßten, sind trotz wiederholter Anrufung durch die bedrohte Arbeiterschaft noch nicht über Erwägungen und vorbereitende Schritte hinausgekommen. Die wirthschaftlich und po­litisch im Kapitalistenstaat Herrschenden kennen nur Eile, wenn es sich darum handelt, das werkthätige Proletariat auszubeuten und das kämpfende Proletariat zu knebeln.

Der Achtstundentag in Betrieben des britischen Post­departements hat sich durchaus bewährt. Im Bericht des General­postmeisters heißt es: Der sogenannte achtstündige Arbeitstag oder genauer die Abkürzung der Arbeitszeit auf 48 Stunden die Woche wurde am 1. März 1895 versuchsweise in den beiden Telegraphen­fabriken in Mount Pleasant und Holloway eingeführt. Die Neuerung hat, wie ich mich freue berichten zu können, befriedigende Resultate ergeben. Außer in den Fällen, wo die Schnelligkeit der Arbeit von der Schnelligkeit der Maschinen abhängt, oder sonstige hinderliche Um­stände vorhanden waren, haben die Arbeiter ebenso viel Arbeit in acht Stunden geliefert, wie früher in neun.... Die Leiter der Fa­brifen berichten, daß den Arbeitern die kürzere Arbeitszeit entschieden sehr zu Gute gekommen ist. Das sei an ihrem Aussehen und an ihrer Haltung zu bemerken." Der Achtstundentag ist bekanntlich auch in anderen Zweigen der englischen Staatsbetriebe eingeführt, so in den großen Militär- und Marinewerkstätten, wo die erzielten Resultate gleichfalls durchaus befriedigende sind. Wie trostlos sieht es dagegen bezüglich einer Verfürzung der Arbeitszeit in Deutschland   aus, das aber trotz alledem stolz an der Spitze der Sozialreform" marschirt. Der englische Nationalverein für Frauenstimmrecht, Sizz Manchester  , hielt im Oktober 1896 seine alljährliche Generalver­sammlung ab. Im Jahresbericht, verfaßt von Miß Rocher, heißt es, daß in der letzten Session im Unterhause keine bemerkenswerthe Debatte zu Gunsten des Frauenstimmrechts stattgefunden hat. Der demselben von Herrn Faithful Begg vorgelegte Antrag auf Aner­fennung des Wahlrechts an das weibliche Geschlecht ist von 257 000 Frauen unterzeichnet. 300 Mitglieder des Unterhauses sollen für das Frauenstimmrecht sein, und da die bestehenden Frauenorganisationen betreffs der Forderung energisch und einheitlich vorgehen, so erwarten die englischen Frauenrechtlerinnen im Parlament ein günstiges Resultat. * Eine Bill für das Frauenstimmrecht soll noch in der laufenden Sitzungsperiode im englischen Parlament eingebracht werden. Mehrere Wahlrechtsvereine hielten fürzlich im Unterhause mit den für die Sache interessirten Abgeordneten eine Sitzung ab, um über den Antrag Beschluß zu fassen. Da die Mehrheit der Par­lamentsmitglieder, nach der Berechnung eines Frauenstimmrechts­Vereins, auf Seiten der Frauen stehen soll, so ist eine Annahme des Gesezentwurfs nicht ganz unwahrscheinlich. Schon im Jahre 1895 knüpften die Frauenrechtlerinnen große Hoffnungen an eine ähnliche, wie die heute vorliegende Bill. In Folge der Auflösung des Parla­ments kam diese damals nicht mehr zur Verhandlung. Der jetzige Premierminister, Lord Salisbury  , ist übrigens ein langjähriger An­hänger der Frauenstimmrechts- Bewegung.

* Das Frauenstimmrecht hat Idaho   gesetzlich eingeführt. Es ist der vierte Staat in Nordamerika  , der den Frauen das gleiche Bürgerrecht wie den Männern zuerkennt.

Zur Beachtung.

Nicht alle die Orte, wo die Genossinnen sich an der Ent­sendung einer gemeinsamen weiblichen Vertretung am inter nationalen Sozialistenkongreß zu London   betheiligten, haben bis jetzt ihren Beitrag zu den Delegationskosten entrichtet. Dies der Grund, weshalb noch keine Quittung über die zu dem Zwecke eingelaufenen Gelder veröffentlicht wurde. Ihren Verpflichtungen sind bis jetzt nachgekommen die Genossinnen von Berlin  , Dresden  , Eberswalde  , Forst, Gera   und Offenbach  . Die Unterzeichnete ersucht die Genossinnen der Orte, deren Beiträge noch ausstehen, dieselben möglichst bald einzusenden, damit der Rechnungsabschluß erfolgen und veröffentlicht werden fann. Mit sozialdemokratischem Gruß

Frau M. Wengels Vertrauensperson.

Berlin   O, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr.

Verantwortlich für die Nedattion: Fr. Klara Bertin( Eißner) in Stuttgart  . Druckt und Verlag vov J. H. W. Diez in Stuttgart  .

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