handlung konnte der eifrige Verfechter der Proportionalwahl und der Gleichheit der Geschlechter, der siebzigjährige Hüne Karl Bürkli  , es sich nicht versagen, in seinem Schwyzer   Deutsch   ein kräftig Wörtlein dreinzureden: Wenn der en verwaschener Lapp is", sagte er ,,, und d' Frau hat d' Hose an, dann soll d'Frau schtimme."

Zur Durchführung des Arbeiterinnen- Schutzgesetzes in St. Gallen  ( Schweiz  ) hat die Regierung des Kantons verfügt, daß weibliche Personen, die ausschließlich fommerzielle schriftliche Ar­beiten oder die Zusammenstellung von Musterkollektionen und Waaren­sendungen besorgen, den gesetzlichen Bestimmungen nicht unterstehen. Dagegen finden diese Anwendung auf alle weiblichen Arbeitskräfte, die nicht ausschließlich Bureauarbeiten besorgen.

* Die Lage der Pariser   Schneiderinnen und Näherinnen ist von Herrn Charles Benoist   in einer Reihe von Zeitungsartikeln, die jetzt in einer Broschüre zusammengefaßt erschienen sind, geschildert worden. Unter dem Namen Die Nähnadel" hat sich daraufhin ein Verein gebildet, der aus wohlthätigen" Frauen, Unternehmern und Arbeiterinnen besteht und für den in den bürgerlichen Frauenzeitungen die Reklametrommel geschlagen wird. Unsere ,, wohlthätigen" Frauen sind nicht so schnell auf dem Plane, und wo sie es versuchen wollten, stoßen sie schon auf die feste Phalanx selbständig organisirter Ar­beiterinnen.

* Zwei weibliche Assistenten des Fabrikinspektorats sind vom Generalrath des Seine- Departements neu angestellt worden. Ueber die Frage ihres Gehalts entspann sich eine lebhafte Debatte, bis schließlich ein Antrag, in Bezug auf die Remuneration feinen Unterschied der Geschlechter gelten zu lassen, mit schwacher Mehrheit durchging.

Eine Kantine zur Speisung der armen Zöglinge der Kom­munalschulen hat der sozialistische Gemeinderath von San Remo  ( Italien  ) aus städtischen Mitteln gegründet. Die Versuche, durch Sammlungen 2c. die nöthigen Gelder für die Einrichtung aufzubringen, waren fehlgeschlagen. Es ist dies sehr bezeichnend für die bürger­liche Wohlthätigkeit und das sattsam bekannte zarte Herz" der Be­sitzenden. In San Remo  , dem herrlichen Kurorte, ist unter den Besitzern der palastähnlichen Hotels, Pensionen, der großen Kondito reien 2c. gar mancher mehrfache Millionär zu finden, und schwer­reiche Leute aller Nationen strömen hier jahraus, jahrein zusammen, die Gesundheit zu suchen oder sich zu amüsiren. Der Reichthum hatte für die so dringend nöthige und nüßliche Reform nichts übrig. Daraufhin hat der zur Mehrzahl aus Arbeitern bestehende sozialistische Gemeinderath auf Kosten der Stadt die Einrichtung ins Leben ge= rufen, welche täglich 250 Kindern zu Gute kommt. Wo die Sozia­listen die Macht haben, da seßen sie für das ausgebeutete Volk das Recht an Stelle der Gnade.

* Ein Gesetzentwurf, welcher den Frauen das passive Wahlrecht für den englischen Grafschaftsrath gewähren soll das aktive besitzen sie bereits- wird dem Parlament in der nächsten Session vorgelegt werden.

Der Gesetzentwurf, das Frauenstimmrecht betreffend, welcher in zweiter Lesung vom englischen Unterhaus angenommen wurde( vergl. unseren Bericht in voriger Nummer), ist am Montag den 8. Februar der Kommission zur Berathung übergeben worden. Für diese Berathungen liegen noch drei Erweiterungs-, resp. Nach­tragsanträge vor: der von Mr. Milward will das Wahlrecht aus­drücklich auf Witwen und unverheirathete Frauen beschränken, der von Mr. Maclure auf alle Frauen, welche einen selbständigen Besitz im Werthe von mindestens 400 Mark inne haben, und endlich der von Dr. Clark  , welcher für alle Frauen unter denselben Bedingungen wie für die Männer das Wahlrecht fordert. Falls das Gesetz von der Kommission angenommen wird, dürfte die dritte Lesung im Plenum doch kaum vor dem 26. Juni stattfinden.

* Einen Gesetzentwurf, welcher das allgemeine Stimm­recht für alle volljährigen Staatsbürger ohne Unterschied des Ge­schlechts fordert, hat Sir Charles Dilke   im Verein mit dem bekannten Arbeiterführer John Burns und dem Leiter der Unabhängigen Arbeiterpartei, Keir Hardie  , schon im Jahre 1895 dem englischen Parlament vorgelegt. In diesem wie im vorigen Jahre ist er wieder eingebracht worden, ohne daß er bisher zur Verhandlung fam. Ueber die Anträge einzelner Parlamentsmitglieder, für welche nur die Mittwoche freigehalten werden, wird nämlich gelost, und da immer zahlreiche Anträge vorliegen, kommen nur die zur Verhandlung, deren Lose zuerst gezogen werden. Ein großer Frauenverein, dem radikale Liberale und Sozialisten angehören, die Frauen- Wahl­rechtsliga, agitirt schon seit Jahren für die Prinzipien des Dilkeschen Entwurfs.

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Eine Lohnbewegung der Choriſtinnen von Sunderland berichtet die Soziale Praxis": Die Choristinnen des Avenue- Theaters verlangten die Erhöhung ihrer 7 Schillinge betragenden Wochenlöhne auf 10 Schillinge. Zwei Mitglieder des Stadtraths verhandelten mit dem Direktor, der eine Lohnerhöhung von 1 Schilling 3 Pence( 1 Mark 24 Pf.) und die Abschaffung aller Strafgelder bewilligte. Daraufhin nahmen die Choristinnen die Arbeit wieder auf.

Die größte Wäscherei der Welt befindet sich in der Nachbar­schaft von Croydon, einem Vorort Londons  . In dem Riesenbetrieb wird die Wäsche aller großen Hotels und fast aller Klubhäuser der Hauptstadt gewaschen. Er besteht aus einem vierstöckigen Haupt­gebäude von 100 Metern Länge und zahlreichen Nebengebäuden, in denen sich die Trockenböden, die Glanzstärkerei, die Plättsäle 2c. be­finden. Fast alle Verrichtungen geschehen mittels von Maschinen. Die größeren Maschinen haben zusammen nicht weniger als 360000 Mark gekostet. 260 männliche und weibliche Arbeiter sind mit Ausnahme des Sonntags Tag und Nacht in dem Riesenbetrieb thätig, wo durch­schnittlich pro Tag 500 000 verschiedene Wäschestücke gewaschen werden. Das Plätten der Wäsche geschieht auf mechanischem Wege mittels großen, zylinderförmigen Plätteisen, die je drei Meter lang sind. Zehn dieser Rieseneisen sind in Betrieb und plätten pro Stunde zusammen 15000 Servietten. In dem Gebäude, das die Trockenböden enthält, sind 12 Kilometer Seile zum Aufhängen der Wäsche gespannt. Die Zahl der Hemden, Kragen, Manschetten, Servietten, Schürzen, Hand­tücher, Wischtücher 2c., welche jährlich in dem Riesenbetriebe gewaschen werden, übersteigt 154 Millionen. Muthen diese Zahlen nicht an wie die Schilderung eines Stückchens Zukunftsstaat"? Freilich, die bloße Thatsache, daß in der Wäscherei Proletarier Tag und Nacht thätig sind, beweist, daß der Riesenbetrieb keine Utopie ist, sondern sehr fapitalistische Wirklichkeit. Ein Beispiel mehr, wie die wirth­schaftstechnischen Voraussetzungen für eine sozialistische Gesellschaft im Schooße der fapitalistischen Ordnung sich entwickeln, und welche folossalen Vortheile der Großbetrieb bietet, Vortheile, welche heutigen­tags fast ausschließlich die Kapitalistenklasse einheimst.

Size für Verkäuferinnen sind in Maryland  ( Nordamerika  ) gesetzlich eingeführt worden, und zwar ist der Chef verpflichtet, für jede Verkäuferin einen Sitz zu beschaffen, widrigenfalls er sich eine Geldstrafe von 10 bis 100 Dollars( etwa 42 bis 420 Mark) zuzieht. Bei wiederholter Uebertretung des Gesetzes hat er für jeden fehlenden Stuhl täglich einen Dollar zu zahlen. So verfährt man im fernen Westen, während unsere bürgerlichen Arbeiterfreunde es noch nicht weiter gebracht haben, als bis zu einem Appell an die Solidarität des kaufenden Publikums und an das liebevolle Herz der Herren Chefs!

* Gegen das Schwigsystem richten sich die neusten gesetzlichen Bestimmungen in Ohio  ( Nordamerika  ). Die Hausindustrie steht unter der Fabrikinspektion. In einem Raum, der einer Familie als Schlaf, Wohn- oder Kochraum dient, darf keinerlei für den Verkauf bestimmte Waare angefertigt werden. Zimmer, in denen Kleidungs­stücke, Zigarren, Zigaretten u. a. m. hergestellt werden, dürfen weder durch eine Thür noch durch ein Fenster mit einem Schlaf- oder Wohnraum in Verbindung stehen; der Ausgang muß direkt auf den Korridor und dieser direkt zur Treppe führen. Auf jede Person wird ein Minimum von 250 Kubiffuß Luftraum bei Tage und 400 Rubik­fuß bei Nacht gerechnet. Rein Unternehmer darf Arbeit aus dem Hause geben, ehe er nicht vom Fabrikinspektor die Bescheinigung er halten hat, daß der Raum, in dem sie ausgeführt werden soll, den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Zuwiderhandlungen werden hart bestraft( mit 100 Dollars in Geld oder 60 Tagen Haft). Da­durch daß Familien, bestehend aus Eltern und Kindern, diesen Be­stimmungen nicht unterworfen sind, bleibt dem Schwitzsystem jedoch noch manche Hinterthür offen. Und doch, wie froh wären wir, im gesegneten Lande der Sozialreform, wenn wir wenigstens ein diesem ähnliches Gesetz besäßen!

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* Frauen in öffentlichen Aemtern. Zum Zugführer wurde in Dänemark   Frau Sophie Keller ernannt. Professor Zella Dixon ist Bibliothekar der Universität von Chicago  . Frau Curtis wurde Inspektor der öffentlichen in Kansas   zum Bürgermeister erwählt. Zu Frrenanstalten wurde Frau Mary Lee   in Süd- Australien  . Schulinspektoren wurden in England Fräulein Willis und Fräulein Mundy gewählt. Die Feuerwehr von Rasso   in Schweden   hat eine Abtheilung von 150 weiblichen Feuerwehrleuten alles Predigen der Philister wider die zunehmende Unweiblichkeit scheint vergebens zu sein!

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* Ein weiblicher Standesbeamter, Miß Hattie Waterbury, ist im Staate Florida  ( Nordamerika  ) ernannt worden. Feurige Frauenrechtlerinnen fönnen sich also dort von einer Geschlechtsgenossin nicht nur firchlich weibliche Geistliche giebt es dort schon lange sondern auch standesamtlich trauen lassen.

Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner) in Stuttgart  . Druck und Verlag vor J. H. W. Dieg in Stuttgart  .

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