Nr. 7.

Die Gleichheit.

7. Jahrgang.

Beitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.

Begründet von Emma Ihrer in Pankow bei Berlin .

Die Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nr. 2902) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Jahres- Abonnement Mt. 2.60.

Stuttgart

Mittwoch, den 31. März 1897.

Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.

Inhalt:

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Keinen Kahn und keinen Groschen. Kritische Bemerkungen zu Genossin Aus der Bewegung. Die Brauns Vorschlag. II. Von Klara Zetkin . Wiener Arbeiterinnen im Wahlkampfe. Von Adelheid Popp . Arbeits­und Lohnverhältnisse der Neuplätterinnen. Von Ottilie Baader. - Feuilleton: Ein Traum. Eine Weihnachts- Legende von W. Korolenko.( Schluß.) Kleine Nachrichten.

Keinen Kahn und keinen Groschen.

Die seit Langem die Luft der Politik durchschwirrenden Ge­rüchte von den uferlosen Flottenplänen" haben sich nun zu be stimmten Forderungen der Regierung verdichtet. Was diese für den Ausbau der Kriegsmarine heischt, das würde für die Jahre 1897 bis 1901 allein schon eine Ausgabe von 328 Mill. Mark verursachen. Und hinter dieser Summe marschiren andere Hunderte und Aberhunderte von Millionen Mark für weitere Panzerschiffe, Kreuzer, Torpedos 2c. heran.

Was fümmert mich das? ruft vielleicht die eine oder andere Frau aus, die noch den herkömmlichen echtweiblichen" Abscheu vor der Politik bewahrt hat und zarten Gemüths" die öffent lichen Angelegenheiten als Dinge erachtet, die ihr durchaus fernliegen.

Gemach, gemach, Proletarierin! Ein wenig Geduld und du wirst einsehen, daß Panzerschiffe und Kanonenboote Dinge sind, welche dich sogar ungemein viel kümmern. Denn auch aus deinem mageren Beutelchen wird Groschen auf Groschen genommen, auf daß die Hunderte von Millionen zusammenkommen, die für die Kriegsflotte verausgabt ehrgeizig- phantastische Träume von Deutsch lands Weltherrschaft" verwirklichen sollen. In den stahlgepan­zerten Schiffsungethümen, welche des Deutschen Reiches Ueber­legenheit anderen Nationen mit Kanonenkugeln schwersten Kalibers zum Bewußtsein zu bringen bestimmt sind, steckt ein Stück deiner Arbeit, deiner Sorgen, deiner Entbehrungen. Die Torpedos voll­kommenster, d. h. zerstörungs- und mordfräftigster Konstruktion werden gebaut auf Kosten des Brotes und der Bildung deiner Kinder, auf Kosten der Ueberanstrengung deines Mannes. Die Herren, die von Deutschlands Weltmachtstellung zur See schwärmen, die in Gestalt einer höchstentwickelten Flotte der Mittel begehren, sich in die politischen Händel an den entferntesten Punkten der Erdkugel einzumischen, sie zahlen die Panzerkolosse, Avisos 2c. nicht aus ihrer Tasche, obgleich diese recht groß und recht gut gefüllt ist. Auch der flotten- und schlachtfrohe Staatssekretär von Holl­mann holt nicht aus seinem Säckel einen ansehnlichen Beitrag zu den geforderten Millionen heraus. Daß bei den marinebegeisterten Herren Kardorff, Hammacher und ihren Parteifreunden die Er­fenntniß der patriotischen Pflicht" stets sich nur auf das Be­willigen von Regierungsforderungen erstreckt und nie auf das Be­gleichen der Rechnung dafür ausdehnt, ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie ewig neu."

Wer also ist es, der für die geforderten 328 Millionen auf kommen muß, in naher Zukunft für weitere 166 Millionen, die Hunderte von Millionen nicht gerechnet, welche schon jetzt die Kriegsmarine jährlich Deutschland kostet? Das ist in der Haupt­sache die breite Masse des werkthätigen Volts, Proletarierin; das

Buschriften an die Redaktion der" Gleichheit" find zu richten an Fr. Klara Bettin( Eißner), Stuttgart , Rothebühl­Straße 147, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furthbach- Straße 12.

ist auch dein Mann, der so angestrengt schanzt und so wenig er­wirbt; das bist du, die du so schwer schaffst und noch schwerer sorgst; das sind deine Kinder, die jung arbeiten und von Geburt an entbehren müssen. Die Tausende von Millionen, die das Deutsche Reich für Heer und Flotte verausgabt, werden nicht auf­gebracht durch Steuern vom Vermögen, vom Einkommen. Nicht im Verhältniß zu dem Umfange ihres Geldsacks, zu dem Inhalt ihres diebs- und feuersicheren Kassaschranks tragen die Mark- und Thalermillionäre zu ihnen bei. Diese Riesensummen fließen zum überwiegenden Theil aus dem Ertrag der indirekten Steuern und Zölle zusammen. Diese belasten die unentbehrlichsten Lebens­bedürfnisse, denen auch der Habenichts nicht entrathen kann und vertheuern sie künstlich. Dank der indirekten Steuer muß die Hausfrau das Pfund Salz mit sechs Pfennig theurer bezahlen, der Zoll steigert den Preis des Pfundes Kaffee um zwanzig Pfennig; Mehl, Brot, Zucker, Schmalz, Petroleum, Seife, Zwirn, Stoffe, Nadelu, kurz alles, was die proletarische Hausfrau für die Wirth­schaft, die Arbeiterin für ihren Unterhalt bedarf, was ihr Arbeits­mittel ist: es ist verzollt und versteuert und deshalb theurer. So greift der Staat in die Taschen der Armen und Aermsten und zwingt sie, für die Großmachtsstellung des Reiches" nicht blos. zu zahlen, sondern den Löwenantheil zu zahlen.

Merkst du nun, Proletarierin, welches Interesse du daran hast, daß für den Bau weiterer Panzerschiffe, die Anschaffung neuer Schiffskanonen und anderer im Seekriege dienenden Mord­werkzeuge der vervollkommnetsten Art nicht weitere Hunderte und Hunderte von Millionen im buchstäblichsten Sinne des Wortes ins Wasser geworfen und verpulvert werden? Oder hättest du ver­gessen, wie ärmlich deine Lage ist, welch' düstere Schatten tagtäg­liche Sorgen auf dein Leben werfen? Das kannst du nicht, denn welches der Tag, die Stunde, wo du die Bitternisse deines Looses nicht empfändest?

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Du bist sparsam wirthschaftende Hausfrau, die Noth zwingt dich, es zu sein. Schmal bemessen ist das Wirthschaftsgeld, das der Mann dir alle Wochen oder vierzehn Tage in die hartgearbeitete Rechte drückt. Und die Familie ist zahlreich, vielerlei sind die Be­dürfnisse, die du decken mußt. Du darbst dir den Bissen am Munde ab, damit die Kleinen nicht hungern. Auch ohne die be­rühmten Kochrezepte bürgerlicher Wohlthäter" verstehst du die Kunst, aus Knochen und Abfällen Straftbrühe", aus Resten ein neues Gericht zu bereiten. Du bist Meisterin, wenn es gilt, aus dem abgelegten Rocke des Vaters ein Jäckchen für den Knaben zusammenzuschneidern; auch dem Schuhmacher pfuschst du gelegent­lich ins Handwerk. Und troß alledem wälzt sich Sorge auf Sorge an dich heran, trotz alledem bist du blutenden Herzens Zeuge, wie­viel die Deinen entbehren müssen, und nicht etwa das leberflüssige, nein das Nöthige.

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Seufzend gedenkst du des Töchterchens, das mit durchlöcher­ten Schuhen zur Schule geht, und die Witterung ist nicht barm­herzig: Regen und Schnee fällt ohne Rücksicht auf proletarischer Kleinen zerrissenes Schuhwerk. Kleinen zerrissenes Schuhwerk. Wie brennend schmerzt es dich, daß du außer Stande bist, dem blassen, hohlwangigen Mann die vom Arzte verordnete kräftige Kost reichen, ab und zu für ihn ein gutes Beefsteat, ein Glas stärkenden Weins auf den Tisch bringen zu können! Winzig sind die Fleischportionen, die du aufträgst,