und es fehlt nicht an Mahlzeiten, wo ein Stück„ Hottehii" oder ein paar Heringe den" Braten" ersetzen.„ Es geht nicht, daß wir besser leben, daß wir kräftig und genug essen, daß wir uns gut kleiden, daß wir gesund und gemüthlich wohnen", flagst du. Es ist alles so theuer." Jawohl, alles, was das Leben gesund, angenehm, schön, bequem, inhaltsreich zu gestalten vermag, es ist zu theuer für deine Armuth, und das Unentbehrlichste vertheuert dir der Staat noch künstlich durch Abgaben.
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Du bist Arbeiterin. Nach langen Stunden schwerer Frohn erhältst du deinen sauer verdienten Lohn ausgezahlt. Er ist gar farg, und doch muß er dir ausreichen, deine gesammte Existenz zu bestreiten. Und im Verhältniß zu den paar Pfennigen, die du für deines Lebens Nothdurft verausgaben darfst, ist alles so theuer! Von der Zichorienbrühe an, die dir die Vermietherin der Schlafstelle des Morgens kredenzt, bis zur Schmalzstulle, die oft dein ganzes Abendbrot bildet. Und der Staat hat dir alles, alles durch Zölle und Steuern noch mehr vertheuert.
Die Folge davon, Proletarierin? Magst du wirthschaftende Hausfrau oder erwerbsthätige Arbeiterin sein, diese künstliche Vertheuerung zwingt dich, zwingt die Deinen zu darben. Je mehr der Staat durch seine Zölle und Steuern die Preise in die Höhe treibt, um so winziger ist die Kaufkraft deines schwindsüchtigen Portemonnaies, um so dürftiger mußt du leben, um so härterer Mangel tritt an die Deinen heran, um so schwieriger gestaltet sich der Kampf für eure Eristenz. Und da sollte es dich nicht kümmern, wenn die Regierung mehr Panzerschiffe, mehr Torpedos, mehr Kanonen fordert? Was denn bedeutet diese Forderung? Daß diese kunstreichen, glänzenden Dinger bezahlt werden müssen vom Volfe, daß die Steuerlasten wachsen, daß die Welt der Arbeit den Schmachtriemen fester anzuziehen gezwungen ist. Und du Proletarierin hättest dein gerüttelt und geschüttelt Maß der neuen Lasten in Gestalt vermehrter Sorgen und ärmlicherer Lebenshaltung zu tragen.
Und warum? Etwa weil im Interesse der Größe und Würde des Vaterlandes" der Staat dafür sorgt, daß es nicht mehr Greise und Greifinnen im Lande giebt, deren einzige Zuflucht am Lebensabend der Spittel oder das Armenhaus ist, wenn nicht gar der Straßengraben? Daß nicht mehr Kinder zu Tausenden und Hunderttausenden heranwachsen, deren reiche Fähigkeiten verfümmern, weil ihre Entfaltung die Armuth der Eltern mit eisernem Druck darniederhält? Daß nicht mehr Familien existiren, die in den ungesündesten Löchern in drangvoll fürchterlicher Enge zusammengepfercht hausen? Daß die Masse in wirthschaftlichen Verhältnissen lebt, die ihr nicht blos das Brot verbürgen, vielmehr auch eine hohe Entwicklung der geistig- sittlichen Persönlichkeit, der Freiheit?
Mit nichtem, Proletarierin. Man sinnt dir an, unter dornenreicheren Sorgen zu schaffen, eine fümmerlichere Existenz mit deiner Familie zu fristen, damit sich der Militarismus auch auf dem Gebiete der Marine zum alles verzehrenden Ungeheuer auswachsen kann. Wie erklärte doch der Staatssekretär von Hollmann vor der Reichstagskommission?„ Die Marine soll nicht im Hafen liegen und sich verkriechen, sondern sich schlagen." Das Schlagen, die Schlachten, das ist des Pudels Kern.
Ueber alle Tagesinteressen hinaus hast du, Proletarierin, gerade deshalb einen dauernden zwingenden Grund, gegen die erhobene Forderung mit aller Schärfe zu protestiren. Denn der Militarismus, der von den Besißenden und Gewalthabern auf Kosten des Volkswohls großgezogen wird, er ist bekanntlich der Heiland, von dem die bürgerliche Gesellschaft die Rettung vor dem ,, inneren Feind" erhofft. Der„ innere Feind" aber, Proletarierin, du weißt es wohl, das ist dein Mann, das sind deine Kinder, deine Brüder und Schwestern, das bist du selbst, dafern ihr alle, die ihr säet ohne zu ernten, für euer Recht in Gegenwart und Zukunft kämpft. Nicht nur die Rücksicht auf deine Armuth, der Hinblick auf deine Befreiung, auf die Befreiung deiner Klasse macht dir deshalb zur heiligen Pflicht, auf die Forderung der Flottenschwärmer mit der Sozialdemokratie zusammen zu antworten:" Für diese Marine keinen Kahn und feinen Groschen."
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Kritische Bemerkungen zu Genoffin Brauns Vorschlag.
II.
Die Verwirklichung von Genossin Brauns Vorschlag hat- da fern sie nicht zur Spielerei führen soll die Aufwendung nicht unbedeutender Kräfte und Mittel zur Voraussetzung. Jede der geplanten Gruppen muß möglichst aus einer größeren Anzahl von Personen bestehen, damit die vorliegenden Aufgaben vertheilt werden können und feine einzelne Genossin zu schwer belasten. Wünschenswerth erscheint, daß mindestens einzelne der Glieder auf dem in Angriff zu nehmenden Gebiet nicht ganz unbewandert sind. Unbedingt nöthig ist es, daß an der Spitze jeder Gruppe eine Leiterin steht, die nicht nur selbst das betreffende Arbeitsgebiet überblickt und geschult, methodisch zu arbeiten versteht, sondern der auch die Gabe eignet, Andere zur Mitarbeit heranzuziehen und für diese zu erziehen. Soll die Einheitlichkeit des Wirkens der verschiedenen Gruppen, die Beziehung und Wechselwirkung zwischen dem gesammten Institut und der Arbeiterinnenbewegung aufrecht erhalten werden; soll die Zustellung des Materials der einzelnen Gebiete an die Presse, Organisationen und Einzelpersonen planmäßig, fortlaufend und regelmäßig geschehen 2c. 2c, so ist es nöthig, eine Zentralleitung zu schaffen, etwa eine Sekretärin an die Spitze der Einrichtung zu stellen. Die Aufgaben, die dieser obliegen, können nicht im„ Nebenamt" geleistet werden, sondern erfordern die volle oder nahezu die volle Arbeitskraft. Auch die Mitglieder der einzelnen Gruppen, zumal aber deren Leiterinnen, müssen über ein für proletarische Verhältnisse nicht unbeträchtliches Maß freier Zeit für ihre Arbeiten verfügen.
Wie liegen nun betreffs dieser Voraussetzungen die Verhältnisse in der Arbeiterinnenbewegung? Wohl haben wir Genossinnen, die durchaus fähig wären, die einzelnen Gruppen zu organisiren und zu leiten. Aber diese Genossinnen stehen so gut wie ausnahmslos tämpfend an erster Stelle in Reih und Glied. Sie sind agitatorisch thätig, sie arbeiten innerhalb der Organisationen oder in derem Interesse, sie leisten alle die praktischen Neben- und Vorarbeiten, die für Betreibung der Agitation und Förderung der Organisation unter den Frauen unerläßlich sind. Wer da aus eigener Erfahrung weiß, wie aufreibend und anstrengend es ist, wochenlang von Ort zu Ort, von Versammlung zu Versammlung zu pilgern, bei einleitenden Attionen, Rücksprachen, Sammlungen, Beschaffung von Referenten, polizeilichen Anmeldungen 2c. 2c. tagelang treppauf treppab, von Pontius zu Pilatus zu laufen: der weiß auch, daß diesen Genossinnen im Allgemeinen weder Zeit noch Kraft bleibt, in der erforderlichen Weise sich den Gruppenarbeiten widmen zu können, die stete Aufmerksamkeit erheischen. Wollten aber diese Genossinnen den unmittelbaren Kampfesaufgaben auch nur einen Theil ihrer Zeit und Kraft entziehen, um sie auf die vorgeschlagenen Studien und Hilfsarbeiten zu verwenden, so hieße das meines Erachtens, die Natur und die Aufgaben der proletarischen Frauenbewegung verkennen. Wohl haben wir Genossinnen, die willig und fähig wären, in den Gruppen mitzuarbeiten. Aber diese Genossinnen leben in so fümmerlichen Verhältnissen, daß sie schon das Aeußerste leisten, wenn sie das Parteiorgan des Ortes lesen, daneben vielleicht das Gewerkschaftsblatt, die ,, Gleichheit", unsere Broschürenliteratur, die Reichstagsverhandlungen, wenn sie regelmäßig den Gewerkschafts- und Volksversammlungen beiwohnen. Genoffin Braun ist die letzte, die nach dieser Seite hin eine Beschränkung des Thuns der Genossinnen wollte. Sie ist sicherlich der Ansicht, daß die Bethätigung in der einen Richtung die in dem von ihr vorgeschlagenen Sinne nicht ausschließt, daß die Genossinnen das Eine thun können und das Andere nicht zu lassen brauchen. Aber meiner Ansicht giebt es hier im Allgemeinen kein Und, sondern blos ein Entweder- Oder. Die Enge der proletarischen Verhältnisse macht für die Meisten ein Nebeneinander beider Aufgaben zur Unmöglichkeit. Man bedenke die vielseitigen Aufgaben, die der Proletarierin obliegen. Sie ist Gattin, Mutter, dabei oft noch Berufsarbeiterin, sie hat kein Dienstmädchen zur Verfügung, das ihr die Hausarbeit abnimmt, kein Telephon, das ihr Gänge erspart. Wenn sie sich trotz der Ueberbürdung mit Pflichtleistungen als kämpfende Parteigenossin bethätigt und sei es auch im bescheidensten Umfange, als Versammlungsbesucherin, Leserin der Presse 2c., von dem Wirken unserer Agitatorinnen nicht zu reden so leistet sie in der Regel schon über ihre Kräfte, auf Rosten ihrer Nachtruhe und Gesundheit. Doch hätten wir auch noch so viel Kräfte zur Verfügung und könnten unsere Genossinnen eine verzehnfachte Energie bethätigen: meiner Auffassung nach müßten diese Kräfte, diese Energie voll und rückstandslos in den Klassenkampf geworfen werden.
In der Bildung der vorgeschlagenen Gruppen und Studientommissionen kann und darf meines Erachtens die Aufgabe der