Und diesem einen klar und fest umschriebenen Amte, welches ich mir als feste Anstellung mit bestimmtem Gehalt denke, lassen sich die von Genossin Braun gewünschten verschiedenen Theilamter mit Leichtig­keit anschließein Es ist ja nicht geboten, mit lauter reich ausgestatte­ten Abtheilungen zu beginnen; man fängt an, sowie eine Arbeiterin sich meldet, auf dem ihr angemessenen Arbeitsfeld zu wirken. Sicher werden sich bald einige Mitwirkende freudig einstellen. In einer großen Bewegung, wie es die unselige ist, giebt es gar Manche, der hingebende Arbeit für die gute Sache inniger Wunsch, ja geradezu Bedürfniß ist, ohne daß sie die Gabe öffentlicher Rede besäße. Auch sonst hindern verschiedene Umstände die Eine oder Andere öffentlich aufzutreten oder Agitationsreisen zu unternehmen, während die näm­lichen Frauen bereit und sehr befähigt sind, durch schriftliche Dar­stellung zu wirken oder in Zwiesprache mit einzelnen Hilfesuchenden Rath und Aufklärung zu geben in vielen Dingen, welche für die Arbeiterin überaus wichtig und ihr meist unbekannt sind. Ein Programm aufstellen, ist Sache des Prinzips; es durchführen, Sache des thatsächlichen Könnens. Noch nie hat eine Partei oder ein Verein ein Programm deshalb abgelehnt, weil alle seine For derungen sich nicht von heute auf morgen verwirklichen ließen. Warum sollten wir schwieriger sein, die wir keine Partei, kein Verein, keine geschlossene Einheit sind und daher noch weit eher unsere Aufgaben in allgemeinen Umrissen uns vorzeichnen können? Das Programm der Genossin Braun ist gut soweit es reicht, es hilft uns nach einer Richtung hin, vielleicht in mehreren, rascher vorwärts. Führen wir also davon aus, soviel wir können. Die vier Gruppen, welche vorgeschlagen sind, brauchen ja nicht alle zugleich organisirt zu werden; man schreitet vor, wie sich die Gelegenheit bietet. Da die erste Gruppe für die Führung von En­queten über die Verhältnisse der Arbeiterinnen schon gebildet oder doch schon vorbereitet ist, so kann hiermit die wichtigste Frage für gelöst gelten, die Hauptarbeit für gethan. Denn auf lange hinaus wird die Gewerkschaftsfrage den Mittelpunkt bilden müssen, um den sich die proletarische Frauenbewegung dreht. Der Eintritt in ihre Gewerkschaft ist für die meisten Arbeiterinnen der entscheidende Schritt, der sie aus dem kahlen und kargen Einzeldasein hinaushebt in die höhere Form der Genossenschaft, in die reinere Lebensluft eines ge­meinsamen Strebens nach einem gemeinsamen Ziel. Die übrigen Gruppen können sehr wohl anfangs je aus einem einzigen Mitglied bestehen; es ist so fast besser. Ist erst der Arbeils- plan einheitlich entworfen, dann lassen sich weit leichter die richtigen Hilfskräfte einordnen, sobald sie sich biete». Wenn eine Genossin die Fülle des gedruckten Materials, der Bücher und Broschüren sichtet, nach dem Fehlenden sucht, die Listen über das Vorhandene der Be­nutzung zugänglich macht, so wird ihr das allein zunächst leichter sein als im Bunde mit Anderen, die nach anderen Grundsätzen handeln wollen. Braucht sie später Hilfe, so wird sie dieselbe unter dem jungen Nachwuchs eher finden, wenn schon ein Anfang gemacht ist, das Arbeitsfeld für die Mitwirkenden vorhanden. Für die dritte, juristische Gruppe gilt ganz dasselbe. Auch hier läßt sich zu Anfang nicht mehr thun, als die Leistung einer Leiterin beträgt. Die gelegentlichen Helferinnen für einzelne bestimmte Fälle wird sie unter den Genossinnen, mit denen sie ihr Amt stets zusammen­führt, leicht finden. Die vierte Gruppe für Flugblätter und sonstige schriftliche Ar bellen wird sich aus den Mitarbeiterinnen der ersten drei Gruppen ganz von selbst entwickeln. Durch sie werden auch die zweite und dritte in engem Zusammenhang bleiben, sich gegenseitig unterstützend und ergänzend. In keiner Weise braucht diese ganze Einrichtung in die öffent­liche Agitation störend einzugreifen. Im Gegentheil: Welche Er­leichterung für alle Betheiligten, wenn sie eine Stelle haben, an die sie sich um Auskunft wenden in zweifelhasten Fragen, deren Lösung sie jetzt selbst mühsam suchen müssen. Sie können dann den Gruppen Aufgaben stellen, deren Lösung der Agitation trefflich zu statten kommen wird. Das Material an Drucksachen, Gerichtsfällen, Ur- theilen ist stets zugänglich und kann von Jeder benutzt werden, die dessen bedarf zur Aufklärung oder Belehrung des Publikums. Nicht nur für Berlin  . Auch auswärts wird man sich gewöhnen, Mit­theilungen zu machen, Anfragen zu stellen das Gefühl eines festen Zusammenhalts wird dabei gestärkt und vertieft. Ich meine im Namen einer großen Anzahl von Genossinnen zu sprechen, wenn ich das neue Unternehmen als einen sehr hoffnungs­vollen Versuch begrüße, die Arbeit der Frau an der Befreiung ihres Volles und damit der ganzen Menschheil zu erweitern. Alles was zur Aufklärung der Arbeiterinnen geschieht, alles was ihre Ueber- zeugung stärkt, ihre Kraft vermehrt, ihre Kampfesfreudigkeit erhöht all das begreifen wir mit Genugthuung als einen Schritt mehr nach dem Ziele, das uns Allen vorschwebt. Befreiung aus den Banden
einer alten und überlebten Gesellschaftsordnung durch Anbahnung eines neuen, auf wirthschastlicher Gerechtigkeit, auf geistiger Freiheit beruhenden Zeitalters. dl. Obiges entspricht vollkommen meiner Meinung über die Sache, daher nehme ich Abstand davon, mich wie beabsichtigt ausführlich zu äußern. Emma Ihrer  . VI. In Nr. 6 derGleichheit" hat Genossin Braun sich der Arbeit unterzogen, ein Programm zu entwickeln, durch welches die Arbeite­rinnenbewegung sich segensreich entwickeln soll. Ich wage an dem Erfolg zu zweifeln, ja ich möchte behaupten, daß wir unmöglich durch eine bedeutende Konzentration von Kräften und Mitteln auf Neben­aufgaben, wie die vorgeschlagenen, die allzu häufig zur Spielerei ausarten, die Arbeiterinnen für den Klassenkampf zu gewinnen, ge­schweige denn sie zu zielbewußten Mitkämpferinnen zu erziehen ver­mögen. Man rechne mir das Wort Spielerei nicht a». Ich bin voll­ständig überzeugt von dem Ernst und der guten Absicht der Genossin Braun, die Arbeiterinnenbewegung fördern zu wollen. Aber das von ihr vorgeschlagene Programm ist meiner Ansicht nach nicht im Stande, zum erstrebten Ziele zu führen. Wenn Genossin Braun erst längere Zeit in der proletarischen Frauenbewegung thätig ist, wird sie selbst erkennen, daß ihre jetzigen Vorschläge nicht geeignet sind, die großen indifferenten Frauenmassen zu gewinnen und für die wirthschaftlichen und politischen Kämpfe zu erziehen. Keineswegs halte ich die empfohlenen wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten für unnütz und werthlos. Aber einen Theil dieser Arbeiten können wir innerhalb der Bewegung nur leisten, wenn wir Kräfte und Mittel aufwenden, deren wir für unsere Hauptaufgaben recht nöthig bedürfen. Der andere Theil dieser Arbeiten wird schon heute in der allgemeinen politischen und zumal in der gewerkschaft­lichen Bewegung geleistet oder kann hier geleistet werden. Ich weiß sehr wohl, daß z. B. ein gewissenhaft gesammeltes und zusammengestelltes Material über die Erwerbs- und Lebens­verhältnisse der Arbeiterinnen der Agitation sehr zu statten kommt, ja unentbehrlich für sie ist. Aber um dieses Material zu beschaffen, bedarf es heutigentags nicht erst selbständiger Enqueten unsererseits. Ich kann solchen nicht den Werth beimessen, den Genossin Braun ihnen zuschreibt. Derartige Erhebungen fallen meist wie das Feuer ins Wasser, kosten verhältnißmäßig ein Heidengeld, und ihr Nutzen entspricht nicht immer den aufgewendeten Mitteln und Kräften. Am wenigsten kann ich mich davon überzeugen, daß gerade die Führung selbständiger Enqueten für die Erziehung unserer Kerntruppen zum Kampf nothwendig und von wesentlichem Nutze» sei. Die Fähigkeit, eine sozialpolitische Erhebung zu führen, macht noch lange nicht zur klarblickenden Kämpferin für die Ziele der Arbeiterklaffe. Uebrigens sind von vornherein die meisten Proletarierinnen von derartigen Arbeiten, also von dem Nutzen dieser Art der Erziehung ausgeschlossen, und zwar sowohl in Folge der erhaltenen mangelhaften Elementar­schulbildung, wie noch mehr in Folge der fehlenden Zeit und der vielerlei Pflichten, die ihnen der Eristenzkampf und das Walten im Hause auferlegen. Wenn ich weiter die Ausgaben durchlese, welche Genossin Braun den übrigen Gruppen zuweist, so frage ich unwillkürlich: haben wir denn nöthig, besondere Frauengruppen zu bilden, damit diese Auf­gaben gelöst werden? Meiner Ansicht nach keineswegs, denn diese Aufgaben fallen in das Arbeitsgebiet unserer Gewerkschaftsorgani satione», und die Thätigkeit der empfohlenen Frauengruppen würde nur in deren Wirkungsbereich eingreifen. Daß die Arbeiterinnen über ihre Lage aufgeklärt werden; daß sie Kenntniß der gesetzlichen Be stimmungen erlangen, die ihnen Schutz verleihen, sie gegen Ueber- vortheilungen. Betrug w. sicher stellen; daß sie die Entscheidungen der Gewerbegerichte verfolgen, insbesondere aber erkennen, welch schreiendes Unrecht der Staat den Lohnsklavinnen zufügt, daß er ihnen weder das Wahlrecht noch die Wählbarkeit zu den Gewerbegerichten ver­liehen hat; daß sie die Nothwendigkeit der Anstellung weiblicher Fabrik­inspektoren einsehe»:c., alles das liegt im Interesse der Gewerk­schaften. Sie, die Fit Jahren keine Opfer scheuen, um die Arbeite­rinnen zu organisire», knüpfen gerade an die einschlägigen Fragen die wirksamste Agitation unter den Arbeiterinnen an. Uni diese Agitation immer erfolgreicher zu gestalten, um den Arbeiterinnen jeder­zeit und bei allen Gelegenheiten zum Bewußtsei» zu bringen, daß ihre Interessen von der Gewerkschaft verfochten und vertheidigt werden, muß meiner Ansicht nach auch bezüglich der von Genossin Braun angegebenen Aufgaben in der Gewerkschaft und durch sie ge­wirkt werden. Dabei können die Frauen als Mitglieder der Gewerk schaften eine recht ersprießliche, anregende und ausführende Thätig­keit entfalten. Hierfür ein Beispiel. Ich erachte eine besondere Frauengruppe als Mittelglied zwischen Fabrikinspektion und Arbeite­rinnen für durchaus überflüssig und unzweckmäßig. Es ist Aufgabe