Bis jetzt ist der Ausgang des Kampfes noch nicht entschieden. 130 Arbeiterinnen stehen noch im Streit, darunter 60 alleinstehende Mädchen und Witwen, welche Kinder zu versorgen haben. Unter­stützung ist dringend nöthig. Der Geist der Kämpfenden ist ein vor­züglicher, nicht eine von ihnen ist bisher fahnenflüchtig und zur Ver­rätherin geworden. Alle sind fest entschlossen auszuhalten, solange die bitterste Noth sie nicht zur Unterwerfung zwingt. Möchte das Solidaritätsgefühl der Arbeiter und Arbeiterinnen dazu beitragen, diese Noth und mit ihr die Niederlage abzuwehren. Es gilt schand­bar ausgebeuteten Arbeiterinnen eine kleine Linderung ihrer traurigen Existenz zu verschaffen; es gilt vielen proletarischen Kleinen für etliche Tagesstunden die Mutter zurückzugeben, die ihnen die rücksichtsloseste Ausbeutung raubt. Das Solidaritätsgefühl des deutschen   Proletariats wird sich nicht verleugnen gegenüber den Klassengenossinnen, die einen ersten Versuch wagten, der habgierigen Geldsacksmacht gegenüber durch ein organisirtes Eintreten Arbeiterrecht zur Geltung zu bringen. Geldsendungen sind zu richten an den Vorsitzenden der Lohn­fommission: Gustav Freitag, Ludwigstr. 54, Neu- Isenburg   bei Frankfurt   a. M.

Die Arbeiterpresse wird um Abdruck gebeten!

Polizei und Staatsanwalt im Kampfe gegen die ,, Um­stürzlerinnen." Genossin Kähler- Wandsbeck wurde kürzlich mit einer zweistündigen polizeilichen Haussuchung beglückt. Das Ergebniß derselben war Null. Am gleichen Tage unterzog die heilige Her­mandad auch die Wohnung der Vertrauensperson der Genossinnen für Ottensen   einer gründlichen Durchstöberung. Sie nahm etliche durchaus harmlose Korrespondenzen, Schriftstücke und Marken mit. Mehrere Genossinnen in Ottensen   wurden polizeilich vernommen. Die Polizei scheint der Ansicht zu sein, daß der behördlich aufgelöste Zentralverein der Frauen und Mädchen in Ottensen   weiter besteht, und sie sucht nun mit heißem Bemühen Material für diese ihre An­sicht zu sammeln. Die Polizei ist gründlich auf dem Holzwege, aber was verschlägt's? Es giebt Kreise, die da meinen, der Staat sei in Gefahr, wenn die Behörden der geringsten Lebensäußerung der prole­tarischen Bevölkerung gegenüber nicht fortwährend mit den Waffen ihrer Machtmittel um sich fuchteln, und sollten sie damit auch nur Streiche ins Wasser führen.

Ein recht charakteristisches Glied in der Kette der Haupt- und Staatsaktionen, mittels welcher Büttelei und Juristerei in schönem Verein der Ausbreitung des Sozialismus unter den schlesischen Frauen

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entgegenwirken möchten, bildet die seinerzeit gegen Genossin Ihrer erhobene Anklage wegen Verächtlichmachung von Staatseinrichtungen. Im August 1895 sollte Genossin Ihrer in zwei Versammlungen zu Liegnitz   und zu Haynau   sich dieses Vergehens schuldig gemacht haben. Das Landgericht zu Liegnig erkannte im Juni v. J., wie wir seinerzeit mittheilten, auf Freisprechung. Es gelangte zu dem Schlusse, daß Genossin Ihrer in den beiden Reden keine Thatsachen behauptet, mithin auch keine Staatseinrichtungen verächtlich gemacht habe. Gegen dieses Urtheil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Das Reichsgericht hob das Urtheil auf, soweit es sich um die in Liegnitz   gehaltene Rede bezog. Es erblickte kein Urtheil, sondern eine Behauptung von Thatsachen darin, daß die Rednerin gesagt hatte: Die Gesetze über die Sonntagsruhe und die Krankenkassen hätten keinen Werth, denn sie böten viele Hinterthüren; hinter ver­schlossenen Thüren werde weiter gearbeitet und Polizei und Unter­nehmer reichten sich die Hände." Die Sache wurde vor das Land­gericht zu Schweidnih verwiesen, vor dem sich Genossin Ihrer An­fang März zu verantworten hatte. Das Schweidnitzer Gericht er­achtete auf Grund der Beweisaufnahme den oben angeführten Satz nicht für erwiesen. Die Angeklagte habe ihren Ausführungen die Berichte der Gewerbebeamten zu Grunde gelegt, und diese seien ohne weiteres als wahr zu erachten. Sie habe weder Thatsachen entstellt noch erdichtet und müsse deshalb freigesprochen werden. Das Ge­richt erkannte außerdem auf Rückerstattung der Genossin Ihrer seit dem Liegnißer Urtheil durch die Prozeßsache erwachsenen Aus­lagen. Der Staatsanwalt hatte 100 Mt. Geldstrafe oder 10 Tage Gefängniß beantragt. Amtseifers Liebesmüh war wieder einmal umsonst verschwendet und verhalf nur mehreren schlesischen Orten zu einer Versammlung, denn Genossin Ihrer nüßte ihren Aufenthalt in Schweidnitz   zur Agitation aus.

In Remscheid   war seinerzeit eine öffentliche Versammlung polizeilich aufgelöst worden, weil sich die anwesenden Frauen auf das Verlangen des Ueberwachenden nicht sofort entfernt hatten. Die Beschwerde an den Vorgesetzten des Beamten blieb erfolglos. Die Behörde nahm an, es habe sich nicht um eine öffentliche Volks­versammlung gehandelt, sondern um eine Versammlung des sozial­demokratischen Volksvereins, sodaß der be- rühmte§ 8 des preußischen Vereinsgesetzes Geltung hatte. Der Oberbürgermeister pflichtete da­gegen dieser Auffassung nicht bei und erklärte die Beschwerde für berechtigt. In der Aera der sinnigen und minnigen Gesetzesaus­legungen erscheint dieses selbstverständliche Urtheil als nahezu wunder­bare Ausnahme.

schlag' ich die Händ' z'samm und sag': Himmlischer Vater! Du triffst doch allmal die rechte Mischung zwischen Herzload und Herz­freud', daß'n Menschen net z'guat und net z'übel wird auf der Die Forderung weiblicher Fabrikinspektoren vor Welt und er' s Leben aushalten kann, denn Uebermaß von ein'm oder' m andern thut niemal a gut! Wie magst denn a so viel Mühsal auf ein' Fleck z'sammtrag'n?

Sagt die Maschin: Strapazir' Dich net, möcht' der Herr allen Fragern z'Gehör sein, verbrauchert er sein' ganze Ewigkeit zum Antworten. Daweil wir da reden, geht die Welt wieder ihr Ruckerl weiter. Schau lieber, wie's einmal sein wird.

I schau wieder. Is die ganze Welt wie verändert g'wesen, Alles, was man denken und sinnen kann, daß nur möglich ist, es rührt der Mensch net selber mit seine Händ' d'ran, das haben Maschinen geschaffen, und an den Maschinen sind sie g'standen, die neuchen Leut', unverkrüppelt, unverkümmert, schön, groß, stark, und hat ihnen die Gesundheit und die Gescheitheit aus die Augen g'leucht', is jeder wie ein König an der Maschin' g'standen, die er gemeistert hat bis aufs letzte Radl.

Und über die Welt war ein großer Arbeitstag mit lauter saub're, lustige Arbeitsleut'!

Und wie ich das siech, da hab' ich mich in die Höh' g'streckt und hab' g'juchzt: Juchhe! Hißt is' s Brotförbl nieder, und dös sein meine Leut', halten doch ein' Puff aus, und so steh'n's mir an!

Und wie ich so schrei, verschwind't dös ganze G'sicht, d'Maschin' packt mich wieder auf und setzt mich nachert wieder ab, und Des fennt's ja dös Playl, enter der Rieslermühl' inmitten vom Hohl­weg; und wie's mich da los is, sagt's: Servus! Ich sag': B'hüt Gott und halt' halt a fein Wort, Maschin'!

Und fort war's!

Na also, dös war Walpurga   vorig's Jahr, und sider der Zeit mag ich fein' Maschin' schief anschau'n,' s thut mir völlig schon um a Lichtschneuzen leid, wann's a fleiner Bub' verbricht.

dem Landtag von Altenburg  .

Ende März verhandelte der Landtag des Herzogthums Sachsen­Altenburg über die bekannte Petition des Bundes deutscher   Frauen­vereine, die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren betreffend. Den Gegenstand der Petition hatten die sozialdemokratischen Abgeordneten zu einem Antrage formulirt, der folgendermaßen lautete: Die Land­schaft wolle die Staatsregierung ersuchen, durch probeweise Anstellung eines weiblichen Assistenten beim hiesigen Fabrikinspektorat dem Wunsche der Petenten Rechnung zu tragen." Bezeichnend, aber nicht über­fechter der Reformforderung. Die zur Sache sprechenden bürgerlichen raschend waren die Sozialdemokraten die einzigen entschiedenen Ver­Abgeordneten erklärten sich als entschiedene Gegner der Neuerung oder schwangen sich besten Falls nur zu einer ,, wohlwollenden Be­urtheilung" des Begehrens auf.

Der Bericht des Referenten über die Petition, eines sicheren Abgeordneten Schmidt, war ein Gemisch von Sachunkenntniß und Zopf. Der Herr bestritt, daß ein praktisches Bedürfniß zur Anstel­lung weiblicher Fabrikinspektoren vorliege. Er vermochte aber die erhobene Forderung auch grundsätzlich nicht anzuerkennen, denn ihre Konsequenz sei die Anstellung weiblicher Richter, Aerzte, Beamte 2c. Er beantragte deshalb Uebergang zur Tagesordnung. Herrn Schmidts unschuldsvolle Seele scheint nicht zu wissen, daß der Anfang zu jener gefürchteten ,, Konsequenz" in sehr vielen Ländern längst in umgekehrter Reihenfolge gemacht ist. In allen Kulturländern, Bosnien  , die Türkei  , Indien   und sogar Deutschland   inbegriffen, sind zum Theil seit langen Jahren weibliche Aerzte thätig. Weibliche Richter, Beamte 2c. fungiren in überseeischen Staaten. Weibliche Fabrikinspektoren sind dagegen nur in England, Frankreich  , den Vereinigten Staaten   und Australien   angestellt. Der Staatsrath von Borries haute in dieselbe Kerbe wie der konsequenzbange Herr Schmidt. Seiner Abstreitung des Bedürfnisses nach weiblichen Fabrikinspektoren fügte er noch die Behauptung hinzu, die Petenten hätten die Verhältnisse schwärzer gemalt, als sie in Wirklichkeit seien. Altenburg   insbesondere sei kein großes Fabrikzentrum, und die Arbeiterinnen hätten Gelegenheit, ihre

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