Beschwerden durch die Vermittlung ihrer Ehemänner, Mitarbeiter 2c. zur Kenntniß der Gewerbeinspektion zu bringen. Zum Schluß trumpfte der Staatsrath mit der alten Behauptung auf, die durch Thatsachen, wie das Zeugniß der englischen Zentralfabritinspektion längst wider­legt ist, die weiblichen Fabrikinspektoren hätten sich in England nicht bewährt. Es fehle den Frauen an Schulung für das Amt. Er em­pfahl einen vorliegenden Antrag, die Forderung der Regierung zur Kenntnißnahme zu überweisen. Diese Empfehlung wurde durch den Schlußsatz des Herrn in das richtige ultige Licht gerückt. In diesem Schlußsay konstatirte er nämlich, daß der soeben von ihm befürwortete Antrag hinfällig sei, da die Regierung von der Angelegenheit schon Kenntniß genommen habe. Logik und sittlicher Ernst" in öffent­lichen Angelegenheiten, dein Name ist Staatsrath! Der Abgeord­nete Donath bestritt ebenfalls das Bedürfniß nach weiblichen Fabrik­inspektoren; er wußte, daß in den Fabriken des Landes musterhafte Ordnung und Reinlichkeit herrscht, trotzdem aber klangen seine Aus­führungen in den Stoßseufzer aus: Die weiblichen Gewerbebeamten kommen doch noch!" Herr Hase und Herr Stöhr erklärten, der Petition ,, freundlich" gegenüberzustehen und wollten sie aus lauter-Freund­lichkeit" der Regierung zur Kenntnißnahme" überweisen. Einen Schritt weiter ging Herr Herrmann. Mit Rücksicht auf die Tausende von weiblichen Arbeitern befürwortete er die Petition und beantragte, sie der Regierung zur Erwägung" zu empfehlen. Beide Anträge bedeuteten im Wesentlichen nichts anderes, als ein Begräbniß mit weniger oder mehr offiziellen Ehren.

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Im schärfsten Gegensatz zu der Verständnißlosigkeit und Lauheit der bürgerlichen Abgeordneten stand das kräftige und sachkundige Eintreten der Sozialdemokraten für die Reform. Nach jeder Richtung hin erhoben sich die Ausführungen unserer Genossen hoch über die seichten Spießbürger Gemeinpläße und die kapitalistenfreundlichen Ableugnungsversuche der Bedürfnißfrage, durch welche man seitens der bürgerlichen Abgeordneten und der Regierung die Forderung bekämpfte. Genosse Käppler sagte im Wesentlichen das Folgende: Wie dringend das Bedürfniß ist, den Arbeiterinnen einen größeren gesetzlichen Schutz durch die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren zu gewähren, erhellt schon aus dem Umstande, daß bürgerliche Damen zur Erkenntniß dieses Bedürfnisses gelangt sind. Sie, die den Ar­beiterinnen durchaus fernstehen, haben sich der Thatsache nicht ver­schließen können, daß die Noth die vielen Tausende von Frauen und Mädchen in die Fabriken zwingt, daß nicht die Gleichgiltigkeit gegen ihre Familien und der Hang zu einem ungebundenen Leben sie dort­hin führt. Und das in den Fabriken arbeitende Weib bedarf eines besonderen Schutzes, der zunächst nur darin bestehen soll, daß eine Assistentin der Gewerbeinspektion als Vertrauensperson vorhanden ist, welche die Klagen und Beschwerden der Arbeiterinnen mit Ver­ständniß entgegennimmt. Hätte der Abgeordnete Schmidt diese Ver­hältnisse in Betracht gezogen, er hätte der Forderung gegenüber zu vorurtheilsloseren Schlüssen kommen müssen. Für das Verständniß des Herrn ist es bezeichnend, daß er in der Kommissionsberathung die Petition des Bundes der Frauenvereine auf eine Stufe stellte mit einer eventuell zu gewärtigenden Petition von Briefmarkensamm­lern. In Frankreich  , England, Amerika   und Australien   haben sich die weiblichen Fabrikinspektoren trefflich bewährt. Die in England zuerst probeweise eingeführten Inspektorinnen sind definitiv angestellt worden, eine Thatsache, die für die gute Amtsführung der Damen spricht. Auch in Deutschland   würde man mit ihrer Amtsthätigkeit günstige Erfahrungen machen. Die Arbeiterinnen haben thatsächlich zu leiden unter Mißständen unsittlicher Natur, sowie unter Einflüssen, die ihren Organismus schädigen. Ihr Schamgefühl aber verbietet ihnen, die einen und die anderen ihren männlichen Mitarbeitern oder dem Fabrikinspektor mitzutheilen. In den Fabriken des Herzogthums fehlt es nicht an Mißständen, welche die Arbeiterinnen schwer belasten. Der Gewerbeinspektion soll laut Beschluß der Landschaft die Haus­industrie unterstellt werden. Dem Fabritinspektor liegen in der Folge neue, größere Aufgaben ob, er bedarf einer Hilfskraft. All' diese Umstände wirken zusammen zur Begründung des sozialdemokratischen Antrags, weibliche Assistenten beim hiesigen Fabrikinspektorat anzu­stellen. Mit den gegen die Neuerung ins Feld geführten Einwänden rechnete Genosse Buchwald gründlich ab. Es war ein Fehler, erklärte er, daß die Petition der juridischen und nicht der Verwaltungskom­mission überwiesen wurde. Der Antrag, die Forderung der Regierung zur Kenntnißnahme zu überweisen, bezweckt nur ein ehrenvolles Be­gräbniß. Das Urtheil über die Amtsthätigkeit der ausländischen Fabrikinspektorinnen fällt verschieden aus, je nachdem ob man sich mit der Materie beschäftigt hat oder nicht. Leute, welche das Wirken der weiblichen Gewerbebeamten aufmerksam verfolgt haben, erklären im Gegensatz zu der Behauptung des Herrn Staatsraths, daß die­selben sich vorzüglich bewährt haben. Wer die Verhältnisse der Ar­beiterinnen aus eigener Erfahrung und gründlich kennt, der weiß,

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daß die Petenten nicht zu schwarz malten, sondern hinter der Wirklich­feit zurückgeblieben sind. Das Zusammenarbeiten von Frauen und Männern bietet durchaus keine Bürgschaft für die Uebermittlung der Beschwerden von Arbeiterinnen an die Fabrikinspektion. Ueber sehr viele schwere Uebelstände sprechen aus Schamgefühl die Arbeiterinnen nicht mit ihren Kameraden. Außerdem sind Letztere richt immer gewillt, für die Beschwerden der Arbeiterinnen einzutreten. Wider­sinnig ist das Argument, es fehle an geschulten Frauen für das Amt der Fabrikinspektorinnen. So lange die Frauen von diesem Amt grundsäßlich ausgeschlossen bleiben und keine Gelegenheit haben, sich heranzubilden, wird es immer an geschulten Frauen fehlen. Wie nothwendig die Thätigkeit weiblicher Fabrikinspektoren ist, lehrt der folgende, aus vielem einschlägigen Material herausgegriffene Einzel­fall. In einer großen Altenburger Zigarrenfabrik müssen die Arbeite­rinnen bei dem Pressen unter Kraftanstrengung eine gebückte, gespreizte Körperstellung einnehmen, welche zweifellos eine ungünstige Wirkung auf den weiblichen Organismus ausübt. In der nämlichen Fabrik müssen die Arbeiterinnen bei Strafe während der Arbeitszeit die Ab­orte für Männer scheuern, die oft von Angestellten während des Scheuerns aufgesucht werden. Diese Zustände sind nicht blos un­schicklich, sie bedrohen die Sittlichkeit der Arbeiterinnen. Unsittliche Szenen bleiben hier nicht aus. Verweigern die Arbeiterinnen die betreffende Verrichtung, so wird ihnen die Strafe am Lohne   ab­gezogen und als Entgelt den Kameradinnen zugewiesen, welche das Scheuern übernehmen. Aus begreiflichen Gründen klagen die Arbeite­rinnen nicht über diese schreienden Mißstände beim Fabrikinspektor. Auch die Arbeiterinnen der Hut- und Porzellanfabriken bedürfen dringend der Möglichkeit, einer Frau gegenüber Uebel ihrer Berufs­arbeit zur Sprache bringen zu können. Staub und Hiße beeinflussen ihren Organismus sehr schädlich. Die Anstellung weiblicher Fabrit­inspektoren ist gerade so nöthig, wie die Thätigkeit weiblicher Aerzte. Gegen die Anstellung von Fabrikinspektoren wurden seinerzeit die gleichen Gründe geltend gemacht, wie jetzt gegen die Ernennung weib licher Gewerbebeamten. Allen Einwänden, allen Gegnerschaften zum Trotz wird die Entwicklung der Dinge die Anstellung weiblicher Fabrifinspektoren herbeiführen. Ein ad acta Legen des sozialdemo­fratischen Antrags hält auf die Dauer eine Reform nicht auf, die in unserem modernen Wirthschaftsleben begründet ist. Genosse Schüler wies darauf hin, daß Hessen   die Anstellung einer Hilfsfabrikinspektorin beschlossen hat, daß Altenburg   also nicht in Deutschland   die Rolle des Bahnbrechers zu spielen habe. Allen überzeugenden Gründen ungeachtet ward der sozialdemokratische Antrag abgelehnt, ebenso der­jenige, die Petition der Regierung zur Kenntnißnahme zu überweisen. Annahme fand dagegen der Antrag, die Petition der Regierung zur Erwägung zu überweisen. Nach den Ausführungen des Staatsraths von Borries würde dieser Beschluß eine Vertagung der Reform auf Sankt Nimmerlein bedeuten. Die Sozialdemokraten im Landtage werden jedoch dafür sorgen, daß dies nicht der Fall ist, und daß die Forderung der nöthigen Reform so lange wiederkehrt, bis die In­teressen der Arbeiterinnen ihre Wahrung gefunden haben.

Kleine Nachrichten.

Eine Zunahme der Zahl der bayerischen Fabrikarbeite rinnen für das Jahr 1896 verzeichnet der letzte Jahresbericht der bayerischen Fabrikinspektion. Die Zahl der inspektionspflichtigen erwachsenen Arbeiterinnen vermehrte sich um 4 Prozent. In der gleichen Zeit nahm die Zahl der erwachsenen männlichen Arbeiter um 4,7, die der jugendlichen Arbeiter aber um 12 Prozent zu. Die Beschäftigungsdauer der Fabrifarbeiterinnen hat eher ab als zuge­nommen. In einer größeren Zahl von Betrieben beträgt sie weniger als die zulässige Marimalarbeitszeit.

Für die Besserstellung der weiblichen Eisenbahnbeamten trat kürzlich der Abgeordnete Rickert im preußischen Abgeordneten­hause warm ein. Er forderte für dieselben Pensionsgewährung und auch in anderer Beziehung Gleichstellung mit den männlichen Be­amten. Der Ultramontane Pleß unterstützte diese Forderungen und wies darauf hin, daß die Verwaltung sich bei Anstellung weib­licher Beamten durchaus nicht von höheren Gesichtspunkten leiten ließ, sondern lediglich billige Arbeitskräfte gewinnen wollte. Der Regierungsvertreter erwiderte, daß den im Eisenbahndienst be­schäftigten 236 Frauen und Mädchen der Charakter als Beamter fehle, der Voraussetzung der Pensionsberechtigung sei. Laut Beschluß des Staatsministeriums sei ihnen bei der Anstellung dieser Charakter nicht verliehen worden, weil man gefürchtet habe, sie würden ihrer Stellung nicht gewachsen sein und nicht genügende Autorität besitzen. Der Regierungsvertreter schwieg sich darüber aus, warum man den angestellten Frauen und Mädchen den Charakter der Beamten nicht