verliehen habe, nachdem sie ihre berufliche Tüchtigkeit durchaus erwiesen. Der Grund dieses Warum liegt auf der Hand. Die preußische Eisenbahnverwaltung zeichnet sich durch ihre Sparwuth auf Kosten der Angestellten aus. Wie der schäbigste Privatunternehmer verwendet sie weibliche Arbeitskräfte, weil die Bedingungen von deren Ausbeutung dem Profit, pardon: der Ueberschußwirthschaft besonders günstig sind.
Eine Doktorin der Medizin praktizirt seit Kurzem nun auch in Dresden . Frau Dr. med. Fischer- Dückelmann holte sich, wie die meisten deutschen Aerztinnen, ihre Berufsausbildung an der Züricher Universität. She sie Medizin studirte, war sie als Herausgeberin eines vorzugsweise der Gesundheitspflege gewidmeten Wochenblatts und als Verfasserin hygienischer Schriften thätig.
* Unter dem Titel ,, Mann und Weib" ist von einem orthodoren evangelischen Lehrer an einer höheren Töchterschule, F. Better, kürzlich eine geharnischte Strafpredigt gegen die Frauenbewegung erschienen, in der folgende köstliche Perlen der Beredsamkeit zu finden sind:„ Endlich, und wie die Natur in prächtiger Symbolik vorbildet, daß, während es des Mannes Ehre ist, mit gutem Gewissen das Haupt hoch und frei zu tragen, das Herz des Weibes dagegen tief in ihrer Brust sein Leben und Klopfen und Pochen verbirgt, wie der Apostel scheinbar paradoral( sonderbar) und doch wahr und tiefsinnig vom Weibe sagt: ihr Schmuck sei der verborgene Mensch des Herzens, so wird naturgemäß das Thun des Mannes ein öffentliches, das der Frau ein privates und verborgenes sein. Die Oeffentlichkeit schadet stets dem Weib. Ob sie auf der Bühne spielt oder öffentlich redet, lehrt oder betet, stets verschwindet bald wie bei einer im Marktstaub ausgestellten Blume oder Frucht der feine Duft, der zarte Flaum als äußeres Zeichen davon, daß ihr inneres Leben nothleidet.
,, Sobald die Frauen in Athen , im kaiserlichen Rom und in Konstantinopel , wie jetzt vielleicht in Paris und sonstwo in die Arena ( Deffentlichkeit) niederstiegen und mit Männern um Kunst und Wissen schaft, Sozialfragen(!), Politik(!) und Religion rangen, so wankten stets die Grundfesten der Ehe und Familie. Wenn das Weib in die Deffentlichkeit tritt, so leidet bald das Beste und Schönste an ihr noth. Bald gehen Weiblichkeit und Lieblichkeit, 3artgefühl und Schamhaftig keit, diese edlen, heute zu wenig geschätzten Gaben, der so feine Sinn für Anstand und gute Sitte, leider auch zu oft die Sittlichkeit in die Brüche."
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Ob wohl das innere Leben" der öffentlich lehrenden oder redenden Frau mehr„ nothleidet", als das der Fabrikarbeiterin?! Und ob der„ feine Duft" und" zarte Flaum" der Blume ,, Weib" durch das elende Leben einer Näherin, die von früh bis spät zu Hause sitzt, eher erhalten bleibt, als durch das„ öffentliche Lehren" eines wohlfituirten weiblichen Professors in Amerika ?! Jedenfalls schließt des Verfassers Kenntniß vom weiblichen Geschlecht mit dem Kreise seiner höheren Töchter ab, sonst würde er nicht die Deffent: lichkeit beschuldigen können, daß sie Weiblichkeit und Lieblichkeit, Zartgefühl und Schamhaftigkeit" vernichtet, sondern vielmehr die wachsende Noth, die endlich auch den Frauen die Augen öffnet. Das Wanken der Grundfesten der Ehe und der Familie" ist nicht eine Folgeerscheinung der Frauenbewegung, sondern gehört mit zu ihren Voraussetzungen. Die Mutter, die heute gewaltsam ihren Kindern. entrissen, das Mädchen, die grausam um ihre Jugend und Lebensfreude betrogen wird, müssen, wenn sie nicht schon stumpfsinnig geworden sind, an dem großen Befreiungskampf der Menschheit theilnehmen, der allein auch sie zu erlösen bestimmt ist.
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Als Möchte gern- Retterinnen der uferlosen Flottenpläne haben sich, offenbar angeeifert durch das Beispiel der Braunschweiger " höheren Töchter", etliche Bourgeoisdamen von Görlitz lächerlich gemacht. Sie wollen für die Vergrößerung der deutschen Flotte Geld sammeln, und meinen, wenn jede deutsche Frau auch nur einen Pfennig gäbe", so täme ein hübsches Sümmchen zusammen. Wenn deutsche Bourgeoisdamen ihren Ueberfluß auf dem Altar des Vaterlandes", zu den Füßen des schlachtbegeisterten Herrn von Hollmann niederlegen wollen, so ist ihnen das natürlich unbenommen. Ein Jeder thut, was er nicht lassen kann. Aber es stellt doch den Gipfel der Bornirtheit oder Unverfrorenheit dar, den Frauen des werkthätigen Volts anzusinnen, für die All- Deutschland- Spielerei zu opfern, und wäre es auch nur einen Pfennig.
Das Universitätsstudium ist den Frauen in Oesterreich erschlossen worden. Wie die Wiener Arbeiterzeitung " berichtet, hat der österreichische Minister für Kultus und Unterricht fürzlich eine Verordnung erlassen, welche die Zulassung von Frauen als ordentliche oder außerordentliche Hörerinnen an den philosophischen Fakultäten der Universität vorsieht. Die Verordnung verlangt von den ordentlichen Hörerinnen den Nachweis der österreichischen Staatsbürgerschaft, das zurückgelegte achtzehnte Lebensjahr und die Ab
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legung der Reifeprüfung an einem inländischen Staatsgymnasium. Als außerordentliche Hörerinnen können an den philosophischen Fakultäten Frauen künftighin dann aufgenommen werden, wenn sie mindestens die Lehrerinnenbildungsanstalt mit Erfolg absolvirt haben oder eine jener Schulen für Mädchen, die der Unterrichtsminister als gleichwerthig bezeichnet. Außerordentliche Hörerinnen haben jedoch mindestens zehn Stunden pro Woche zu inskribiren. Die Erlaubniß zum Besuch einzelner Vorlesungen kann fünftighin Frauen nur ausnahmsweise auf Antrag des betreffenden Dozenten vom Professorenkollegium gestattet werden. Die Verordnung stellt auch eine weitere Anordnung hinsichtlich der Zulassung ordentlicher und außerordentlicher Hörerinnnen zu Lehramtsprüfungen für höhere Töchterschulen eventuell für Mädchenmittelschulen in Aussicht. Die neuen Bestimmungen treten mit 1. Oktober 1897 in Kraft. Ueber die Zulassung der Frauen zu medizinischen Studien soll gleichzeitig mit der geplanten Reform der medizinischen Studienordnung entschieden werden.
Das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für alle Erwachsene, mithin auch für die Frauen, vom 21. Lebensjahr an fordert die parlamentarische Vertretung der österreichischen Sozialdemokratie vom Abgeordnetenhaus. Dieselbe hat einen Antrag eingebracht:„ Das hohe Haus wolle beschließen: Es sei ein 36 gliedriger Ausschuß aus dem ganzen Hause zu wählen, der Vorschläge zu erstatten hat bezüglich der Aenderung der Verfassung durch Bildung einer auf Grund des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts für alle Erwachsene vom 21. Lebensjahr an zu schaffenden Volksvertretung an Stelle des gegenwärtigen, zum größten Theil auf Steuerzensus und Privilegien beruhenden Abgeordnetenhauses." Wie in Deutschland , so ist auch in Desterreich die Sozialdemokratie die einzige Partei, die geschlossen für die volle Gleichberechtigung der Geschlechter eintritt.
Ein Ausstand der Tabakarbeiterinnen von Marseille , der kürzlich stattfand, ist bemerkenswerth wegen des bekundeten Solidaritätsgefühls und der Rücksichtnahme der Minderheit auf die Mehrheit. Wegen Lohndifferenzen traten 40 Arbeiterinnen in den Streif. Die 600 Arbeiterinnen einer anderen Abtheilung erklärten sich mit ihnen solidarisch und legten ebenfalls die Arbeit nieder. Die ersten 40 Ausständigen waren jedoch der Ansicht, der Streik könne unter Umständen für Viele üble Folgen haben, sie hielten sich deshalb für verpflichtet, die eventuell schweren Opfer ihrer Arbeitsschwestern nicht anzunehmen. Sie setzten ihre Forderungen wesentlich herab, so daß nach nur viertägiger Dauer des Ausstandes eine Einigung mit der Manufaktur zu Stande kam.
Der Bund der Frauengenossenschaft in England( Womens Cooperative Guild) zählt nach seinem dreizehnten Jahresberichte 200 Zweigvereine mit zusammen 9093 Mitgliedern. Im letzten Berichtsjahre hat der Bund 33 neue Zweigvereine und über 1000 Mitglieder gewonnen.
* Die Insel Kreta , um die sich die Türken und Griechen streiten, und an deren Freiheitsdrang die Macht von„ ganz Europa " zu scheitern scheint, wurde vor längerer Zeit von einer klugen Frau, die unter dem Namen Elpis Melena schrieb, nach zwanzigjährigem Aufenthalt dort, eingehend geschildert. Sie nennt Kreta ,, ein verschlossenes Paradies", rühmt die Kraft und Schönheit der griechischen Eingeborenen, bedauert aber, daß das begabte Volk auf einer so niedrigen Kulturstufe stehen geblieben sei, die besonders in ihren ganz primitiven Wohnungsverhältnissen zum Ausdruck kommt. Ein Bau, aus einem einzigen Raum bestehend, bildet die Wohnung des Armen, ein Webstuhl, ein Strohsessel, ein Bett und ein Wasserkrug ist häufig sein ganzes Inventar. Dabei zeichnen die Bewohner Kretas sich durch große Sauberkeit aus. Von ihren persönlichen Eigenschaften hebt Frau Elpis Melena hauptsächlich die Gastfreundschaft hervor. Jeder Fremde wird bewirthet, so schmal auch die Kost sein mag. Die Unwissenheit ist in allen Klassen der Bevölkerung gleich groß, da die türkische Regierung so gut wie nichts für die Hebung der Bildung thut, wie auch keinerlei Interesse dafür zeigt, den großen Reichthum an Bodenerzeugnissen durch geeignete Kultivirung nußbar zu machen. Die Frauen der Eingeborenen werden sehr hochgehalten, und, wenn irgend möglich, sobald sie Familie haben, von jeder Arbeit außer dem Hause befreit.
Quittung.
100 Mark zu Agitationszwecken durch Genossin Ihrer erhalten zu haben, bescheinigt dankend
April 1897.
Frau M. Wengels Vertrauensperson.