der Frauen und die Unduldsamkeit oder die gleichgiltige Duldung der Genossenschafter durchgerungen. Sie betrachtet sich selbst lediglich als eine vorbereitende Körperschaft, bestimmt, die Arbeiterinnen zu leiſtungs­fähigen und gleichberechtigten Mitgliedern der Genossenschaftsbewegung heranzubilden. Dank der unausgesetzten, aufopfernden Thätigkeit ihrer Führerinnen werden die Frauen allmählich aus bloßen Kon­sumentinnen zu treibenden Kräften innerhalb der Vereine und dringen mehr und mehr als schäzenswerthe Mitberather in die genossenschaft lichen Verwaltungskörperschaften ein. Zwei Führerinnen der Guild gehören dem Ausschuß der Cooperative Union" an, einem Zentral verband, der die mannigfachen Glieder der Bewegung zusammenfaßt und ihre organisatorische und propagandistische Thätigkeit leitet.

Die Sekretärin der Guild ist im vorigen Jahre in eine aus acht Mitgliedern bestehende Kommission zu Bildungszwecken( ,, Special Education Committee") gewählt worden. Sie ist beauftragt, die ge­nossenschaftliche Erziehung in neue Bahnen zu leiten, weil ihre bis­herigen Aufgaben, die Gründung von Leſehallen, Bibliotheken und technischen Schulen und die Veranstaltung von Vortragskursen mehr und mehr in die Hände der demokratisirten Gemeindeverwaltungen übergehen. 22 Guildmitglieder, von denen 5 im letzten Jahre hinzu­gewählt worden sind, sißen in Verwaltungsausschüssen von 13 Kon sumvereinen. Zum ersten Male sind in diesem Jahre Frauen als Delegirte, und zwar 10 Delegirte aus 4 Vereinen, zu den Viertel­jahresversammlungen der Großeinkaufsgenossenschaft zum Zwecke der Rechnungsablage,* der Beschwerdesführung und der Abstimmung über neue Maßnahmen entsandt worden. Ueber 70 Frauen, in der Mehr­heit Guildmitglieder, waren auf den letzten Jahreskongressen der Genossenschaft. Sie nahmen regen Antheil an den Debatten, speziell an Fragen, die genossenschaftliche Erziehung betreffend, wie die so wichtige Angelegenheit, was behufs Ausbreitung der Cooperation " in London geschehen könne, wo in Folge der großen Armuth, des ewigen Wohnungswechsels und der riesigen Entfernungen das Ge­nossenschaftswesen bisher nicht Fuß fassen wollte. Seit etwa zwei Jahren hat man einen neuen, anscheinend glücklichen Versuch der

* Die englische und die schottische Großeinkaufsgenossenschaft( ,, Whole­sale Society") setzt sich aus den einzelnen Konsumvereinen( ,, Stores"). zusammen. Ihr Zusammenschluß befähigt sie zur Betretung des Welt­marktes und die bedeutenden Aufträge und großen Baarmittel ermöglichen den Einkauf zu den günstigsten Bedingungen.

Also-wenn auch unbedeutend, so zeigt es doch, daß Sie ökonomischen Sinn haben, und der ist viel Geld werth. Mit Ihrem guten Eramen, Ihren Familienverbindungen und übrigen Konnerionen in der Hauptstadt können Sie ja bald ein kleines Amt bekommen, und ist man erst einmal auf der Beamtenlauf­wie Sie wissen- von selbst." bahn, dann geht es

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Sören faute auf der Feder und sah rathlos aus.

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Stellen wir uns einmal vor", fuhr der Prinzipal fort, daß Sie Dank Ihrer Sparsamkeit Ihre Wohnung ohne be­sondere Schulden einrichten fönnen, so haben Sie ja Jhren Voll­ machts - Gehalt und das, was Sie noch durch Extra- Arbeit verdienen können. Und das müßte doch sonderbar zugehen, wenn ein Mann von Ihrer Tüchtigkeit seine Zeit nicht einträglich verwenden könnte, in einer aufblühenden Handelsstadt wie die unsere."

Sören dachte den ganzen Vormittag über die Worte des Hardesvogts nach; es stand ihm immer flarer vor Augen, daß er die ökonomischen Schwierigkeiten, welche sich seiner Heirath in den Weg stellten, überschäßte, und im Grunde war es ja wahr, daß die Bureau- Arbeit ihm noch viel Zeit übrig ließ.

Heute war er mit seiner Braut zum Mittagsessen beim Prinzipal eingeladen. Im Ganzen genommen trafen die Ver­lobten sich ebenso oft beim Hardesvogt, wie in Mariens Wohnung. Denn die eigenthümliche Fertigkeit, welche Frau Möller- Mariens Mutter sich angeeignet hatte, allen Gesprächen einen religiösen Ausgang zu geben, hatte durchaus nichts Anziehendes für die jungen Leute.

Bei Tische war die Rede von einem kleinen, schmucken Hause, das Frau Olsen entdeckt hatte, so ein rechtes Nest für Neu­vermählte", wie sie sich ausdrückte. Im Laufe des Gesprächs erfundigte Soren sich nach dem Preise und fand diesen noch ganz vernünftig im Verhältniß zu der Beschreibung, welche die Frau machte.

Wenn Frau Olsen diese Heirath so gern beschleunigt sehen wollte, so geschah dies in erster Linie wie gesagt um sich

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Organisation in London durch Gründung von Volkskonsumvereinen ( ,, People's Cooperative Stores") gemacht, die so lange von der Groß­einkaufsgenossenschaft und der Cooperative Union" unterstützt und berathen werden, bis sie im Stande sind, sich als selbständige und lebensfähige Glieder abzuzweigen.

Eine der anerkanntesten Schriftstellerinnen und Rednerinnen der Guild, Miß Reddish, ist Korrespondentin der staatlichen Arbeits­behörde( ,, Labour Departement") über Frauenarbeit in der Textil­industrie. Im Alter von zehn Jahren kam sie aus der Schule in die Spinnerei und verdankt ihre Bildung dem Selbststudium und dem Besuch von Sonntagsschulen. Außerdem sind noch 27 Guildmitglieder Berichterstatterinnen.

In Manchester ist ein spezieller Ausschuß der Guild mit zwei anderen Vereinen, dem ,, Women's Trade Union Council" und der ,, Christian Social Union" in Verbindung getreten, und dies zum Zwecke der Untersuchung der Verhältnisse, unter denen Frauenarbeit geschieht. Das diesbezügliche Wirken hat bereits gutes Material über die Arbeit in Gummiwaarenfabriken und anderen Industrien, beson­ders auch über die Heimarbeit geliefert.

Die Aufgaben, die sich die Guild stellt: Verbreitung der Kenntniß der genossenschaftlichen Theorie und Praxis, der Fabrik- und Werk­stättengesetzgebung, Agitation für die Verbesserung der industriellen und häuslichen Ausbildung der Frauen, haben in diesem Jahre durch das Studium der Armenpflege eine Erweiterung erfahren. 105 3weig­vereine haben die eine oder andere Seite der Armenpflege genau studirt. Abhandlungen über die Geschichte und die gegenwärtige Handhabung des englischen Armenwesens( ,, Poor law") sind von Guildmitgliedern für die Guild geschrieben worden. Vorlesungen, Studienabende und Korrespondenzklassen werden organisirt.

Viele der englischen Armenpfleger und Armenpflegerinnen( ,, Poor law Guardians") haben die Guild in ihren Bemühungen unterstützt und ihren Mitgliedern Gelegenheit zu einem gründlichen Anschauungs­unterricht durch eingehende Besichtigung einer großen Anzahl der mehr oder minder gut eingerichteten Armenhäuser gegeben. Gleichzeitig ist für die vermehrte Anstellung von Armenpflegerinnen agitirt und für die Ausbildung hierzu geeigneter Frauen aus dem Arbeiterstande Sorge getragen worden. Bis jetzt sind 25 Mitglieder der Guild Armen­pflegerinnen.

Nur wer sich davon überzeugt hat, wie wenig zugänglich die dividendenfrohe Durchschnittsgenossenschafterin allgemeinen Interessen

mit irgend etwas zu beschäftigen; und dann entsprang es aus dem unbestimmten Wunsche, daß überhaupt etwas vor sich gehen sollte ein psychologisches Phänomen, das nicht selten in fleinen, einförmigen Verhältnissen bei energischen Charakteren vorkommt.

Der Hardesvogt arbeitete nach derselben Richtung; erstens, weil die Frau es befohlen hatte, und zweitens, weil er glaubte, daß, wenn Sören erst mit Fräulein Marie, die seinem Hause so viel Dank schuldete, verheirathet sein würde, er noch fester an das Bureau gefesselt wäre. Der Hardesvogt war mit seinem Bevollmächtigten sehr zufrieden!

Nach Tische gingen die Verlobten im Garten spazieren. Sie sprachen so seltsam kurzathmig miteinander, bis Sören in einem Tone, der leicht klingen sollte, die Bemerkung hinwarf: " Was meinst Du, wenn wir uns im Herbst heiratheten?"

Marie vergaß, erstaunt zu sein; sie war mit denselben Ge­danken umher gegangen, und deshalb antwortete sie, indem sie zu Boden blickte: Ja, wenn Du meinst, daß es geht, so habe ich nichts dagegen."

" Laß uns einmal rechnen", sagte Sören und zog sie ins Lufthaus.

Eine halbe Stunde später traten sie Arm in Arm in den Sonnen­schein hinaus. Es war, als strahlten sie selbst auch; denn es liegt immer ein Glanz auf einem fecken Entschluß, der nach reif­licher Ueberlegung und ernster Berechnung gefaßt wird.

Einer oder der Andere mag nun wohl meinen, daß man nicht unbedingt auf die Richtigkeit eines Rechenerempels bauen soll, nur weil zwei Liebende ganz dasselbe Fazit gezogen haben; besonders wenn das Problem sich um die Wahl der höchsten Glückseligkeit oder der Entsagung gedreht hat.

Sören hatte, während sie rechneten, auch einige Anfechtungen gehabt. Es war ihm eingefallen, wie er in der Studentenzeit in hochtrabenden Worten von der Verantwortung gesprochen hatte, welche man der Nachkommenschaft gegenüber hat wie er auf philosophischen Umwegen das Egoistische in der Liebe nachgewiesen

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