ist, wie schwer sie z. B. begreifen gelernt hat, daß Schule und Spiel­platz ein geeigneterer Aufenthalt für ihre Kinder sind, als die Fabrik,* und daß die Ausbreitung der Genossenschaftsbewegung wichtiger ist, als die Wäsche der Nachbarin, kann die anscheinend bescheidenen Erfolge der Guild nach Gebühr würdigen. Mit wenigen Ausnahmen gehören ihre Führerinnen zum linken Flügel der Genossenschafts­bewegung und sind energischere Vorfämpferinnen des Fortschritts im Sinne des Sozialismus als viele ihrer männlichen Kollegen.

Hoffnung.

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,, Völkerfrühling!" hör' ich schallen, Hehres Wort ein frei Geschlecht Soll auf unsrer Erde wallen, Keiner sei des Andern Knecht.

Wie die Lerchen frei sich schwingen In die Höhe himmelan,

So soll auch mein Lied erklingen: ,, Muthig vorwärts, Mann für Mann!"

Alte Götter sah man stürzen, Neue Götter schuf man sich: Kapital und freie" Knechtschaft, Diese stürzt man sicherlich.

Währt's auch lange, währt's auch lange, Einmal siegt die Freiheit doch! Einmal wird die Morgenröthe, Aufgehn für die Menschheit noch.

Notizentheil.

( Von Lily Braun und Klara Betkin.)

Gewerkschaftliche Arbeiterinnen- Organisation.

Die gewerkschaftliche Organisation der Genter Arbei­terinnen hat in den letzten Jahren gute Fortschritte gemacht. In

* Noch vor drei Jahren ging eine Resolution für die Erhöhung des schul­pflichtigen Alters von 11 auf 12 Jahre auf der Jahreszusammenkunft der Guild nur mit knapper Stimmenmehrheit und unter erbitterten Kämpfen durch.

und die lächerliche Frage aufgeworfen hatte, ob man so ohne Weiteres das Recht habe, Kinder in die Welt zu setzen.

Aber die Zeit und das praktische Leben hatten ihn glücklicher­weise von diesen müßigen und schädlichen Gedankenerperimenten geheilt. Und außerdem war er viel zu sittlich und wohlerzogen, um die nichts ahnende Geliebte dadurch kränken zu wollen, daß er eine so frivole Aussicht wie die, viele Kinder zu bekommen, mit in seine Berechnung aufnahm. Das ist ja gerade das Reizende, daß die jungen Leute solche Dinge dem lieben Herrgott und dem Storch überlassen.

Nicht allein beim Hardesvogt war große Freude, sondern fast die ganze Stadt gerieth in eine Art Fieberzustand bei der Nachricht, daß der Bevollmächtigte im Herbst heirathen würde. Denn die, welche eine Einladung zur Hochzeit erwarten durften, freuten sich schon lange vorher, und die, welche nicht darauf rechnen konnten, ärgerten sich und lästerten; aber die, welche wußten, daß sie auf der Erpeftantenliste standen, waren halb von Sinnen vor Erwartung. Und jede Gemüthsbewegung hat in solch einer kleinen Stadt werth.

Frau Olsen war eine muthige Dame, und doch klopfte ihr Herz, als sie sich auf den Weg zur Witwe Möller machte. Es ist so eine eigene Sache drum, eine Mutter zu fragen, ob man die Hochzeit ihrer Tochter in seinem Hause halten dürfe. Aber sie hätte sich ihre Angst sparen können.

Denn Frau Möller scheute jede Anstrengung fast ebenso sehr, wie sie die Sünde in jeglicher Gestalt scheute, und deshalb fühlte sie eine große Erleichterung bei Frau Olsens Vorschlag, welcher mit einer für diese Dame ungewöhnlichen Delikatesse gemacht wurde. Es war indessen nicht Frau Möllers Art, eine zufriedene Stimmung zu zeigen. Da ja im Grunde genommen alles auf irgend eine Weise ein Kreuz" war, so ließ sie es auch jeẞt durchschimmern, daß ihre Geduld im Stande sei, je de Schickung zu ertragen.

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( Fortsetzung folgt.)

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den drei Gewerkvereinen der Arbeiter der Genter Leinenindustrie sind 1163 Männer und 2222 Frauen organisirt; fünf Vereine der Arbeiterschaft der Baumwollindustrie zählen zusammen 2969 männ­liche und 1916 weibliche Mitglieder. Dreizehn andere Genter Gewerkschaften weisen zusammen einen Mitgliederstand von 6982 Ar­beitern und 4172 Arbeiterinnen auf. Die durch den Genter ,, Vooruit" repräsentirte Genossenschaftsbewegung hat sehr wesentlich die gewerkschaftliche Organisirung der Genter Arbeiterinnen gefördert. Die gewerkschaftliche Organisirung der weiblichen Han­delsangestellten betreffend, enthält der Bericht des Vereins für Handlungskommis von 1858" eine ebenso thörichte als bezeich­nende Erklärung. Es heißt hier nämlich:" Es kann nicht Aufgabe der faufmännischen Vereine sein, Vereine für weibliche Handels­angestellte gründen zu helfen, weil dadurch die schon jetzt schwer em­pfundene Mitbewerbung der weiblichen Gehilfen noch gefördert würde." Der Verein scheint noch immer nicht begriffen zu haben, daß nicht die gewerkschaftliche Organisation der weiblichen Angestellten die Ursache der schwer empfundenen Mitbewerbung" der weiblichen Gehilfen ist, vielmehr die Profitwuth der Herren Chefs. Seinem Verständniß scheint es noch immer entgangen zu sein, daß gerade die Organisirung der Handlungsgehilfinnen eines der wirksamsten Mittel ist, daß die Konkurrenz der weiblichen Angestellten in gewissen Schranken gehalten und nicht zur Schmutzfonfurrenz zugespitzt wird. Aber um dieses Ziel zu erreichen, muß die Organisation der Ge­hilfinnen auf dem Boden des Klassenkampfes stehen. Und der Ver­ein" stellt sich vor, daß die Organisationen der weiblichen Angestellten wie der bekannte Berliner Hilfsverein" Bein vom Bein und Fleisch vom Fleisch der Harmonieduselei sind, zu der er selbst sich bekennt.

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Jndustrie, des Handels und Verkehrswesens.

Eine erhebliche Zunahme der Frauen und Kinderarbeit in Deutschland im Jahre 1896 weisen die bis erschienenen Berichte der Fabrikinspektoren nach. Nach der Sozialen Praxis" waren in den sieben größten Bundesstaaten, in Preußen, Sachsen , Bayern , Württemberg, Baden, Hessen und Elsaß- Lothringen , im Jahre 1895 in Fabriken und diesen gleichstehenden Anlagen 609 711 Arbeiterinnen beschäftigt. Im Jahre 1896 dagegen 641 702. Es ist also eine Zunahme der Arbeiterinnen um 31 989 eingetreten oder um mehr als 5 Prozent. Die Zahl der jugendlichen Arbeiter von 14 bis 16 Jahren ist in den betreffenden Staaten im Berichtsjahre von 193 323 auf 213 443 gestiegen, also um 20 120 oder um etwas über 10 Prozent. Kindliche Arbeiter unter 14 Jahren wurden 5154 beschäftigt gegen 4178 im Jahre 1895. Ihre Zahl ist um 976 gestiegen, d. h. um mehr als 23 Prozent. Wie laut und eindring­lich reden diese Zahlen nicht von der Zersehung der proletarischen Familie.

Die Zahl der Arbeiterinnen in der sächsischen inspek­tionspflichtigen Großindustrie ist nach dem Berichte der Fabrik­inspektoren 1896 abermals gestiegen, allerdings nicht in so erheblichem Maße, wie in früheren Jahren und nicht in so starkem Verhältnisse wie die Zahl der erwachsenen und die der jugendlichen Arbeiter. 1896 waren in der sächsischen Großindustrie 137 865 Arbeiterinnen thätig gegen 128 375 im Vorjahre. Ihre Zahl hat sich mithin um 9490 vermehrt oder um 7,5 Prozent. Die Zahl der erwachsenen Arbeiter stieg dagegen im Jahre 1896 von 262 226 auf 284 022, d. h. um 21 796 oder um 8,3 Prozent. Die sächsische Großindustrie ver­wendete 1896 nicht weniger als 1268 Kinder, statt 930 im Vorjahre, also 36,3 Prozent mehr als damals! Die Zahl der inspektionspflich­tigen jugendlichen Arbeitskräfte wuchs von 28 968 auf 32 247, also um 4279 oder um 14,8 Prozent. Arbeiterinnen werden in 6153 Be­trieben beschäftigt. Die verhältnißmäßig weniger starke Zunahme der Zahl der Arbeiterinnen erklärt sich durch verschiedene Gründe. Das geradezu erschreckende Anschwellen der Zahl der kindlichen und der jugendlichen Arbeitskräfte übt der Frauenarbeit gegenüber die gleiche Wirkung aus, wie die leberhandnahme dieser gegenüber der Männerarbeit.

Die gesetzlichen Bestimmungen zum Schuße der Fabrikarbei­terinnen haben die gesetzliebenden Unternehmer vielfach veranlaßt, die Frauen aus dem Großbetrieb in den Kleinbetrieb und zur Heim­arbeit zu drängen. Kleinindustrie und Heimarbeit unterstehen nicht der Arbeiterschutzgesetzgebung und Fabrifinspektion. Es fehlen mithin Angaben über die Zunahme der Frauenarbeit. Weiter lagen 1896 etliche Branchen der Textilindustrie darnieder und diese allein be­schäftigt zwei Drittel der sächsischen Fabrikarbeiterinnen. Schließlich sind die Arbeiterinnenlöhne vielerorts derart gesunken, daß der Ge­sindedienst und die landwirthschaftliche Beschäftigung der Fabrikarbeit