weibliche Mitgliederzahl wies 1896 der Verband der Buchbinder 2c. auf: 284 gegen 56 im Jahre 1895. Dem Verband der Schneider gehörten 32 Arbeiterinnen an; von den Tabakarbeiterinnen waren 31, statt 25 im Vorjahr, organisirt; die Handschuhmacher zählten 18 organisirte Kolleginnen; 10 Tertilarbeiterinnen und 1 Metallarbeiterin schlossen sich der Gewerkschaft an. Die Organisationen der Schneider, Handschuhmacher, Textil- und Metallarbeiter hatten im Vorjahr noch keine weiblichen Mitglieder.
Eine Konferenz der Schneider und Schneiderinnen Sachsens fand am 9. August in Dresden statt. Ihre Tagesordnung lautete: 1. Situationsberichte aus den einzelnen Orten; 2. Agitation; 3. Einführung von Betriebswerkstätten und Arbeiterschutz; 4. Agitation unter den Frauen; 5. Presse; 6. Gewerkschaftliches. Zum dritten Punkte der Tagesordnung nahm die Konferenz folgende Resolution an:
,, Da die jetzigen Schutzbestimmungen für die Konfektionsarbeiter so minimaler Natur sind, daß eine Besserung der Verhältnisse nicht zu erwarten ist, fordert die Konferenz in Anbetracht dessen, daß die Betriebswerkstätten die Grundpfeiler sind, auf welchen erst die Arbeitszeit und die Löhne geregelt werden können, die Kollegen auf, die Forderung auf Errichtung von solchen Betriebswerkstätten, welche allen gesundheitlichen und technischen Anforderungen entsprechen, von den Unternehmern direkt zu verlangen und, wenn nöthig, dieselben durch Arbeitseinstellung zu erringen. Es ist deshalb Pflicht der Kollegen, für eine starke Organisation und reichliche Geldmittel zu sorgen, damit der Kampf auch ein erfolgreicher sein kann."
Solange der gesetzliche Arbeiterschutz nicht weiter ausgebaut, insbesondere aber die Heimarbeit nicht gesetzlich streng geregelt ist, scheint es uns sehr fragwürdig, ob die gewerkschaftliche Organisation der Schneider und Schneiderinnen zu solcher Kraft zu erstarken vermag, daß sie die Einführung von Betriebswerkstätten durch einen Kampf durchsetzt.
Zum vierten Punkte der Tagesordnung referirte Genossin Eichhorn Dresden. Die Rednerin zeigte an der Hand der schreienden Uebel, unter denen die Arbeiterinnen des Gewerbes leiden, wie dringend nöthig die Organisirung der weiblichen Arbeitskräfte ist. Aus der Schmutzkonkurrenz, welche die unorganisirten Frauen und Mädchen den männlichen Arbeitern machen, schlußfolgerte sie auf das große Interesse, das die Männer daran haben, die Arbeiterinnen den Organisationen zuzuführen. Die Konferenz erklärte, daß mit aller Energie für die Einbeziehung der Arbeiterinnen in die Gewerkschaft zu wirken und die diesbezügliche Agitation eifrig zu fördern sei.
Der dritte internationale Kongreß der Textilarbeiter tagte vom 8. bis 13. August in Roubaix ( Nordfrankreich). Vertreten war die organisirte Textilarbeiterschaft von Frankreich , England, Deutsch land , Desterreich, Belgien und Holland durch insgesammt 84 Delegirte, darunter eine Frau, welche von einer englischen Organisation entsendet worden war. Zustimmungsadressen liefen ein aus: Amerika , Spanien , Dänemark und Rußland . Mit besonderem Enthusias mus wurde die Zuschrift aufgenommen, in welcher die sozialdemofratische Arbeiterpartei von Russisch- Polen im Namen der 200 000 Textilarbeiter von Lodz und Bialystock sich mit dem Kongreß solidarisch erklärte. Der Belgier Hardyns gab den Bericht über die Entwicklung der internationalen Beziehungen zwischen den Textilarbeitern. Die Zahl der organisirten Arbeiter der Industrie hat in den einzelnen Ländern zugenommen. Die Nothwendigkeit internationaler Beziehungen wird immer klarer erkannt, wie die steigende Betheiligung an den internationalen Kongressen erweist. Aber die internationalen Beziehungen müssen noch stetere, regelmäßigere und festere werden. Dem internationalen Sekretär gingen nur seitens der deutschen Textilarbeiter regelmäßige Berichte zu. Bei mehreren größeren Streifs bethätigte sich die internationale Solidarität. So unterstützten die Engländer die Streits in Rottbus, Guben , Dresden und Mülhausen . Am Schlusse des Berichts betonte Hardyns, daß die Arbeiterklasse sich nicht blos gewerkschaftlich organisiren, sondern mit Hilfe des Stimmzettels auch den politischen Kampf führen müsse. Die Berichte der Delegirten über die Verhältnisse der Textilarbeiter in den einzelnen Ländern und über den Stand ihrer Organisationen enthielten viel Interessantes. Die Organisationen der englischen Textilarbeiter umfassen den größten Theil der Berufsangehörigen, in Lancashire sind z. B. von den 20 000 Arbeitern und Arbeiterinnen der Spinnereien 18 300 organisirt. Die Organisationen verfügen über Millionen. Als der Weberverband einen 15 monatlichen Streit von 2000 Arbeitern und einem Kostenaufwand von 720 000 Mt. hinter sich hatte, waren noch 2040 000 Mt. in seiner Kasse. Natürlich sind die Mitgliederbeiträge entsprechend hoch, sie betragen 50 und 70 Pf. monatlich. In dem Bericht wurden die Fortschritte der englischen Arbeiterschutzgesetzgebung besonders betont. In Deutschland hat die Zahl der gewerkschaftlich organisirten Textilarbeiter in den letzten Jahren zugenommen, sie ist von 2000 im
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Jahre 1892 auf 24000 im Jahre 1896 gestiegen. Aber diese Zahl ist noch gering im Vergleich zu den 697 000 Arbeitern, die in der deutschen Textilindustrie beschäftigt sind. Die belgischen Textilarbeiter haben um 25 Proz. niedrigere Löhne und um 15 Proz. längere Arbeitszeit als die englischen Textilarbeiter, ihre Organisationen sind schwach. Von den 414 931 österreichischen Textilarbeitern und Arbeiterinnen find 5769 organisirt. Die holländischen, wie die französischen Delegirten flagten über schlechte Arbeitsbedingungen, insbesondere niedrige Löhne und über schwache Organisationen. Ueber die Lage der russischen Textilarbeiter lag ein sehr interessanter schriftlicher Bericht vor. Der Kongreß beschloß, daß künftighin der Bericht des internationalen Sekretärs in drei Sprachen abgefaßt sein und einen Monat vor dem Kongreß veröffentlicht werden sollte. Zur Frage des gesetzlichen Arbeiterschutzes nahm der Kongreß eine längere Resolution an. Dieselbe erklärt, daß der vorhandene Arbeiterschutz nicht genügt und vielfach nur auf dem Papier steht, wenn die Arbeiter unorganisirt sind und ihre Rechte nicht kennen und nicht fordern. Die Einführung des Achtstundentags durch die Gesetzgebung ist zu verlangen, doch muß die Textilarbeiterschaft auch für Verkürzung der Arbeitszeit gewerkschaftlich kämpfen. Der Kongreß forderte ferner das Verbot der Arbeit von Kindern unter 14 Jahren; den Ausführungen des deutschen Délegirten entsprechend, erklärte er sich leider gegen die Forderung einer türzeren Arbeitszeit für die Arbeiterinnen. In jedem Staate soll obligatorische Kranken-, Unfall, Arbeitslosen- und Altersversicherung auf Kosten des Staats eingeführt werden. E3 sind Fabrikinspektoren anzustellen, deren Wahl durch die Arbeiter zu erfolgen hat. Obligatorische Gewerbeschiedsgerichte müssen errichtet werden. Der Kongreß forderte ferner das Verbot der Sonntags= die Sonntagsruhe hat von Sonnabend Mittag bis Montag früh zu dauern, die Beseitigung der Affordarbeit, volle Koalitionsfreiheit, volles Vereins, Versammlungs- und Preßrecht und Bestrafung derjenigen, welche die Arbeiter an der Ausnüßung dieser Rechte hindern. Er verlangte außerdem die Ausdehnung der Arbeiter schutzgesetzgebung auf alle Arbeiter und Arbeiterinnen, die in Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr, Bergbau, Schifffahrt, Landwirthschaft u. s. w. beschäftigt sind. Als Mittel, die formulirten Forderungen zu erringen und zu sichern, erklärte der Kongreß die Agitation in Wort und Schrift, die gewerkschaftliche und die politische Aftion, damit die Gesetzgebung nicht in den Händen der Kapitalistentlasse bleibe. Ein Gegenantrag der Holländer, den Kampf nur auf ökonomischem Gebiete zu führen und sich der politischen Aktion zu enthalten, wurde erfreulicher und vernünftiger Weise abgelehnt. Desgleichen der Antrag der Pariser Posamentirer, auf die Tagesordnung des nächsten Kongresses die Frage des Generalstreits zu setzen, jene Utopie, die eine Handvoll Wirrköpfe noch immer nicht schlafen läßt. Die Beschickung des internationalen ArbeiterschutzKongresses in Zürich wurde mit Rücksicht auf die Kosten abgelehnt. Als Beitrag für das internationale Sekretariat hat zu zahlen: England 300 Fres.; Deutschland und Frankreich je 200 Fres.; Belgien 150 Fres.; Desterreich 125 Fres. und Holland 25 Frcs. Die Abstimmung auf den internationalen Kongressen soll nach Nationen erfolgen und ohne Rücksicht auf die Zahl der vertretenen organisirten Textilarbeiter. Der nächste Kongreß soll in drei Jahren in Deutschland stattfinden Die Situationsberichte sollen künftig in drei Sprachen gedruckt vorliegen. Nach der Annahme des Antrags, die Gewerkschaftspresse zu unterstützen, wurde der Kongreß mit einem Hoch auf die internationale Verbrüderung der Arbeit geschlossen.
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Soziale Gesetzgebung.
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* Gesetzlichen Schutz der schwangeren und niedergekommenen Arbeiterinnen verlangen drei belgische Feministen so nennen sich die Anhänger der Frauenbewegung in Belgien und Frankreich Louis Frank, Louis Maingin und Dr. Reiffer. Dieselben haben den Entwurf zu einem Gesetze ausgearbeitet, das sich mit der Frage des Schutzes der verheiratheten Arbeiterinnen und ihrer Kinder beschäftigt. Unter dem Titel„ L'assurance maternelle", den wir etwa mit dem Ausdruck Mutterschaftsversicherung" übersetzen können, soll ihre Arbeit demnächst veröffentlicht werden. Die Verfasser fordern eine Ruhepause von mindestens acht Wochen für die schwangeren Frauen und Wöchnerinnen, zu gleicher Zeit aber auch, um sie vor dem Schaden der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitslosigkeit zu bewahren, daß während dieser Zeit für sie gesorgt werde. Das nöthige Kapital für die Unterstüßung der Mütter soll durch Beitragszahlungen seitens der Arbeiterinnen selbst und durch eine, den unverheiratheten Männern aufzuerlegende Steuer aufgebracht werden. Durch die einlaufenden Beträge sollen nicht nur die Kosten der Entbindung und der Wochenpflege gedeckt, es soll auch für eine geeignete Pflege der Säuglinge gesorgt werden. Sobald die Arbeit