uns vorliegt, werden wir nochmals darauf zurückkommen, da die Verfasser ihre Vorschläge bis ins Einzelne ausgeführt haben, und wir uns heute nur auf einen vorläufigen Bericht stützen.

Weibliche Fabrikinspektoren.

,, Die Assistentin der Fabrikinspektion von Sachsen- Wei­ mar  ", so wird uns aus Apolda   geschrieben," Frau Maria Rönsch, ist eine ältere Dame, die Wittwe eines Fabrikanten. In Arbeiter­und Arbeiterinnenkreisen ist sie vollständig unbekannt. Niemand weiß, ob sie sich je eingehend mit dem Studium der Verhältnisse der Fabrik­arbeiterinnen beschäftigt hat. Niemand kennt die Leistungen, auf Grund deren die Regierung die Ueberzeugung gewann, daß Frau Rönsch für die Pflichten der Fabritinspektion besonders geeignet sei. Soweit uns bekannt ist, hat die Assistentin bisher dort, wo sie in Begleitung des Fabrikinspektors zur Revision der Betriebe erschien, feine Fragen an die Arbeiterinnen gerichtet. Von offizieller Seite her sind die Arbeiterinnen so wenig auf die Neuerung aufmerksam gemacht worden, daß Frau Rönsch vielfach nicht für eine Beamtin gehalten wurde, vielmehr für die Gattin des Fabrikinspektors, des Herrn von Nostiz  . Es fällt uns natürlich nicht ein, aus diesen Um­ständen irgendwelchen voreiligen Schluß auf die Leistungen der Assi­stentin zu ziehen, die sich wahrscheinlich zunächst einmal praktisch, gleichsam durch Anschauungsunterricht, mit den Aufgaben der Fabrik­inspektion vertraut machen will. Jedenfalls ist es bezeichnend, daß in den Kreisen der organisirten Arbeiter und Arbeiterinnen die An­sicht recht verbreitet ist, der Regierung sei daran gelegen, daß die Amtsthätigkeit der Assistentin eine möglichst erfolglose sei. Sie ge­denke durch den Hinweis darauf die von den Arbeitern weiter er­hobene Forderung abzulehnen, daß die Anstellung weiblicher Fabrik­inspektoren auf Grund eines flipp und klaren Gesetzestertes zu erfolgen habe, statt durch einfache ministerielle Verfügung."

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Assistentinnen der Fabrikinspektion in Bayern   sollten ver­suchsweise angestellt werden, so meldeten Zeitungsnachrichten. Die bayerische Regierung beabsichtigt nämlich, die Zahl der Assistenten zu vermehren. Bei dieser Gelegenheit, so hieß es, sollte ein Posten in das Budget eingefügt werden, um einen Versuch mit der Anstellung weiblicher Assistenten zu machen. Die Fräntische Tagespost" schreibt jedoch zu der Frage: Wir halten die Nachricht für eine Ente. Auf den Antrag der sozialdemokratischen Gruppe hin hat die Abgeord­netenkammer bekanntlich fast einstimmig die Anstellung weiblicher Assistenten der Fabrikinspektoren beschlossen. Die Prinzen- und Reichs­rathstammer hat aber dem Beschlusse ihre Zustimmung nicht gegeben. Und da sollte Herr von Feilißsch wagen, selbständig vorzugehen?" Wir theilen durchaus die Zweifel unseres Nürnberger   Bruderorgans. Herr von Feilitzsch   hat in Sachen des Vereins- und Versammlungs­rechts eine solch fundamentale Verständnißlosigkeit für die Lage der Arbeiterinnen gezeigt, daß eine Berücksichtigung der Arbeiterinnen­interessen und Arbeiterinnenforderungen betreffs der Anstellung weib­licher Fabrikinspektoren uns seitens des verbotfrohen Polizeiministers als unglaublich erscheint.

Eine Assistentin des Fabrikinspektors für Sachsen- Coburg­Gotha soll nach einer Meldung der Magdeburger Zeitung" an­gestellt werden. Wenn sich die Nachricht bewahrheitet, so würden in nächster Zukunft in drei deutschen   Staaten weibliche Hilfsfabrik inspektoren amtiren, nämlich in Hessen  , Weimar   und Coburg  - Gotha.

Ein Kursus zur Ausbildung von Fabrikinspektorinnen in Berlin   hat im Winter 1896/97 stattgefunden. Der Kursus war von dem Bund deutscher Frauenvereine  " organisirt. Er umfaßte dreizehn Unterrichtsabende, die von einem Hygieniker und einem Gewerbeinspektor geleitet wurden. Unter den zwölf Theilnehmerinnen befanden sich gewerblich und kaufmännisch Angestellte, Arbeiterinnen und Studirende der Nationalökonomie. Seitens der Theilnehmerinnen wurden zwölf Referate gehalten, von sechs Frauen je eins, von drei Frauen je zwei. Im Anschluß an den Unterricht fanden unter sachverständiger Leitung Besichtigungen von hygienischen Einrichtungen und des Hygienemuseums statt. An den dreizehn Unterrichtsabenden wurden folgende Themata besprochen: Luftverschlechterung und Reini­gung der Luft und Lüftung; Beleuchtung; Heizung; Grundsätze des Staats- und Verwaltungsrechts; Eintheilung der Gewerbeordnung; die Paragraphen der Gewerbeordnung betreffend: Sonntagsruhe, Arbeitsbücher, Lohnzahlung; Schutz gegen Gefahren für Leben und Gesundheit u. s. w. der Arbeiter, die Verhältnisse der Gesellen und Gehilfen und die Verhältnisse der Fabrifarbeiter, Schutz der Jugend­lichen und Arbeiterinnen, Ausnahmen im Gesetz, Dienstanweisung für die Gewerbebeamten. Der Unterricht war unentgeltlich, ebenso die Lehrmittel. An Lehrmitteln wurden angeschafft: Gärtner  , Leit­faden der Hygiene; Schlesinger, Gesundheitslehre; Wurm, Lebens­haltung der deutschen   Arbeiter; Gesundheitsbüchlein, herausgegeben

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vom Reichsgesundheitsamt; Reichsgewerbeordnung  ; Evert, Gewerbe­und Arbeiterrecht; Preußische Ausführungsanweisung zur Gewerbe­ordnung. Wie die Soziale Praxis" mittheilt- der die vorstehenden Mittheilungen entstammen wird im kommenden Winter ein Repetir- Kursus eingerichtet, eventuell werden neue Theilnehmerinnen aufgenommen. Nähere Auskunft über die Einrichtung ertheilt Frau Jeannette Schwerin  , Berlin  , Schmidstraße 29.

Die großen Vortheile der Amtsthätigkeit weiblicher Fabrikinspektoren rühmt die Frankfurter Zeitung  " im Anschluß an einen Ueberblick über die einschlägigen Verhältnisse in England. England, so sagt das demokratische Organ, ist nicht das Land theore tischer Klügelei, sondern das Land des Experiments. Man prüfte dort nicht lange das Für und Wider der geforderten Reform. In dem nämlichen Jahre, 1893, in dem 15 Assistenten aus der Arbeiter­flasse zur Fabrifinspektion zugezogen wurden, erfolgte auch die An­stellung der beiden ersten weiblichen Fabrikinspektoren. Trotz des furzen Bestehens der Neuerung hat sich dieselbe durchaus bewährt. Die Amtsthätigkeit der Inspektorinnen ist eine segensreiche gewesen, sie hat die Inspektoren zu höheren Leistungen angespornt. Anhänger aller politischen Parteien, Männer der Wissenschaft und leitende Persönlichkeiten der verschiedensten sozialen Strömungen und Organi sationen rühmen mit seltener Einmüthigkeit das Wirken der Fabrikinspektorinnen. Ob der Nachfolger des sachunkundigen Herrn v. Berlepsch im preußischen Handelsministerium, ob die Regierungen deutscher Bundesstaaten wohl aus diesen Zeugnissen etwas lernen?

Die Thätigkeit der englischen Sanitätsinspektorinnen wird durch die folgenden Angaben illustrirt. Miß Gray, die Sanitäts­inspektorin von Kensington, besuchte im Laufe des letzten Jahres 1251 Werkstätten und mehrere hundert Wäschereien. Sie berichtete u. a. an das vorgesetzte Amt über 172 Wäschereien, von deren Existenz dieses bis dahin keine Kenntniß hatte. Diese Ziffern beweisen, daß die Beamtin mit großem Fleiße ihren Amtspflichten obgelegen hat. Daß sie es auch mit Verständniß that, erhellt z. B. aus ihren Aus­führungen betreffs der Ventilation und Beheizung der Werkstätten. Sie betont, daß die Luft in den Werkstätten meist ganz verdorben sei. Eine genügende Zufuhr guter Luft finde nur dort statt, wo der Arbeitgeber Verständniß für die Nothwendigkeit einer gesunden Atmo­sphäre besitzt und für geeignete Lüftung und Ventilation sorgt. Die Arbeiter wollten in der Regel von dem Deffnen der Fenster nichts wissen. Erklärlich genug, sie fürchteten, sich 10-11 Stunden dem Luftzug auszusetzen. Vielfach wird die Luft dadurch verschlechtert, daß die Unternehmer, um an Betriebskosten zu sparen, die Arbeits­stätten nur mittels von Gasbeleuchtung erwärmen. Daß diese Art der Beheizung keine ausreichende ist, liegt auf der Hand. Gewöhn­lich wird des Morgens nur etliche Stunden bei künstlichem Lichte gearbeitet, die erzeugte Wärme soll für den ganzen Tag ausgeben, und so unterbleibt das Deffnen der Fenster. Zweckentsprechende Beheizung und Ventilation der Arbeitsräume sind unbedingte Er­fordernisse, soll die Luft daselbst eine den Arbeitern und Arbeiterinnen zuträgliche bleiben.

Ueber ,, die Fabrik- und Sanitätsinspektorinnen in Eng­land" hat Helene Simon in Schmollers Jahrbuch für Gesez­gebung, Verwaltung und Volkswirthschaft"( Jb. XXI, 3) einen recht instruktiven und übersichtlichen Artikel veröffentlicht. Der­selbe giebt in gedrängter Kürze einen klaren Ueberblick über die ein­schlägigen Verhältnisse. Nach einer Skizzirung der englischen Fabrik­gesetzgebung und der heutigen Rechte der Gewerbeinspektion zeigt die Verfasserin, wie und unter welchen Bedingungen die Einführung der Fabrik und Sanitätsinspektorinnen in England geschah, wie deren Amtsthätigkeit sich gestaltet hat, und wie dieselbe gewürdigt wird. Die Unterschiede zwischen Fabrik und Sanitätsinspektorinnen sind. flar hervorgehoben, so daß die diesbezüglichen Ausführungen geeignet sind, manche irrthümliche Auffassung zu berichtigen. Der Einblick in das Wirken der Einen und der Anderen ist geeignet, manches alte Vorurtheil gegen die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren zu wider­legen. Das gleiche gilt von der Zusammenstellung der Urtheile, die Leute der verschiedensten Stellung und Richtung über die Amts­thätigkeit der englischen Inspektorinnen fällten, und die durchweg äußerst günstig und lobend lauten. Der Simonsche Artikel sei allen empfohlen, die das zur Frage vorliegende zerstreute Material zu­ſammengefaßt und übersichtlich beieinander haben möchten. Die ,, Gleichheit" wird demnächst einen Auszug der Arbeit bringen.

Quittung.

Zu Agitationszwecken von den Genossinnen in Dresden   50 Mt. erhalten zu haben, bescheinigt dankend

Frau M. Wengels  , Vertrauensperson Berlin O, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr.

Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner  ) in Stuttgart.  - Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b.H.) in Stuttgart  .