159 nissen dieser Ermittlungen hat man seither nichts vernommen. Das ist aber höchst bedauerlich, denn diese Ermittlungen hätten, wenn sie ernsthaft angestellt sind, sicherlich ermuthigend wirken müssen. Die Erfahrungen, die man in England, Frankreich und den Vereinigten Staaten von Nordamerika mit den weiblichen Gewerbeaufsichtsbeamten gemacht hat, lassen es als bedauerlich erscheinen, daß sich in Deutsch land erst zwei Bundesstaaten zu dem Versuch entschlossen haben. Die starke Zunahme der weiblichen Arbeiter und die mannigfachen Mißstände, die hier auf dem Gebiet der Hygiene und der Sittlichkeit herrschen, machen die Einführung weiblicher Fabrikinspektoren zu einer unabweislichen Nothwendigkeit. Unter den Bedingungen, von denen eine gedeihliche Thätigkeit der Fabrikinspektoren vor Allem abhängt, ist unstreitig die wichtigste das Vertrauen der Arbeiter zu den Aufsichtsbeamten. Es liegt aber auf der Hand, daß die weiblichen Arbeiter zu einem weiblichen Fabrikinspektor in Bezug auf die meisten Dinge ein weit größeres Zutrauen, eine weit geringere Zurückhaltung haben würden, als einem männlichen Fabrikinspektor gegenüber. Der einzige ernsthafte Einwand, der gegen die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren geltend gemacht wird, kann einer ein gehenderen Betrachtung nicht Stand halten. Es wird behauptet, die Frau sei nicht im Stande, sich die umfangreichen technischen Kenntnisse anzueignen, die der Beruf des Fabrikinspektors erfordere. Diese Anschauung beruht auf einer Ueberschätzung der zu dem Beruf erforderlichen technischen Kenntnisse und auf einer unberechtigten Unterschätzung der Fähigkeit der Frau. Wenn aber auf die Schwierigkeit hingewiesen wird, geeignetes Material für das weibliche Fabrik- inspektorat zu beschaffen, so liegt auch hier kein unüberwindliches Hinderniß vor. Würde man als Uebergangsstadium das Institut weiblicher Assistenten schaffen, so könnte man auf diese Weise mit Leichtigkeit geeignete Kräfte für jenen Posten heranbilden. Es wäre wünschenswerth, daß dieser Frage in den Einzellandtagen ein größeres Interesse entgegengebracht würde." Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens. ' Eine erhebliche Zunahme der grostindustriellen Arbeiterinnen wird, wie wir wiederholt mittheilten, in fast allen Berichten der deutschen Gewerbeinspektoren für 1896 konstalirt. Wir lassen den bereits an dieser Stelle angeführten Angaben einen Ueberblick über die Zunahme der Arbeiterinnen in den größten deutschen Bundesstaaten folgen. Die Zahl der erwachsenen Arbeiterinnen in fabrik- inspektionspflichtigen Betrieben stieg von 189S bis 1896 in Preußen von 302623 auf 313485, in Sachsen von 128375 auf 137865, in Bayern von 56703 auf 58997, in Württemberg von 31716 auf 33806, in Baden von 42392 auf 42913, in Hessen von 11584 auf 12221, in Elsaß-Lothringen von 36313 auf 37415. � Frauen in„männlichen Bernsen". Die Gegner der Frauenbewegung behaupten von zarter Rücksicht auf das weibliche Geschlecht auszugehen, wenn sie ihm z. B. den ärztlichen Beruf krampfhaft verschließen wollen. Sie sprechen viel von der zarten Konstitution des Weibes, sie schwärmen von der holden Weiblichkeit, die durch das Eindringen der Frau in„männliche Berufe" geschädigt, wenn nicht gar vernichtet würde. Die nämlichen Leute jedoch, die voller zarten Bedenken sind, wenn es sich um geistige Arbeit handelt, wo die Frau als ihre Konkurrentin auftritt, lassen alle Rücksicht, alle Schwärmerei fahren, wenn es sich um Handarbeit handelt, bei der die Frau die Konkurrentin des Proletariers ist. Welcher Gegner der erweiterten Berufsthätigkeit der Frauen hat sich z. B. über die folgenden Zahlen aufgeregt, die wir der Berufsstatistik für 1895 entnehmen? Es waren 1895 in Deutschland als Lehrlinge, Fabrik-, Lohn- oder Tagearbeiter thätig: als Steinmetzen, Steinhauer..... 309 Frauen, in Marmor-, Stein-, Schieferbrüche». 1994- als Kupferschmiede........ 147- - Erz- und Glockengießer..... 19- - Grob- und Hufschmiede..... 379- - Büchsenmacher........ 7- - Abdecker.......... 63- - Dachdecker.......... 35- - Steinsetzer, Pflasterer...... 50- - Schornsteinfeger........ 3- ' Neber den Mangel an weibliche« Dienstboten wird zur Zeit in der bürgerlichen Presse des In- und Auslandes geklagt. Besonders in England ist die Dienstbotenfrage zu einer brennende» geworden. Eine der größten Londoner Zeitungen, die„Daily News", hat eine öffentliche Besprechung darüber eröffnet, an der sich auch Hausfrauen und Dienstmädchen betheiligen. Es ist nun interessant, daß die Letzteren als das Drückendste und am schwersten zu Ertragende in ihrem Berufe durchweg nicht etwa die harte Arbeil, den geringen Lohn oder die schlechte Behandlung bezeichnen, sondern den Mangel an Freiheit. Ihre Zeit gehört Tag und Nacht der„Herrschaft". Weil dies der Fall ist, gelingt es selbst in England nicht, die weiblichen Dienstboten zu organisiren, obgleich daselbst kein gesetzliches Verbot dem entgegensteht. Soziale Gesetzgebimg. Borschriften, die Einrichtung und den Betrieb der Buch- druckereien»ud Schriftgiestereien betreffend, hat der Bundesrath auf Grund des ß 120 e der Gewerbeordnung kürzlich erlassen. Es wird u. A. bestimmt, daß in Arbeitsräumen, in welchen die Herstellung von Lettern und Stereotypplatten erfolgt, die Zahl der darin beschäftigten Personen so bemessen sein muß, daß aus jede mindestens 15 Kubikmeter Luftraum entfallen. In Räumen, in welchen Personen nur mit anderen Arbeiten beschäftigt werden, müssen auf jede Person mindestens 12 Kubikmeter Luftraum entfallen. Die Räume müssen mit einem dichten und festen Fußboden versehen sein, der eine leichte Beseitigung des Staubes auf feuchtem Wege gestattet. Hölzerne Fußböden müssen glatt gehobelt und gegen das Eindringen der Nässe geschützt sein. Die Wände und Decken müssen, soweit sie nicht mit einer glatten abwaschbaren Bekleidung oder mit einem Oelfarben- anstrich versehen sind, mindestens einmal jährlich mit Kalk frisch angestrichen werden. Die Bekleidung und der Oelfarbenanstrich müssen jährlich einmal abgewaschen und der Oelfarbenanstrich, wenn er lackirt ist, mindestens alle zehn Jahre, wenn er nicht lackirt ist, alle fünf Jahre erneuert werden. Für die Setzer sowie die Gießer, Polirer und Schleifer sind in den Arbeitsräumen oder in deren unmittelbarer Nähe in zweckentsprechenden Räumen ausreichende Wascheinrichtungen anzubringen und mit Seife auszustatten; für jeden Arbeiter ist mindestens wöchentlich ein reines Handtuch zu liefern. Die neuen Bestimmungen treten für neu zu errichtende Anlagen sofort in Kraft, für die bereits im Betrieb befindlichen Anlagen treten einzelne Vorschriften sofort, die übrigen mit Ablauf eines Jahres seit dem Tage ihrer Verkündigung in Kraft. So anerkennenswerth diese Vorschriften sind, so sind dieselben doch unseres Erachtens noch ungenügend, um die Gesundheit der in Buchdruckereien und Schriftgießereien beschäftigten Arbeitspersonale ausreichend zu schützen. Der beste hygienische Schutz der betreffenden Arbeiterkategorien ist der kurze Arbeitstag. Ganz besonders gilt dies bezüglich der in Druckereien und Schriftgießereien beschäftigten Arbeiterinnen, solange der Gesetzgeber sich nicht entschließt, die Frauenarbeit in den Schriftgießereien überhaupt zu verbieten. Wir haben erst kürzlich Thatsachen mitgetheilt(Nr. 17), die dieses Verbot durchaus rechtfertigen. Frauenbewegung. Die 19. Generalversammlung des Allgemeinen deutschen FrauenbildnngSvereins tagt, wie bereits mitgetheilt, vom 30. September bis 3. Oktober in Stuttgart . In Verbindung mit der General Versammlung findet ein öffentlicher Frauentag statt. Das Arbeitsprogramm der Generalversammlung wird in geschlossenen Sitzungen, das des Frauentags in öffentlichen Versammlungen erledigt. In Folgendem die Tagesordnung der öffentlichen Versammlungen: 1. Ausgangs- und Zielpunkte der Frauenbewegung, Frau Goldschmidt- Leipzig ; 2. Bericht über die Thätigkeit des Schwäbischen Frauenvereins, Frau Weizsäcker-Stuttgart ; 3. Fürsorge für weibliche jugendliche Gefangene, Frln. Mellieu; 4. Wohin?, Frau Hecht -Tilsit; 5. Die mütterliche Erziehung, Frau v. Forster-Nürnberg ; 6. Die gymnasiale Bildung der Mädchen, Frln. Dr. Windscheid-Leipzig ; 7. Mäßigkeitsbewegung, Frln. Hofmann-Bremen ; 3. Rechtsschutz für Frauen, Frau Stritt-Dresden ; 9. Die Fürsorge für Arbeiterinnen und die Nothwendigkeit weiblicher Fabrikinspektoren, Frau Schwerin -Berlin ; 10. Die Thätigkeit des Bundes deutscher Frauenvereine in der Sittlichkeilsfrage, Frau Bieber-Böhm -Berlin ; 11. Bildungsfragen, Frln. Helene Länge-Berlin. Das vorstehende Programm an Vorträgen soll in zwei Nachmittagssitzungen und einer Abendsitzung erledigt werden! Ohne irgendwie einem Urtheil über die Verhandlungen der Frauenrechtlerinnen vorzugreifen, will uns doch bedünken, daß weniger mehr gewesen wäre. Eine gründliche Diskussion über die durch die Referate angeschnittenen Fragen ist bei der Kürze der Zeit ein Ding der Unmöglichkeit. Und doch befinden sich unter den zu behandelnden Materien solche von hoher Wichtigkeit und komplizirter Natur; Materien, über welche die Meinungen im frauenrechtlerischen Lager noch recht weit auseinandergehen, zum Theil so gut wie gar nicht geklärt sind. „Der Frauenberuf", so lautet der Titel einer neuen Frauenzeitschrift, die vom„Schwäbischen Frauenverein" zur Förderung der Frauenbewegung in Süddeutschland gegründet worden ist. Die Probenummer des neuen Organs der Frauenrechtlerinnen soll zur
Ausgabe
7 (29.9.1897) 20
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