Arbeiterinne»schutzgesetz. Dasselbe gilt für alle Betriebe mitmehr als zwei Arbeiterinnen, ferner für Geschäfte, wo eine Lehrtochter oder ein Mädchen unter 18 Jahren als Arbeiterin beschäftigtwird. Die Bestimmungen betreffend Arbeitszeit und Mittagspausesind wie im Fabrikgesetz, die Maximaldauer der zulässigen jährlichenUeberzeitarbeit wird auf drei Monate beschränkt. Das Gesetz enthältVorschriften für das Lehrverhältniß und für die Nachtruhe der Angestellten in Ladengeschäften und Wirthschaften, welche nicht wenigerals 1» Stunden betragen soll.1894 folgte den gegebenen Beispielen der Kanton Zürich,1395 die Kantone Solothurn und Luzern, 1896 der KantonNeuenburg. Im Kanton Genf liegt seit längerer Zeit der fertigeEntwurf für ein Arbeiterinnenschutzgesetz vor. Auch die Kantone Waadt, Bern und vielleicht noch Aargau werden sich zuweiteren Reformen entschließen. Das beste der sieben kantonalenArbeiterinnenschutzgesetze ist das Züricher. Es gilt für alle demFabrikgesetz nicht unterstellten Betriebe, in denen auch nur eine Arbeiterin oder eine Lehrtochter beschäftigt ist. Es beschränkt die tägliche Arbeitszeit auf zehn, an den Vorabenden von Sonn-und Festlagen auf neun Stunden, schreibt die anderthalbstündigeMittagspause unterschiedslos für alle Arbeiterinnen und Lehrtöchtervor, verbietet das Mitnachhausegeben von Arbeit nach Ablauf dergesetzlichen Arbeitszeit, setzt für die Ueberzeitarbeit ein Maximum von75 Stunden pro Jahr fest bei höchstens zweistündiger Dauer täglichund bestimmt für Ueberstunden einen Lohnzuschlag von mindestens25 Prozent des gewöhnlichen Lohnes. Es enthält endlich eingehendeVorschriften über die Arbeitsräume, über Arbeits- und Lehrvertrag,Arbeitsordnung, Lohnzahlung, über die Naturalverpflegung(Kost undLogis) der Arbeiterinnen und Lehrtöchter bei den Geschästsinhaberinnen,über die Kontrolle des Gesetzes durch die Behörden u. s. w. MitAusnahme der Bestimmung, den Zehn- resp. Neunstundentag betreffend,der auf dem ganzen Kontinent einzig vom Kanton Zürich gesetzlichfestgelegt ist, gilt das Züricher Arbeiterinnenschutzgesetz den anderenKantonen als Vorbild.In der Begründung des dem Volke zur Abstimmung vorgelegtenGesetzes hieß es u. A.:„Die Mißstände, welche in solchen ohne gesetzliche Kontrolle arbeitenden Geschäften für die Arbeiterinnen sichergeben, haben seit Jahren zu Beschlußfassungen durch den Kantonsrath, zu Eingaben an die Behörden durch die zunächst Jnteressirtenund zu initiativen Schritten durch Menschenfreunde verschiedenerStände geführt. Solche Mißstände sind: Ueberanstrengung durchallzu lange Arbeitszeit bis tief in die Nacht hinein. Sonntagsarbeit,schrankenlose Ausnützung der Lehrtöchter, gesundheitsschädliche Arbeitsund Wohnräume, ungenügende Kost, willkürliche Entlassungen, unregelmäßige Löhnung, willkürliche Bußen und Lohnabzüge. DiesenAber da, mit einem Mal geht eine Bewegung durch dielachende schwatzende Schaar. Aus der Reihe der Tänzer ertönteein gellender Aufschrei. Die Musik bricht ab, die Paare lösensich und eilen der Mitte zu, dann ein Gewirr von Fragen undSchreckensrufeu.„Hilfe, zu Hilfe!"„Wasser, bringt doch nur Wasser her!"„Was ist denn eigentlich los?"„Ein junges Mädchen ist ohnmächtig geworden!"„Nein, nicht ohnmächtig. Sie ist todt. Ein Blutsturz!"„Ach, du lieber Himmel! Da bringt man sie schon."Ilnd nun weicht die Menge auseinander und läßt die Trägermit ihrer traurigen Last vorbei.An einem der hohen Spiegelfenster, fast an derselben Stelle,wo einst das Waisenkind mit glückverlangendem Herzen den fröhlichen Menschen im Saale zugeschaut, haben sie Frieda auf eineBank gebettet. Und während der alte Vater mit wildem Schluchzenüber der Leiche seines Kindes liegt, und Ernst Rittner in stumpferVerzweiflung die kleinen kalten Hände der tobten Braut in denseinen hält, tönt von der Bühne draußen das Lied herein:Arm bin ich und arm bleib' ich,Wie das Mauset im Feld,Und es fragt meine Seele nichtsNach Gut und nach Geld.Und es fragt meine Seele nichtsNach Edelgestein,Aber einmal, ach nur einmalMöcht' ich glücklich sein.Mißständen soll der von den zuständigen Behörden ausgearbeiteteGesetzentwurf abhelfen." Das Gesetz wurde im August 1894 in derVolksabstimmung mit 45909 gegen 12531 Stimmen angenommen,also init einer so großen Mehrheit, daß die Annahme ein glänzendesZeugniß für die sozialpolitische Reife des Züricher Volkes war.Ende 1395 waren dem Züricher Arbeiterinnenschutzgesetz 825Geschäfte mit 2164 Personen unterstellt, wovon 1065 Lehrlöchter waren.1264 waren über, 900 unter 13 Jahre alt. 592 Arbeiterinnen undLehrtöchter hatten beim Geschäftsinhaber Kost und Logis. Es dürfteunsere geschätzten Leserinnen interessiren, zu erfahren, welche Geschäftedem Gesetz unterstellt sind. Es sind dies Damenschneidereien/ Modengeschäfte, Korsetschneidereien, Weißnähereien, Wäschereien, Plättereien,Stickerei-, Blumengeschäfte und Möbelfabriken, lieber die Durchführungdes Gesetzes will ich ein andermal berichten, heute sei nur bemerkt,daß die Arbeiterinnenvereine derselben ernsteste Aufmerksamkeit widmen.Das Wirthschaftspersonal ist in den Kantonen Zürich, Solothurn, Luzern, Bern, Freiburg, Basel-c. geschützt, wobeiwiederum der Kanton Zürich am weitesten geht, indem er die Verwendung des Personals nicht über 12 Uhr Nachts hinaus gestattet,eine freie Zeit von sechs Stunden wöchentlich und zwar Tagesstunden,sowie einen ganzen freien Tag alle 14 Tage vorschreibt, die ununterbrochene Nachtruhe auf mindestens acht Stunden festsetzt u. s.>v.Wie mit dem eidgenössischen Fabrikgesetz, so marschirt die Schweizauch mit ihren kantonalen Arbeiterinnenschutzgesetzen an der Spitzeder kontinentalen Arbeiterschutzgesetzgebung und zwar ohne jede Beeinträchtigung von Industrie und Gewerbe, die in der Schweiz sogut gedeihen, wie in anderen Ländern. Es steht zu erwarten, daßin nicht ferner Zeit die neuere kantonale Arbeiterschutzgesetzgebungauf die Fortentwicklung der eidgenössischen Arbeiterschutzgesetzgebungdenselben förderlichen Einfluß üben wird, wie vor 1877, so daß esauch hier in absehbarer Zeit wieder um ein kräftiges Stück vorwärts geht.Winterthur. D. Zinner.Aus der Bewegung.Von der Agitation. Im Auftrage des„Verbands derFabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und-Arbeiterinnen" hieltGenossin Kähl er-Wandsbeck in der Magdeburger Gegend viergut besuchte Agitationsversammlungen ab. Die Reserentin sprach inMagdeburg, Buckau, Sudenburg und Olvenstedt über die„Nothwendigkeit und den Nutzen der Gewerkschaftsorganisalion." Erfreulicherweise waren in den Versammlungen die Arbeiterinnen zahlreich vertreten, und sie erwiesen sich nicht blos als„Hörer des Worts",sondern auch als Thäter, indem sie sich, soweit sie noch nicht organi-sirt waren, der Gewerkschaft anschlössen. Der„Verband" hat Dankder entfalteten Agitation mehr als 100 neue Mitglieder gewonnen,in Olvenstedt allein über 60, darunter viele Arbeiterinnen. Langsam, aber stetig dehnen sich die Kreise der Frauen aus, denen dieNothwendigkeit der Organisation und des gewerkschaftlichen Kampfesklar zum Bewußtsein kommt.Die Neuwahl der Vertrauensperso» der Genossinnen erfolgte am 14. Oktober in Berlin in einer öffentlichen Frauenversammlung. Das Amt wurde wieder Genossin Wenzels übertragen,die Bericht über ihre Thätigkeit im verflossenen Jahre erstattete.Vom I. November 1896 bis 30. September 1897 gingen für Agi-talionszwecke 1084 Mk. ein, verausgabt wurden in der gleichen Zeit875 Mk. In Berlin fanden im Laufe des Jahres 14 öffentlicheVersammlungen für Frauen statt, in den verschiedensten GegendenDeutschlands wurden durch die Vertrauensperson Agitationstourenund einzelne Versammlungen angeregt, bezw. Referentinnen für solchevermittelt. Genossin Wengels schloß ihren Bericht mit dem Hinweisauf die Nothwendigkeit, in nächster Zeit eine besonders rührige Agitation unter den proletarischen Frauen zu entfalten, damit diese beiden kommenden Reichstagswahlen ihr Theil dazu beitragen, daßnur solche Männer Mandate erhalten, welche energisch für die Rechtedes Proletariats und der Frauen eintreten. Die Genossinnen Baaderund Greifenberg erstatteten hierauf Bericht über den HamburgerParteitag, indem sie sehr richtig betonten, mit welch regem Eiferdie weiblichen Delegirten sich an den Debatten zu allen Punkten derTagesordnung betheiligt hätten. Tie Versammlung erklärte durcheine Resolution, mit der Haltung der Genossinnen Baader und Greifenberg auf dem Hamburger Parteitag einverstanden zu sein. DesWeiteren wurde einstimmig eine von Genossin Braun eingebrachteund begründete Resolution angenommen, Liebknechts Verurtheilung betreffend. Diese Resolution lautet:„Die heutige Volksversammlungdrückt ihr Bedauern aus über die Entscheidung des Reichsgerichtsin der Prozeßsache unseres Genossen Wilhelm Liebknecht. Angesichtsdes Umstands, daß ein so energischer, tapferer Vorkämpfer uns