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Soziale Gesetzgebung.

Schutz der Arbeiterinnen in der Stadt Bern . Im Großen Stadtrath von Bern stellte der sozialdemokratische Ver­treter Dr. Wassilieff folgenden Antrag: Der Stadtrath, in Er­wägung, daß in unserer Gemeinde eine große Anzahl von Frauen und Töchter auf Lohnarbeit angewiesen sind, ohne den Schutz des eidgenössischen Fabrifgesetzes zu genießen und daher der krassesten Aus­beutung mit allen ihren schrecklichen Folgen preisgegeben sind, beschließt: Der Gemeinderath ist eingeladen, erstens eine Untersuchung der Arbeits­verhältnisse der nicht dem Fabrikgesetz unterstellten Arbeiterinnen ( Näherinnen, Schneiderinnen, Modistinnen, Ladentöchter, Wäscherinnen, Kellnerinnen u. s. w.) zu veranstalten, und zweitens Bericht und An­trag zu stellen, auf welche Weise diesen Mitbürgerinnen wirksamer Schuß zu gewähren wäre."- Auch in der Schweiz sind es die Sozial­demokraten, welche sich in ernster, rückhaltloser und energischer Weise der Ausgebeuteten annehmen. Schon vor mehreren Jahren wurde von sozialdemokratischer Seite ein fantonales Arbeiterinnenschutzgesetz gefordert, jedoch erfolglos. Die Bourgeois in der Regierung und im Kantonsrath hatten für die Forderung weder Verständniß noch In­teresse übrig. Nun suchen die Sozialdemokraten den Anfang einer Schutzgesetzgebung für die nicht dem eidgenössischen Fabrikgesetz unter­stellten Arbeiterinnen wenigstens in der Stadt Bern durchzusetzen. Der Erfolg wird zeigen, ob die bürgerlichen Parteien ihre oft ver­sicherte Arbeiterfreundlichkeit" wie mit Worten, so auch mit Thaten üben. D. Z.

"

Frauenbewegung.

* Eine Bibliothek zur Frauenfrage, vom Verein Frauen­wohl gegründet, besteht seit einem Jahre in Berlin . Sie befindet sich im Viktoria- Lyceum, Potsdamerstraße 39, und ist Donnerstags von 6 bis 8 Uhr Abends und Sonntags von 211 bis 1/21 Uhr Mittags geöffnet. Das Einsehen der Bücher an Ort und Stelle, die Benutzung der Nachschlagewerke und Zeitschriften kostet 10 Pfennig. Das Recht, Bücher zu entleihen, gewinnt man durch ein jährliches Leihgeld von 2 Mt. Leider ist bei dieser Bestimmung auf diejenigen feine Rücksicht genommen worden, die gern hier und da Bücher ent­leihen möchten, ohne auf einmal 2 Mt. bezahlen zu müssen. Es könnte leicht für Entleihung einzelner Bücher eine geringe Summe erhoben werden, wodurch auch den Unbemittelten die Bibliothek von Nutzen wäre. Obwohl ihr eine ganze Reihe wichtiger Werke fehlen, ist sie doch in Anbetracht der kurzen Zeit ihres Bestehens und der geringen zur Verfügung stehenden Mittel reichhaltig genug, und ihre Benutzung kann nur empfohlen werden.

* Ueber die Ziele und Schranken, die das Evangelium der Frauenbewegung setzt, sprach Schulrath Dr. Frohnmeyer auf dem Kongreß für innere Mission in Bremen . Er war unseres Erachtens durchaus konsequent, wenn er alle Bestrebungen der Frauenbewegung von seinem Standpunkt aus als durchaus unchrist­lich verwarf. Das Weib steht unter dem Manne", führte er aus, " dem Manne gehört die größere Macht, dem Weibe die größere Ehre." Wie die Christlich- Sozialen auf dem Züricher Kongreß, forderte er das Verbot der Fabrikarbeit der Frauen und verlangte zur Lösung der Frauenfrage die Schaffung von Organisationen nach Art der alten Klöster, in welchen das Weib aus religiösen Trieben sich zu jedem rechten Dienste vorbereiten kann". Zu diesen rechten Diensten" der Frau gehört nach dem Verfasser nur die Kinder-, Kranken- und Armenpflege und die Hausarbeit. Mit seinen Ansichten stieß der streitbare Herr auf lebhaften Widerspruch, und zwar hoben die übrigen Redner, meist Geistliche, hervor, daß die Frauenbewegung nun ein­mal da sei, und man, statt einen aussichtslosen Kampf gegen sie zu führen, den ernsten Versuch machen müsse, sie in christliche Bahnen zu lenten. Pastor Mahling aus Hamburg sprach schließlich die Ge­danken Vieler aus, wenn er sagte, daß es leider neben der bürger­lichen auch eine proletarische Frauenbewegung gebe, die nicht gegen den Mann, sondern mit ihm gegen die heutige Gesellschaft kämpft. Ihre Kraft beruhe sowohl darin, als auch in der gemeinsamen sozial­demokratischen Weltanschauung. Der Mangel einer einheitlichen Weltanschauung verursache die Schwäche der bürgerlichen Frauen­bewegung, die, wenn man sie zu einer durch und durch christlichen gemacht haben würde, zum Siege über die Sozialdemokratie führen müsse. Vor dieser prophezeiten Ueberwindung braucht sich die Sozialdemokratie jedenfalls nicht zu fürchten. Zu einer einheitlichen christlichen Frauenbewegung fann es niemals tommen, weil das Christenthum keinerlei Grundlage für sie bietet, und weil die religiösen Ueberzeugungen gerade in den Reihen der bürgerlichen Frauenrecht­lerinnen so buntscheckig sind, daß von einer Einheitlichkeit nicht die Rede sein kann..

Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin ( Eißner ) in Stuttgart .

Den Genofsinnen zur Beachtung.

Die Genossinnen der Orte, wo noch keine weibliche Ver­trauensperson ernannt worden ist, werden dringend aufgefordert, sammlung womöglich noch vor Schluß des Jahres zu ver­die Wahl einer solchen in öffentlicher Volksver­anlassen. Namen und Adresse der Gewählten sind bekannt zu geben. Die im nächsten Jahre bevorstehende Reichstags­wahl macht es den Genossinnen zur Pflicht, schon jetzt auf eine planmäßige Agitation, auf eine energische Bethätigung der Proletarierinnen im Wahlkampf hinzuwirken.

Frau M. Wengels Vertrauensperson.

Berlin O, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr.

Abrechnung

über Einnahmen und Ausgaben der Vertrauenspersonen der Genossinnen vom November 1896 bis Ende September 1897.

Einnahmen.

November. Dezember Januar Februar

.

.

März

A. Berlin .

=

=

=

=

V

M

Ausgaben.

.

.

158, 29,-

Mt. November

M

81,91 100,05

=

Dezember Januar. Februar

100,- Mt. 21,35

.

=

März

100,-

76,40

April Mai

Juni.

48,- 44,15 20,-= 79,60 72,70= 14,60

=

M

Juli

=

123,35=

August September.

37,60

M

58,75

M

Summa 668,71 Mt. Einnahmen

Summa 496,75 Mf.

.

668,71 Mr.

Ausgaben

496,75

April Mai. Juni. Juli August September.

11

M

=

Ueberschuß 171,96 Mt.

B. Das übrige Deutschland . Einnahmen.

November. Dezember Januar. Februar März April

Mai. Juni.

.

35,-

25,

10,-

20,-

103,-

Juli August September.

90,-

=

=

=

23,19

=

=

=

Ausgaben.

Mt. November.

Dezember Januar. Februar März

.

2,84 Mt. 77,05

M

33,94

1,60

April

Mai

Juni.

28,35 5,- 14,51

:

Juli

21,50

=

August

106,40

September.

14,63= Summa 329,01 Mt.

=

11

=

3,- V Summa 286,- Mt.

Dazu Bestand vom

.

26,99

Jahre 1895/96 Ueberschuß d. Samm­lungen f. d. Streif der Isenburger Wäscherinnen. 103,10

=

=

Summa 416,09 Mr. Einnahmen. Ausgaben

.

.

.

416,09 Mr. 329,01=

Ueberschuß 87,08 Mt. 171,96=

dazu Ueberschuß von Berlin .

Kassenbestand am 5. Oftober 1897. 259,04 Mt.

=

#

Frau M. Wengels, Vertrauensperson. Berlin O, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr. Revidirt und richtig befunden am 5. Oktober 1897 durch die in öffentlicher Volksversammlung gewählten Revisorinnen:

Frau Anna Mesch, Lichnerstr. 3,

Frau Agnes Fahrenwald, Kamphauserstr. 5, Frau Bertha Luz, Puttkamerstr. 7,

sämmtlich in Berlin .

Dieser Nummer liegt ein Prospekt bei betr. ,, Die Geschichte der Französischen Revolution von 1848".

Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b.g.) in Stuttgart .