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der Mann, zugleich auf politisches Gebiet zu begeben. Die Dame hat nicht bedacht, daß die wirthschaftliche Hebung der Arbeiterin die eine Voraussetzung ihrer höheren ethischen Entwicklung ist- gar nicht bewerkstelligt werden kann, ohne daß Fragen der Politik berührt und gelöst werden, und ohne daß politische Parteien vorhanden sind, welche gestützt auf ihre Macht die nöthigen Reformen durchführen. Frau Stritt polemisirte zwar gegen den von unserer Seite häufig gegen unklare bürgerliche Strömungen gebrauchten Ausdruck ,, Harmonieduselei", doch können wir nicht umhin, ihn mit Bezug auf ihre Auffassung wieder zu gebrauchen. Wer die Arbeiterin wirklich wirthschaftlich heben will, der fomme zu ihr, in ihre Partei, zur Sozialdemokratie; alles andere ist und bleibt Flickwerk, trotz der schönen Worte, die von gutem Herzen zeugen ist und bleibt„ Harmonie
duselei".
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Die Zulassung der Frauen zum Studium an der Universität Tübingen scheint gesichert. Laut Beschluß des akademischen Senats ist dem Gesuch einiger geprüften Lehrerinnen um Zulassung zunächst zum Studium der Geschichte entsprochen worden. Falls das württembergische Ministerium der Entscheidung seine Zustimmung nicht versagt, werden dieser Tage drei der Damen als erste weibliche Studirende an der Universität Tübingen hören, und zwar ein Kolleg von Professor Dr. Busch über Geschichte.
Die Zahl der studirenden Damen an der Berliner Universität ist in diesem Wintersemester bedeutend höher als je zuvor. Ungefähr 200 Hörerinnen haben sich vorschriftsmäßig für den Besuch von Vorlesungen angemeldet und sind auf Grund ihrer Zeugnisse zu denselben zugelassen worden. Die Damen können Vorlesungen der philosophischen, juridischen und medizinischen Fakultät beiwohnen.
Der erste weibliche Amtsarzt in Oesterreich wird demnächst angestellt werden. In der Kreisstadt Tuzla in Bosnien gelangt, wie aus einer Bekanntgabe der Landesregierung hervorgeht, die Stelle einer Amtsärztin zur Besetzung. Die Anstellung einer Frau erfolgt mit Rücksicht auf die Interessen der weiblichen Bevölkerung von Tuzla und des dazu gehörigen Kreises. Die Amtsärztin erhält ein festes Jahresgehalt von 1000 Gulden, eine Aktivitätszulage von 400 Gulden und 200 Gulden Wohnungsgeld. Die Reisekosten werden der anzustellenden Aerztin vergütet, ebenso soll dieselbe im Bedarfsfall einen Vorschuß erhalten. Die Anstellung erfolgt zunächst provisorisch auf ein Jahr, die definitive Anstellung nach Ablauf des Probejahres, mit ihr erlangt die Amtsärztin die Pensionsberechtigung auf Grund der Vorschriften, welche für die bosnischen Beamten gelten. Die Amtsärztin hat u. A. Anspruch auf einen sechswöchentlichen Urlaub im Jahre. Bei der Besetzung der Stelle werden besonders berücksichtigt geeignete Bewerberinnen aus DesterreichUngarn, Deutschland , der Schweiz und Holland .
* 121 Frauen studiren gegenwärtig an den Universitäten Italiens . An den dortigen Kleinkinderschulen sind 6512, an den Elementarschulen für Knaben und Mädchen sind 37 065, an den höheren Schulen sind 847 Lehrerinnen thätig, von denen viele Universitätsstudien gemacht haben.
* Weibliche Studenten in Wien . An der philosophischen Fakultät der Universität Wien sind bis jetzt dreizehn Damen, und zwar elf außerordentliche und zwei ordentliche Hörerinnen, zugelassen worden. Bemerkenswerth ist. die Thatsache, daß der größte Theil der Hörerinnen sich ernsten Fächern zugewendet hat. So haben vier Damen die Mathematik, vier die Philosophie, zwei die Physik, zwei die Geschichte und eine die Naturwissenschaften zu ihren Hauptfächern gewählt.
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* Das medizinische Institut für Frauen in Petersburg , dessen Eröffnung am 27. September stattgefunden hat, ist wie wir bereits mittheilten was die Räume, die inneren Einrichtungen, die Laboratorien, Museen 2c. betrifft, mustergiltig. Die Kollegiengelder betragen für ein Semester 50 Rubel. Neben dem Institut befindet sich ein Pensionat für alleinstehende Studentinnen, wo diese für 150 Rubel pro Semester Wohnung und volle Verpflegung erhalten. Für das Winterhalbjahr sind bereits 165 Studentinnen immatrikulirt.
* Die freisinnigen Frauen Wiens, an deren Spitze der rührige Allgemeine Desterreichische Frauenverein steht, haben kürzlich in einer großen Versammlung gegen die antisemitisch- christlichsoziale Reaktion Stellung genommen. Der Führer dieser Richtung, der Bürgermeister von Wien , Herr von Lueger , hat es nämlich verstanden, einen großen Theil der Wiener Frauen auf seine Seite zu bringen, um sich dadurch auch der Männer zu versichern. In jener Versamm lung forderte die Vorsitzende des Allgemeinen Oesterreichischen Frauenvereins alle freisinnigen Frauen Wiens auf, sich gegen die antisemitische Richtung zusammenzuschaaren und eine Voltsbewegung ins Leben zu
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rufen, die der Sozialdemokratie nicht entgegentritt, sondern ihr entgegenkommt". Eine andere Rednerin erklärte ganz richtig, daß es feinen besseren Bundesgenossen für die Reaktion gebe, als die unmündige, rückständige Frau, und daß die Aufklärung des weiblichen Geschlechts deshalb mit in erster Linie anzustreben sei. Am meisten Aufsehen machte es aber, als die Vorsitzende die bürgerlichen Frauen Wiens wegen ihrer Puz- und Vergnügungssucht scharf angriff und damit schloß, daß sie den Ernsten und Strebsamen unter ihnen zurief:" Sind Sie im Stande, die Feder zu führen, so schreiben Sie zur Aufklärung des Volkes; sind Sie redegewandt, so reden Sie zum Volke; sind Sie begütert, so steuern Sie zum Preß- und Agitationsfonds der sozialdemokratischen Partei!"- Unsere deutschen Frauenrechtlerinnen sind zwar etwas nach links vorwärts gerückt, aber soweit wie ihre österreichischen Genossinnen sind sie doch noch lange nicht!
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* Ueber die Erweiterung der Frauenrechte sprach sich, bei Gelegenheit der Inauguration des neuen Rektors, der abtretende Rektor der Wiener Universität aus, nachdem er der Promotion der ersten Dame, Fräulein Gabriele von Possanner, zum Doktor der Medizin gedacht hatte. Bei den heutigen Lebensbedingungen so ungefähr sagte er sei die materielle Güter entbehrende weibliche Jugend vor die Frage gestellt, entweder physisch, geistig und moralisch zu verfümmern oder durch Anspannung und Ausbildung ihrer Kräfte sich eine nützliche und geachtete Stellung zu erringen. Der Redner trat entschieden für das Recht der Frau auf Wissen und geistige Arbeit ein. Habe die Frau dieses Recht errungen, dann werde auch der Geldsack bei der Eheschließung nicht mehr den Ausschlag geben. Den trostlosen und unaufhaltsamen Verfall des muhamedanischen Orients führte er auf die Ausschließung der Frauen von jeder geistigen Bildung und jeder Einflußnahme auf die menschliche Gesellschaft zurück, und erklärte, daß die wissenschaftliche, soziale und politische Zufunft der Kulturländer zum großen Theil von der Erweiterung der Frauenrechte abhängen würde. So sprach der Rektor der Wiener Universität , Universität, wird er jemals in Berlin seinesgleichen finden?!
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* Die Gegner des Frauenstimmrechts an der Arbeit. Kürzlich ging die Nachricht durch die Presse, daß die Regierung des nordamerikanischen Staates Ohio sich mit der Frage beschäftige, ob den Frauen das ihnen zugestandene Wahlrecht nicht wieder genommen werden müsse, weil sie sich durch außerordentlich geringe Wahlbetheiligung seiner unwürdig gezeigt hätten. Die Entstehungsgeschichte Für die Schulwahlen werden für dieser Nachricht ist folgende: Männer und Frauen gesonderte Wählerlisten geführt. Die nächsten Wahlen im Bezirk Cleveland des Staates Ohio sollen erst im nächsten Frühjahr stattfinden. Trotzdem bestimmten die Behörden, daß die Frauen schon im Herbst ihre Namen eintragen lassen sollten, während die Männer dies erst im Frühjahr zu thun brauchen. Manche Frauen sahen den Grund der Verfügung nicht ein und protestirten gegen die ihnen zugefügte Benachtheiligung, indem sie zu gleicher Zeit sich nicht in die Wählerlisten eintragen ließen. Im Schulwahlrechtsverein wurde die Angelegenheit lebhaft ventilirt. Aus der Thatsache nun, daß einige Frauen Clevelands ihre Namen nicht registriren ließen, schlug eine Zeitung ,, Blade" in Toledo , der Hauptstadt Ohios , für ihre antifrauenrechtlerische Parteirichtung Kapital. Sie warf die Frage auf, ob man den Frauen nicht das Schulwahlrecht entziehen müsse, weil sie es auszuüben sich weigerten. Diesen Artikel, der gar keine weiteren Folgen hatte, benützte die in geradezu lächerlicher Weise frauenfeindliche New- Yorker Staatszeitung", um aus ihm eins ihrer vielen Märchen zurechtzuschmieden. Sie erzählte ihren Lesern deutschen Philistern, denen die freie Luft Ameritas noch nicht die Nachtmüße vom Kopfe geblasen hat daß in Ohio die Regierung den Frauen das Wahlrecht entziehen wolle. Aus ihr druckte es schleunigst eine deutsche Zeitungskorrespondenz ab, und durch sie verbreitete sich die Nachricht selbst in unsere Parteipresse!- Wie wenig frauenfeindlich die Regierung von Ohio thatsächlich ist, geht aus dem Umstand hervor, daß erst neuerdings an den größten staatlichen Hospitälern und Irrenhäusern weibliche Aerzte angestellt wurden.
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* Eine polyglotte( vielsprachige) Korrespondenz der internationalen Frauenbewegung erscheint vom 1. Oktober in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache. Frau Lina Morgen stern , die Herausgeberin, will den Zeitungen gestatten den Inhalt abzudrucken, damit Ereignisse in der Frauenwelt aller Länder die schnellste Verbreitung finden und auf die Fortschritte der Frauenbewegung, wie auf etwaige Ausschreitungen, die bekämpft werden müssen, aufmerksam gemacht wird." Dafür verlangt Frau Morgenstern die Kleinigkeit von 50 Mt. Abonnementspreis jährlich! Welches wohl die ,, Ausschreitungen" sein mögen, zu deren Bekämpfung Frau Morgenstern auffordern wird?
Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. s.) in Stuttgart .