Wenn nun wenigstens die Löhne eine der Schwere der Arbeit entsprechende Höhe erreichen würden! Davon aber ist natürlich keine Rede. Nur ein geringer Bruchtheil der männlichen Arbeiter von den weiblichen gar nicht zu reden ist mit den Töpfern zusammen organisirt. Eine eigene winzige Organisation, die als Kuriosum Er­wähnung verdient, besteht in Lippe; ihr erster Paragraph verpflichtet die Mitglieder,treu zu Kaiser   und Reich" zu halten unddie Sozial­demokratie zu bekämpfen". Von der Möglichkeit einer Erringung höherer Löhne kann unter solchen Umständen vorläufig kaum ge­sprochen werden. Auf der Konferenz der Ziegeleiarbeiter der Provinz Brandenburg   zu Pfingsten dieses Jahres wurden Zustände besprochen, die aller Beschreibung spotten, und auch Löhne namhaft gemacht, die ihresgleichen suchen. Für das Kippen und Aufsetzen der Steine bekommen die Arbeiterinnen im Akkordlohn pro IlXZO Steine 35 bis höchstens 45 Pf. Im Tagelohn erhielten weibliche Arbeiter 15. 16 bis IS Pf. pro Stunde, jugendliche 15 Pf., und Kinder unter 14 Jahren 5 Pf.! Dabei muß in Betracht gezogen werden, daß die meisten Ziegler Saisonarbeiter sind, die während des Jahres höchstens auf 26 Wochen Arbeitszeit rechnen können. Aus einer Enquete der Dresdener Ziegelei­arbeiter geht hervor, daß das Verdienst eines Arbeiters aus der best­bezahltesten Arbeiterkategorie unter den Zieglern sich während dieser Zeit auf ca. 690 Mk. beläuft! Was Wunder, daß dann nicht nur die Frauen, sondern auch die Kinder mit verdienen müssen, wenn sie nicht Hungers sterben wollen. Als ein großer Uebelstand, der, wie es scheint, bisher nicht aus­zurotten war. ist das offen oder versteckt fast überall bestehende Truck­system zu bezeichnen. Die Ziegelmeister haben meist die Kantinen vollständig in der Hand und sorgen dafür, daß der Arbeiter am Ende der Woche möglichst wenig Lohn herausgezahlt bekommt, ja es kommt, wie z. B. in Ostpreußen  , häufig vor. daß für Speisen und Getränke dem Arbeiter Vorschuß in Form von Blechmarken gewährt wird. deren Berechnung für ihn unkontrollirbar ist. Selten ist es den Frauen möglich, das Essen selbst zu bereiten. Zustände, wie die. welche ein Gewerbeinspektor aus Leer schildert, wenn er sagt:Die Arbeiter mußten ihr Wasser zum Waschen. Trinken und Kochen einer Lache entnehmen, aus der das Vieh trank, in welcher es herumwatete und seinen Unrath absetzte". mögen die Frauen auch nicht gerade zum Kochen ermuntern! Es hieße ein Buch schreiben, wollten wir aus alle Seiten des Zieglerelends eingehen; ein Kapitel für sich müßte allein die Frage der unbeschränkten Arbeitszeit der Männer die oft von 3 Uhr Morgens bis 9 Uhr Abends sich ausdehnt aus- Im steigenden Licht. Eine Weihnachksmär. Lange, lange ist's her, da rauschten die Wälder in Ger­ manien  . und dunkel wölbten sich die Kronen uralter Bäume über der Götter heiligem Hain  . Odin   herrschte, der Gute, der Weise. Nicht über den Wolken thronte er, weltenfern, wie der Gott der Christen, nicht in dumpfen, steinernen Hallen beteten die Menschen zu ihm. Er wandelte mitten unter ihnen im blauen Mantel und im Schlapphnt, unter dem sein flammendes Auge hervorstrahlte. Er brachte ihnen Weisheit und Kraft, er schützte mit seinem Speer seine Getreuen, llnd unter den Buchen am murmelnden Quell war sein Altar. In seinem Namen zogen seine Getreuen in die Schlacht. ,Odin   hat Euch Alle' mit diesem Feldgeschrei warfen sie ihre Feinde in die Flucht. Herrlich wie er, herrschten seine Söhne." Am flackernden Herdfeuer in einsamer Berghütte lauschten zwei Menschen der Rede des Alten. Sie wußten nicht, von wo er plötzlich gekommen war. Sie hatten dem fremden Wanderer Obdach geboten, denn eisig war die Winternacht, verschneit die Wege ringsum. Freilich hatten sie nicht viel zu geben: ein hartes Lager am Herd, einen Bissen trockenen Brotes, einen Becher voll Ziegenmilch. Sie waren so arm, der Mann und das Weib! Er ein Holzknecht, sie eine Magd. Gerade heute war ihnen ihr Elend so recht zum Bewußtsein gekommen. Denn Weihnachten war's. Drunten vom Thale   läuteten die Glocken, in den Häusern der Bauern leuchteten schon hier und da Lichter an den Tannenbäumen auf, um die glückliche Kinder sich schaarten. Sie aber hatten keinen Lichterbaum, kein Spielzeug, kein süßes Backwerk, nicht einmal ein warmes Röcklein für ihren Knaben, der in der Wiege schlief. Der fremde Wanderer aber mit dem blauen Mantel und dem Schlapphut und dem langen Bergstock, der aussah wie ein machen. Ein anderes müßte sich mit der Unzulänglichkeit der Ge­werbeaufsicht beschäftigen. Was die Vergehen gegen die Gewerbe­ordnung betrifft, so stehen die Ziegeleien hier mit an erster Stelle; dabei strotzen die Jnspektorenberichle von Klagen über die Mangel­haftigkeit der Aussicht seitens der Ortspolizeibehörden in Bezug auf die Ziegeleien. Unter anderem sagt der Inspektor für Unterelsaß  : Bemerkt sei nur. daß die ortspolizeilichen Nachrevisionen in Ziege­leien alles in Ordnung fanden, während grobe Uebertretungen kurz vor und nach den Nachrevisionen festgestellt wurden; daß eine Orts­behörde das Ersuchen um strafrechtliches Einschreiten gegen 3 Ziegelei­besitzer liegen ließ und erst 6 Monate später nach Anrufung der vor­gesetzten Behörde demselben Folge gab. und daß eine andere einem gleichen Ersuchen gegenüber erklärte, sie nehme von einer Bestrafung Abstand, und ihrer Verpflichtung erst nach dem Eingreifen des Bezirks­präsidenten nachkam." Trotz der offenkundigen elenden Lage der Ziegelarbeiter, die Jedem in die Augen springen muß. der sich damit beschäftigt und die dringend Abhilfe verlangt, wird die Verlängerung der Bundes­rathsverordnung auf ein weiteres Jahr, bis 1. Januar 1899, damit erklärt, daßüber verschiedene Punkte der Bestimmungen so erheb­liche Meinungsverschiedenheiten" bestehe»,daß sich vor Ablauf der Giltigkeitsdauer eine Verständigung nicht erzielen lassen wird." Fünf Jahre von 1893 bis 1898 sind also noch nicht lang genug. um die Zustände unter den Zieglern kennen zu lernen, die Noth- wendigkeit einer Aenderung einzusehen und eine dementsprechende neue Verordnung abzufassen! Wir würden kürzere Zeil dazu ge­brauchen. freilich sind wir nicht der Bundesrath! Unsere Forde­rungen beziehen sich aber nicht nur auf den Schutz der Frauen. jugendlichen Arbeiter und Kinder, sondern auch auf denjenigen er­wachsener Arbeiter. Wir verlangen eine energische Reduzirung der Arbeitszeit der weiblichen und jugendlichen Arbeiter, ein strenges Verbot der Kinderarbeit und des versteckten wie des offenen Truck­systems, eine Regelung der Wohnungsverhältnisse, eine bedeutende Vermehrung des Gewerbeaussichtspersonals und einen Maximalarbeits­tag für die Männer, dessen Einführung aus hygienischen Rücksichten ans Grund von Artikel 120 s der Gewerbeordnung keine Schwierig­keiten haben dürfte. Jedenfalls erwarten wir im Interesse von beinahe 13000 Frauen, 1574 Kindern und fast 10000 jugendlichen Arbeitern, daß der Bundes­rath im Reichstage wegen seines Vorgehens interpellirt werde. Lily Braun  . Speer, ließ sie über seinen seltsamen Reden all. ihr Elend ver­gessen. Ihre Augen hingen an seinem Munde. Und er fuhr fort: Julfest ist heute, das heiligste Fest. Denn das große Licht des Himmels steigt wieder empor über Euch. Es ist von Neuem geboren worden und wächst und wächst, bis es Baldur wach küßt vom Schlummer." Baldur?!" fragend schaute das Weib zum Alten auf. Ja so", entgegnete er traurig,Euch ist Baldur gestorben, Ihr wißt nichts von ihm, dem Gotte des Frühlings, dem Freuden­spender, dem die Blumen blühen, die Vögel singen, dem die Herzen einst alle entgegenschlugen. Und von Freyr wißt Ihr nichts, dem vor Jahrtausenden zur Sonnwendnacht die Feuer lohten. Nicht auf todte, von den Wurzeln gehauene Bäume steckten wir kleine, dünne Lichtlein, deren Glanz nicht erhellte und bald verlosch, nein, mit mächtigen Fackeln erleuchteten wir die dunkle Winter­nacht. Sie spiegelten sich im Eise des Baches, aus den Krystall- sternen des Schnees strahlten sie wieder; sie verkündeten durch alle Wälder das Nahen des steigenden Lichtes. Und nicht armselige Zuckerbrote, die den Hunger nicht stillen, vertheillen wir unter uns, in jeder Hütte schmorte, dem goldborstigen Eber unseres Gottes zu Ehren, das Wildschwein am Spieß, und Keiner war, der sich nicht hätte sättigen können. Frohe Lieder zum Lobe der Helden, zum Preise der Schönheit und der Kraft würzten unser Mahl. Und wenn nach der Weihenacht der Morgen graute, dann traten die Kinder, geführt von den Greisen, zur Hütte hinaus. Sie waren bewehrt mit Schwert und Schild und warteten auf dem Hügel, das Antlitz gegen Osten gewandt, der Sonne. Mit Hellem Jubel und Schwertgekliir grüßten sie ihre ersten Strahlen, und die Alten segneten die Jungen und weihten sie dem steigen­den Licht." Der Mann war aufgesprungen und trat mit wogender Brust und glänzenden Augen dicht vor den Fremden. Und warum blieb es nicht wie einst? Warum herrschen