Verständnisses der geforderten Reform angetränkelt, gipfelten viel mehr in einer komisch- albernen Philippika gegen die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts. Wenn man Frauen zur Gewerbeaufsicht heranzieht, so argumentirte der biedere Reaktionär, so wollen sie womöglich auch noch zu anderen staatlichen Beamtenanstellungen zugelassen sein, wollen Abgeordnete und warum nicht gar gleich Minister werden. Bei dieser gruseligen Perspektive sträubte sich offenbar jedes Haar nicht blos des Dieterich'schen Philisterzopfes, sondern des Zopfes der gesammten bürgerlichen Majorität. Sie schreckte davor zurück, sich durch ihre Zustimmung zur Anstellung von Fabrikinspektorinnen auf die schiefe Ebene " zu begeben, die zum Greuel und Scheuel der sozialen Gleichberechtigung der Geschlechter führt. Freilich giebt es fegerische Seelen, die da meinen, die vom Propheten JeremiasDietrich angedeutete Aussicht auf weibliche Staatsbeamte, Landtagsabgeordnete und Minister sei nicht so schlimm. Auch die dümmste Frau besitze noch so viel Verstand, um durch ihr Wirken im Landtage nach dem Muster der heutigen Majorität eine Zierde der konservativen oder nationalliberalen Fraktion zu sein. Auch die dümmste Frau besige genügend Grüße, um ihren Platz im sächsischen Staatsdienst zum mindesten so lange auszufüllen, als die Verhältnisse innerhalb der grünweißen Grenzpfähle tagtäglich die Wahrheit des Orenstiernaschen Ausspruches beweisen:" Du weißt nicht, mein Sohn, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird." Die bürgerliche Majorität des sächsischen Landtags hat dies genügend bestätigt, indem sie sich mit einer wichtigen Reformforderung durch die Möchte- gernWitchen eines Dietrich abfand.
Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.
Die Verwendung weiblicher Arbeiter in der österreichischen Feilenindustrie nimmt nach dem Desterreichischen Metallarbeiter" immer mehr überhand. Der Zeitpunkt wird nicht mehr fern erachtet, wo nur noch Frauen die Haumaschinen bedienen werden. Ein nach Arbeit anfragender Feilenhauer erhielt von dem Direktor einer großen Feilenfabrik in Niederösterreich die charakteristische Antwort: Feilenarbeiter kann ich keine brauchen, aber wenn Sie mir zwanzig Mädel bringen können". Die Arbeitsbedingungen der Frauen und Mädchen, die in Feilenfabriken beschäftigt werden, sind vielfach geradezu kläglich. So werden den in Hohenberg und Furthof an den Maschinen thätigen Arbeiterinnen 30 bis 35 Prozent vom Lohne abgezogen. Der Gewerbeinspektor hatte bei einem Besuch der Hohenberger Werke die Beschaffung von Waschapparaten angeordnet, sie fehlen heute noch.
Frau Warden stieg aus und bog in eine noch engere Straße ein; sie wollte gleich das Schlimmste sehen.
In der Thüre stand ein halberwachsenes Mädchen. Die Frau fragte:" Wohnen viele arme Leute in diesem Hause?"
Das Mädchen lachte und antwortete etwas, indem sie sich dicht an der Fragenden vorüberstreifend in die enge Thüre hineindrängte. Frau Warden verstand nicht, was sie sagte, aber ste hatte das Gefühl, als habe das Mädchen etwas Häßliches gesagt. Sie trat in das erste Zimmer, das sie fand.
Es war nichts Neues für Frau Warden, daß arme Leute ihre Räumlichkeiten niemals hinlänglich lüften. Die Atmosphäre indessen, welche sie hier einzuathmen begann, verursachte ihr einen derartigen Schwindel, daß sie froh war, sich auf die Ofenbant feßen zu können.
In der Handbewegung, mit welcher das Weib im Zimmer die Kleider auf die Erde warf, die auf der Bank lagen, und in dem Lächeln, mit welchem sie die feine, schöne Dame einlud, Plaz zu nehmen, lag etwas, das Frau Warden auffiel. Es machte den Eindruck, als hätte die arme Frau einst bessere Tage gekannt; obgleich ihre Bewegungen mehr flott als eigentlich fein waren und das Lächeln durchaus kein angenehmes war.
Die lange Schleppe des perlengrauen Visitenkleides der Frau breitete sich weit über den schwarzen Fußboden, und als sie sich niederbeugte, um sie zusammenzuraffen, mußte sie selbst an einen Heineschen Ausdruck denken:„ Sie sah aus wie ein Bonbon, der in der Sonne lag."
( Fortsetzung folgt.)
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Die Zahl der in Frankreich in inspektionspflichtigen Betrieben beschäftigten volljährigen Arbeiterinnen betrug 1896. nach dem kürzlich veröffentlichten Bericht des Obersten Arbeitsraths 347 896. In den 296727 in Betracht kommenden Betrieben waren außerdem noch 98546 Arbeiterinnen im Alter von 18 bis 21 Jahren beschäftigt, 125126 junge Burschen und Mädchen im Alter von 15 bis 18 Jahren, 159193 jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen im Alter von 13 bis 15 Jahren und 1176 Kinder im Alter von 12 bis 13 Jahren. Die weiblichen, jugendlichen und kindlichen Arbeitskräfte, welche den Schutz der Gesetzgebung genießen, machten rund 40 Prozent aller in den inspektionspflichtigen Betrieben beschäftigten Personen aus. In 18 Departements betrugen die weiblichen, jugendlichen und findlichen Arbeiter zusammen mehr als 50 Prozent der gesammten in Betracht kommenden Arbeitskräfte, im Departement Ardèche sogar 75 Prozent derselben. In den drei Departements Ardèche , Mayenne und Isère gehörten mehr als 60 Prozent der Arbeitskräfte dem weib lichen Geschlecht an. Uebrigens geben die vorstehenden Zahlen noch fein ganz genaues Bild vom Umfange der Frauen- und Kinderarbeit in den gesetzlich geregelten Industrien. Die Gewerbeaufsicht hat nämlich die vollständige Zahl der inspektionspflichtigen Betriebe noch nicht zu ermitteln vermocht!
Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.
Für die Verbesserung der Lage der Fernsprech- und Telegraphengehilfinnen trat Genosse Singer bei den Berathungen des Postetats im Reichstag ebenso entschieden als warm ein. Er bemängelte zunächst die niedrigen Gehälter der Damen, die mit einer Anfangsbesoldung von 2,25 Mk. pro Tag angestellt werden, dann 2,40 Mt. und erst im vierten Jahre 3 Mt. erhalten. Er machte geltend, daß die Damen mit dem gezahlten Gehalt nur auskommen können, wenn sie noch von der Familie Unterstützung erhalten. Die Höhe eines Gehalts darf aber, wie er treffend bemerkte, nicht im Hinblick auf eine solche Möglichkeit normirt werden. Des Weiteren forderte er für die Damen kürzeren Dienst. Die jetzt zu leistenden 49 Stunden pro Wochen sind zu viel, weil der Dienst in den Fernsprech und Telegraphenämtern die Nerven ungemein angreift. Gerade mit Rücksicht auf die gesundheitlichen Folgen des Dienstes sollte eine Statistik darüber aufgemacht werden, wie viele der Damen nach neun Jahren noch dienstfähig sind. Man müsse danach trachten, daß die Damen in den Genuß der etatsmäßigen Stellen kommen. Schließlich plädirte Genosse Singer dafür, daß die Fernsprech- und Telegraphengehilfinnen nicht selbst die Kosten der Stellvertretung bei einem Erholungsurlaub tragen müssen. Es genüge nicht, daß die Verwaltung die Kosten der Stellvertretung bei Krankheitsurlauben trage. Der anstrengende Dienst mache oft einen Erholungsurlaub nothwendig, und es sei in diesem Falle nur recht und billig, daß die Verwaltung für die Kosten der Stellvertretung aufkomme. Auch der Nationalliberale Hammacher redete größerer Fürsorge für die Telephon- und Telegraphengehilfinnen das Wort, insbesondere forderte er eine Abfürzung der Zeit, nach der die Damen in die etatsmäßigen Stellen aufrücken. Der Abgeordnete Müller, Mitglied der freisinnigen Volkspartei, erklärte sich für eine Erhöhung der Gehälter der Gehilfinnen, man dürfe nicht billige Gebühren auf Kosten der niedrigen Besoldung der Damen erstreben. Der Prinz von Schönaich- Carolath tritt gewöhnlich für das Recht der Frau auf höhere Bildung und Berufsthätigkeit mit sentimental- konfusen, aber gutgemeinten Worten ein. Für die Interessen der Fernsprech- und Telegraphengehilfinnen hatte er jedoch nichts von seinem guten Herzen und seiner schwungvollen Beredsamkeit übrig. Er erhob vielmehr die schulmeisterlichen Mahnfinger und warnte vor zu weit gehenden Anforderungen". Dies angesichts so ungünstiger Gehalts- und Dienstver hältnisse und angesichts so bescheidener Ansprüche! Komisch wirkte, daß er seine Haltung mit dem Unkenruf begründete, durch die„, weitgehenden Anforderungen" könne man den Gegnern der Beschäftigung von Frauen Material liefern. Also nur wenn die Frau ihre Arbeitstraft möglichst billig und zu den ungünstigsten Bedingungen verkauft, nur wenn sie als Schmußkonkurrentin des Mannes auftritt, hat sie Ansprüche auf Beschäftigung! Es ist die Moral der nacktesten kapita listischen Profitsucht, die der Prinz in dem billigen Mummenschanz eines Freundes der Frauenrechte vertrat. Wunderbare Weisheit förderte auch der Zentrumsmann Dr. Lingens zu Tage. Er schlußfolgerte aus dem Andrang von Bewerberinnen zu den Stellen im Fernsprech- und Telephondienste auf die befriedigenden Dienstverhält nisse der Gehilfinnen. Männiglich ist bekannt, daß der Grund dieses Andrangs ein ganz anderer ist, als die schmeichlerisch lockenden Dienstverhältnisse im Fernsprech- und Telephonwesen. Sollte Herr Lingens wirklich so naiv sein, als er sich gab, so wollen wir ihm diesen Grund verrathen: der relative Nothstand in sehr vielen mittel