18 Jahren in Spinnereien sind in Dundee um etwa 50 Prozent ge­stiegen, in Belfast um etwa 100 Prozent, jene der Frauen um circa 70 bezw. 90 Prozent. Es verdienen heute Spinnerinnen in Dundee und Belfast ungefähr 50 Prozent mehr als erwachsene[ Spinner im Jahre 1833. In Dundee befinden sich die Frauen in den Be­völkerungsklassen über 20 Jahre den Männern gegenüber in dem abnormalen Verhältniß von 3 zu 2. Die Lage der Arbeiterinnen ist in Belfast besser als in Dundee , obgleich ihre Löhne in Belfast niedriger sind. Die Zahl der in Fabriken beschäftigten Frauen ist geringer und nicht im Wachsen begriffen, wie in Dundee ; die Kindersterblichkeit ist geringer und der Prozentsatz unehelicher Geburten ist nicht so hoch. Als Fahrkarten- Ausgeberinnen im preußischen Eisenbahn­verkehr sollen vom 1. April an Frauen als vollbeschäftigte Gehilfinnen angestellt werden. Die königliche Eisenbahndirektion Berlin ist mit der Führung der betreffenden Anwärterinnenliste betraut. Die etats­mäßige Anstellung erfolgt auf Grund einmonatlicher Kündigung; bei der Anstellung haben die Fahrkarten- Ausgeberinnen den Dienſteid als Staatsbeamte zu leisten. Angestellt werden nur unverheirathete weibliche Personen, kinderlose Witwen und Witwen, welche der Pflege ihrer Kinder enthoben sind. Im Falle der Verheirathung wird das Dienstverhältniß ohne Kündigung mit Ablauf des Kalender­vierteljahrs gelöst, in welchem die Eheschließung erfolgt. Das Dienst­einkommen der Fahrkarten- Ausgeberinnen ist dem der Ausgeber gleichgestellt. Das Mindestgehalt beträgt jährlich 1100 Mt. und steigt in 15 Jahren auf 1500 Mt., daneben wird der Wohnungsgeldzuschuß für Unterbeamte gewährt.

Vereins- und Versammlungsrecht.

Das Vereins- und Versammlungsrecht der Frauen in Sachsen will die sächsische Erste Kammer nicht den Wünschen der reaktionären Landtagsmajorität entsprechend noch weiter einschränken. Sie lehnte es ab, den diesbezüglichen Bestimmungen beizutreten, welche die Konservativen der Zweiten Kammer mit Hurrah durchgedrückt haben. Die sächsischen Proletarierinnen tönnen sich also auch fünftighin der kümmerlichen politischen und gewerkschaftlichen Bewegungsfreiheit erfreuen, welche das vielgepriesene" Juwel" ihnen läßt. Dagegen stimmte die Erste Kammer der geforderten Entrechtung der Minder jährigen zu. Wir haben wiederholt ausführlich dargelegt, welch schreiendes Unrecht und welch politisch kurzsichtige Maßregel es ist, den seit frühester Jugend in den Kampf um die Existenz geschleuderten Minderjährigen des werkthätigen Volkes das Vereins- und Versamm lungsrecht zu beschränken, bezw. zu entziehen. Die volljährig gewor= denen Minderjährigen werden sicherlich eines Tags den Herren Reak­tionären mit dem sozialdemokratischen Stimmzettel über das ihnen zugefügte Unrecht quittiren.

Die politische Rechtlosigkeit der Frauen auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungsrechts in Bayern soll womög­lich weiter erhalten werden. So wenigstens will es der Ausschuß der Reichsrathskammer, der den auf die Reform des Vereins- und Versammlungsrechts bezüglichen Gesezentwurf zu berathen hatte. Bekanntlich besteht eine der wesentlichsten Verbesserungen dieses Ent­wurfs darin, daß die großjährigen Frauen in Bayern fünftighin an allen öffentlichen, unpolitischen wie politischen Versammlungen Theil nehmen können, und daß ihnen unter bestimmten Voraussetzungen auch das Recht zur Mitgliedschaft von Vereinen zusteht, die sich mit öffentlichen Angelegenheiten beschäftigen. Die Regierung sowohl wie die Abgeordnetenkammer waren für die diesbezügliche Reform. Der Ausschuß der Reichsrathskammer hat dagegen mit 4 gegen 3 Stimmen beschlossen, die Zulassung der Frauen zu politischen Versammlungen aus dem Gesetz zu streichen. Ob die Reichsrathskammer dem Be­schluß ihres Ausschusses beitritt, ist zweifelhaft. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß die Majorität sich brüstet, päpstlicher als der Papst zu sein: reaktionärer als die Regierung des Herrn v. Feilitzsch und das Abgeordnetenhaus, in dem das Zentrum herrscht.

Frauenbewegung.

Die französischen Frauenrechtlerinnen im Wahlkampf. An dem Kampfe zu den letzten französischen Kammerwahlen, die am 8. Mai stattgefunden haben, nahmen die französischen Frauenrecht Terinnen regen Antheil und suchten während derselben ihre Forderungen energisch und wirksam zur Geltung zu bringen. Eine stattliche Reihe frauenrechtlerischer Organisationen wendeten sich u. a. in einem Manifest an die Wähler und an alle Französinnen. In demselben wurde die Unterstützung der Frauen für alle Kandidaten gefordert, bezw. zugesagt, welche sich durch ihre Unterschrift verpflichteten, für bestimmte Reformforderungen zu Gunsten des weiblichen Geschlechts

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Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin ( Eißner) in Stuttgart .

einzutreten oder welche durch ihre bisherige Haltung ihre Zustimmung zu diesen Forderungen bewiesen haben. Die Frauenrechtlerinnen forderten: 1. Bei gleicher Arbeit gleichen Lohn für alle vom Staat beschäftigten Frauen. 2. Das Vormundschaftsrecht. 3. Das Recht für die Ehefrauen, über ihr persönliches Vermögen und den Ertrag der eigenen Arbeit frei zu verfügen. 4. Die gleiche elterliche Gewalt für Mutter und Vater. 5. Das Recht, unmittelbaren Antheil an allen öffentlichen Angelegenheiten zu nehmen. Dank der rührigen Agitation der französischen Frauenrechtlerinnen hatten sich bis zum 6. Mai bereits 49 Kandidaten verschiedener Parteirichtungen zum Eintreten für diese Forderungen verpflichtet. Bekanntlich wurde von Frau Minna Cauer und Frl. Dr. juris Anita Augspurg ein ähnliches, wenn auch schwächlicheres Vorgehen der deutschen Frauen­rechtlerinnen angeregt. Mit welchem Erfolge, darüber sind bisher noch keine Nachrichten in die Deffentlichkeit gedrungen. Allerdings haben wir auch noch nicht gehört, daß die deutschen Frauenrechtlerinnen der Aufforderung der beiden Führerinnen Folge geleistet hätten und daß sie thatsächlich rührigen Antheil an dem entbrannten Wahlkampf

nähmen.

Ueber die Stellung der russischen Frau einst und jetzt berichtete eine Russin, Frau Wera Vends, kürzlich in einem äußerst beifällig aufgenommenen Vortrage zu Paris folgende interessante Thatsachen: Unendlich traurig war das Leben des russischen Weibes gegen die Mitte der byzantinischen Periode. Noch mehr geknechtet wurde die Frau unter der strengen Mönchsherrschaft des Mittelalters; namentlich waren die jungen russischen Mädchen zu wahrer Gefangen­schaft verurtheilt. Nie durften sie in der Deffentlichkeit erscheinen. Selbst die Töchter der Fürsten vertrauerten ihre Jugend eingeferkert in ihrem väterlichen Schlosse oder hinter den Mauern eines Klosters. Dabei wurden sie von ihren Vätern, Brüdern und Gatten mit größter Härte behandelt, und erst Peter der Große that den ersten Schritt zur Emanzipation der so frevelhaft Gefesselten. Er lud die mosto­witischen Damen an seinen Hof und erlaubte ihnen, sich ohne Scheu vor den Männern sehen zu lassen; er gab in seinem Palaste Gast­mähler, Feste und Bälle, bei denen die Frauen in englischer, französischer oder deutscher Tracht erscheinen durften. Aber erst im achtzehnten Jahrhundert gewann das russische Weib endlich seine vollständige Freiheit und mit den Jahren haben die russischen Gesetze den Frauen immer mehr Rechte eingeräumt, so daß sie jetzt wohl außer den Eng­länderinnen die begünstigste Stellung unter allen europäischen Frauen einnehmen. Mit 17 Jahren bedarf die Russin feines Vormundes mehr, mit 21 Jahren ist sie vollständig Herrin ihres Willens und tann selbst ohne die Zustimmung ihrer Eltern eine Heirath eingehen. Als Verheirathete hat sie volles Recht auf den in die Ehe gebrachten Besitz; sie verkauft und testirt, ohne der Autorisation ihres Mannes zu bedürfen. Was sie in der Ehe erwirbt, ist ihr unantastbares Eigenthum. Die Ehescheidung ist zwar nur in besonderen Fällen gestattet, doch bezeigt man der geschiedenen Frau die größte Achtung und Rücksicht. Auch Kindern läßt man es in Rußland nie fühlen, wenn ihre Eltern eine Schuld oder gar ein Verbrechen auf sich ge­laden haben. In Rußland empfindet das junge Mädchen nicht den Familiendruck; es ist allein für seine Handlungen verantwortlich und wird in der Wahl eines etwaigen Berufs von keiner Seite beeinflußt. Als Studirende fühlt sie sich ganz frei in ihrem Thun und steht dem qu'en dira t- on" durchaus gleichgiltig gegenüber. Ganz besonders haben die russischen Aerztinnen auf dem Lande die Leistungsfähigkeit des weiblichen Geschlechts erwiesen. Durch ihre aufopfernde Thätig­keit, durch das völlige Selbstvergessen ihrer eigenen Interessen, durch ihr reiches Wissen und Können haben sie allgemeine Achtung und Bewunderung errungen. Ihr Wirken ist ein ungemein segensreiches und reicht weit über den Kreis der ärztlichen Berufsthätigkeit hinaus.

Die Zahl der englischen Armenpflegerinnen betrug im letzten Jahre 950. Die Armenpfleger und Pflegerinnen werden durch die Steuerzahler jeder Gemeinde gewählt, auch die steuerzahlenden Frauen besitzen das Wahlrecht zu den Armenbehörden. Sie beziehen kein Ge­halt, haben aber viel Arbeit.

In die Armenverwaltung von Süd- Australien wurde die erste Frau gewählt: Miß Catherine Spence.

Der Armenpflegschaftsrath für Frankreich , eine berathende Körperschaft, hat in einer Resolution den Wunsch ausgesprochen, die Frauen möchten zur Verwaltung der Armenpflege zugelassen werden.

* Gegen 400 weibliche Personen sind im schwedischen Postdienst beschäftigt. Etwa die Hälfte davon sind Vorsteherinnen in schwedischen Postanstalten und beziehen ein jährliches Gehalt von 600 Kronen, sowie bestimmte Sondereinnahmen. Es giebt 2 weib­liche Postmeister und 20 Postexpediteure. Letztere beziehen 1600 Kronen und erhalten Alterszulagen, sowie Sondereinnahmen. Das Gehalt der männlichen Postbeamten beträgt durchschnittlich 200 Kronen mehr. Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b.g.) in Stuttgart .