Aus der Bewegung.

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Von der Agitation. Ueber das Thema: Die bevor­stehenden Reichstagswahlen" sprach Genossin Ihrer vom 15.- 25. Mai in der Provinz Schleswig- Holstein   in folgenden Orten: Notorf, Lockstedt b. Altona  , Izehoe  , Wilster  , Quick­ born   und Flensburg  . In letztgenannter Stadt, wie in Itzehoe  nahmen die Frauen sehr zahlreich an der Versammlung Theil, die großen Säle waren bis auf den letzten Platz von Männer und Frauen gefüllt. Die Aufforderung, den Sozialdemokraten zu wählen bezw. für seine Wahl zu wirken, stieß nirgends auf Widerspruch. Kreis Osthavelland   sprach Genossin Ihrer in Potsdam  , Span­ dau   und Nauen  , über Die Forderungen der Frauen und die Reichstagswahlen." Auch hier fanden ihre Ausführungen den Beifall der zahlreich Erschienenen. Die bürgerlichen Kandidaten, welche zu den Versammlungen eingeladen worden waren, sandten Entschuldigungsschreiben, hatten aber in ihren Kandidatenreden die Forderung der Gleichberechtigung der Frauen für unsinnig und lächer­lich erklärt. Auch Herr Pastor Schall, der bisherige Vertreter des Kreises, hielt es nicht für seine christliche Pflicht, den Ausführungen der Referentin, und den entsprechenden Beschlüssen der Versammlungen entgegen zu treten. Vom 5.- 16. Juni waren Versammlungen vor­bereitet im 4. und 7. schleswig- Holsteinischen Wahlkreise, in Preez, Dietrichsdorf  , Kiel  , Rendsburg  , Neumünster  , Amrum  , Sylt  , Friedrichstadt  , Tondern  . Einige der Versammlungen fielen jedoch aus, weil kein Lokal zu haben war, so auf Amrum  , wo der Boden für die Sozialdemokratie noch fehlt. Unsere An­schauungen finden dort nur Anklang bei den fremden Arbeitern. Auch in Friedrichstadt  , wo die Referentin bereits bei der vorigen Wahl vor sehr zahlreichen Publikum gesprochen hat, mußte die ge­plante Versammlung ausfallen, weil wegen des Schütenfestes ein Lokal nicht zu bekommen war. Die Wahl wird zeigen, welchen Er­folg der Sozialdemokratie unsere Agitation nebst der Regierungs­politik in den genannten Kreisen gezeitigt hat. E. J.

Deffentliche Frauenversammlungen, welche Stellung zu den be vorstehenden Reichstagswahlen   nahmen, fanden statt in Berlin   in der Pichelsdorfer Brauerei( Genossin Ihrer), in Wilhelmsberg( Genossin Baader), Stuttgart   und Cannstatt( Genossin Zetkin), Königs­ berg  ( Genosse Haase), Elbing  ( Genosse Storch). Die Frauenver­sammlung in Königsberg   beschloß dem Antrag der Vertrauensperson, Genossin Nähsert, gemäß, aus dem Agitationsfonds der Genossinnen 50 Mt. für die Wahlagitation zu überweisen. Genossin Rohrlack

Die Reinen.

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Don Dorothee Goebeler.

( Nachdruck nur mit Erlaubniß der Verfasserin gestattet.) ( Fortsetzung.)

Als die Septemberwinde das Laub von den Bäumen jagten, kehrten die Liebenden nach Berlin   zurück.

Lene war mit dieser Aenderung sehr zufrieden. Eine stille glückliche Zeit lag hinter ihr, aber gerade in den letzten Wochen hatte sie wenig von ihrem Geliebten gehabt. Er war schon vor ihr gezogen, hatte sein selteneres Kommen mit angehäuften Ge­schäften entschuldigt und sie auf Berlin   vertröstet. Nun war der Tag ihrer Uebersiedlung gekommen. Richard selbst führte Helene in das Heim, das er ihr ganz in der Nähe seines eigenen, am Potsdamerplay belegenen Hauses eingerichtet hatte. Es war ein fleines Schmuckkästchen in jeder Beziehung, trotzdem schienen die mannigfachen Kostbarkeiten sie nicht einmal zu erfreuen. Er sah sie enttäuscht an: Fehlt Dir hier noch etwas, Lieb?"

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Sie zögerte, dann sagte sie leise: Ja und ich hab' eine Bitte an Dich. Ich möchte arbeiten."

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Er machte ein verständnißloses Gesicht: Arbeiten?"

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hielt im Wahlkreise Zeit eine Reihe gutbesuchter Volksversamm­lungen ab, in denen sie über die bevorstehenden Reichstagswahlen referirte. Ueber das gleiche Thema sprach Genossin Zetkin   in sehr gutbesuchten Volksversammlungen in Ravensburg  , Biberach  und Calw  .

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Um den Verband der Fabrikarbeiter und Arbeiterinnen zu stärken, unternahm Genossin Ziez- Hamburg eine Agitationstour durch Braunschweig  . Versammlungen fanden statt in Braun­ schweig  , Vechelade  , Wolfenbüttel  , Schöningen  , Helmstedt  und Hameln  . Die Versammlungen waren mit Ausnahme der zu Vechelade   und Schöningen   sämmtlich gut besucht und die An­wesenden folgten mit großem Interesse den Ausführungen der Re­ferentin. Die Zustimmung gab sich nicht blos durch lebhaften Beifall fund, sondern durch Einzeichnen in die Mitgliederlisten. Im Ganzen traten dem Verband 72 neue Mitglieder bei, in der Stadt Braun­ schweig   allein 40, darunter eine Anzahl von Frauen. In Braun­ schweig   hielt Genossin Zieg außerdem noch eine öffentliche Ver­sammlung für Metallarbeiter und Arbeiterinnen ab, in der sie, wie in Hameln  , dem Verband dieser Arbeiterschichte neue Mitglieder gewann. In Braunschweig   verbietet bekanntlich das famose Vereins­und Versammlungsrecht oder besser Unrecht den Frauen die Theil­nahme an öffentlichen Versammlungen, die sich mit Politik oder öffentlichen Angelegenheiten beschäftigen. Und die letzteren Begriffe werden von deutungsfrohen Behörden so weit gefaßt, daß den Frauen die Betheiligung an öffentlichen Versammlungen so gut wie unmög lich ist. So wurde z. B. eine Versammlung in Schöningen   ver­boten, in der Genossin Zieß über die Bedeutung des ersten Mai sprechen sollte. Aber trotzdem schreitet das Werk der Aufklärung der proletarischen Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse überhaupt weiter. Die Kniffe und Pfiffe, mit der es die Herrschenden zu hinter­treiben suchen, zeitigen das entgegengesetzte Resultat. Das wird hoffent­lich die Generalabrechnung zeigen, welche die Braunschweiger Arbeiter L. Z. am 16. Juni mit ihren Gegnern halten.

Kaffeeverleserinnen als Heimarbeiterinnen.

Daß zum Verlesen des Kaffees nicht nur Frauen und Mädchen auf den sogenannten Kaffeeböden beschäftigt werden, sondern daß der Raffee auch zum Verlesen in die Gefängnisse geschafft wird, dürfte wohl allgemein bekannt sein. Weniger bekannt aber wohl ist es, daß in der Kaffeebranche Heimarbeit vorkommt, und doch ist dies der Fall. Ich bin ja so glücklich mit Dir. Es kann gar nicht immer so bleiben!"

Und es blieb auch nicht immer so.

In den ersten Wochen zwar waren sie wieder täglich zu­sammen, dann aber kam Richard seltener, schließlich sah sie ihn nur an einigen Abenden in der Woche. Er entschuldigte sich mit gesellschaftlichen Verpflichtungen, und sie zweifelte diese Entschul­digungsgründe nicht an. Seine Zärtlichkeit für sie war ja immer die gleiche geblieben.

Anfänglich langweilte sie sich in den Stunden des Allein­seins sehr. Da Richard indessen jede wiederholte Bitte um Be­schäftigung lachend abschlug, gab sie sich zufrieden und suchte sich die Zeit mit furzen Spaziergängen zu vertreiben. Es war in den ersten Tagen des Dezember. Ein milder Winterabend lag über Berlin  . Lene litt es nicht daheim, sie gab der kleinen Dienerin einige Anweisungen, schlug das dicke Pelzrad um die Schultern und ging nach der Leipzigerstraße. Das weihnachtliche Treiben hier lockte sie an. Mit der Fröhlichkeit eines sorglosen Kindes gab sie sich dem Vergnügen des planlosen Dahinschlenderns hin. An der Wilhelmstraße fesselte ein Wäschegeschäft ihre Aufmerks samkeit. Kinderausstattungen lagen im Schaufenster, reizende Baby­

Sie nickte lebhaft: Ja, arbeiten Geld verdienen. Daß ich sachen aus spinnewebfeinem Mull mit himmelblauen Schleifchen. so Alles von Dir annehmen soll, das bedrückt mich."

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Du bist eine Thörin. Als ob wir nicht zusammen gehörten." " Ja, aber sie brach ab und machte eine Pause dann warf sie sich plößlich aufschluchzend an seine Brust: Richard, ver­laß mich nicht."

Er lachte auf:" Habe ich denn so etwas gesagt? Laß doch die dummen Szenen, Kind, Du regst Dich blos auf und schadest Dir, und Ruhe ist Dir jetzt so noth."

Sie sah unter Thränen lächelnd zu ihm auf:" Du mußt mir nicht böse sein, Richard. Mir ist nur manchmal so angst.

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Ein glückliches Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie dachte sich in dem Meer von Bändern und Spißen ein rosiges zappelndes Kind ihr Kind Richards Kind. Wenn sie etwas von den Sächelchen da mitnähme? Wie Richard lachen würde, wenn sie ihn heut' damit überraschte. Ja sie wollte es thun. Sie machte eine Wendung, um nach dem Laden emporzuſteigen, dabei stieß sie gegen einen alten Herrn, der von der Wilhelmstraße her hart um die Ecke bog. Ein doppelter Ruf des Erstaunens hallte durch die Luft: Fräulein Burkhard!"

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Herr Westhoff!"